„Prozess sollte partizipativ sein“
Jülich-Vorstandsvorsitzender Wolfgang Marquardt: Lasst uns gemeinsam Ideen für Forschungsinfrastrukturen entwickeln!
Prof. Dr. Wolfgang Marquardt ist Professor für Prozesstechnik an der RWTH Aachen. Von 2011 bis 2014 war er Vorsitzender des Wissenschaftsrats, seit Mitte 2014 ist Marquardt Vorstandsvorsitzender des Forschungszentrums Jülich.
Worin besteht der Unterschied zwischen einem Großgerät am Forschungszentrum Jülich und einer FIS im Roadmap-Prozess?
Die Jülicher Großgeräte unterscheiden sich in Funktion und Nutzer-Governance nicht von denen der Roadmap, wohl aber in Konzipierung und Finanzierung. Großgeräte sind in den vergangenen Jahrzehnten über unterschiedliche, mehr oder weniger formalisierte Roadmap-Prozesse auf verschiedenen Ebenen entstanden – in Zentren wie Jülich, in Deutschland, in Europa und in der Welt. Ein gemeinsames Ziel von Wissenschaft und Wissenschaftspolitik ist es nun, die unterschiedlichen Roadmap-Prozesse aufeinander abzustimmen oder gar zusammenzuführen. Das ist genau die richtige Entwicklung, weil sie zu einem Mehrwert für die Wissenschaft führen wird.
Welche Auswirkungen hat das auf die Nutzer?
Abgestimmte Roadmap-Verfahren sollen sicherstellen, dass die einschlägigen Communities die richtigen Ideen für neue FIS finden, sie zu umsetzbaren Konzepten ausarbeiten und diese dann auch priorisieren. Nach der Realisierung der aussichtsreichsten Vorhaben werden die FIS von all denen genutzt, die in einem Peer-Review gezeigt haben, dass sie damit tolle Wissenschaft machen werden, egal wo sie herkommen. Der Betreiber der FIS ist wissenschaftlicher Dienstleister, der den Nutzern die bestmögliche Unterstützung bei ihren jeweiligen Forschungsprojekten geben und die FIS kontinuierlich weiterentwickeln muss.
Wohin fließen die Fördermittel?
Die Antragsteller sind typischerweise ein Konsortium aus Wissenschaftseinrichtungen, die das Vorhaben gleichberechtigt geplant haben und über Steuerungskreis, Nutzerausschuss oder gar Direktorium in die Governance eingebunden sind. Ein Mitglied des Konsortiums stellt als Trägereinrichtung seine Expertise für Bau und Betrieb der FIS zur Verfügung, übernimmt deren Realisierung und erhält dafür die Investitionsmittel. Allerdings muss der Träger die Betriebskosten aus seinem Haushalt finanzieren. In den allermeisten Fällen werden den Nutzern keine Kosten in Rechnung gestellt. Die Forschung mit den FIS wird aus anderen Mitteln finanziert, beispielsweise dem Haushalt der Heimatuniversität der Nutzer oder aus Fördermitteln der DFG oder des BMBF.
Wie frei waren Sie im Wissenschaftsrat bei der Formulierung der Kriterien?
Nachdem wir mit Bund und Ländern die grundsätzlichen Spielregeln gemeinsam entwickelt hatten, war die Arbeitsgruppe des Wissenschaftsrats in der Entwicklung des Verfahrens ganz frei. Insgesamt war das ein strukturierter Prozess, in den alle Stakeholder-Gruppen eingebunden waren. Wir haben unabhängig von konkreten Projekten ein Verfahren entwickelt, das dann in einer Pilotphase an neun Vorhaben, die uns das BMBF vorgelegt hat, erprobt und mit nur kleinen Anpassungen auch in der fast abgeschlossenen ersten regulären Bewertungsrunde angewendet wurde.
Gab es auch Kritik am Verfahren?
Es gab zwei kritische Punkte, die immer wieder aufkommen, die man aber aushalten muss. Zum einen betrifft es das Spannungsfeld zwischen der Bewertung der wissenschaftlichen Qualität und der Wirtschaftlichkeit. Das kann man eigentlich nicht getrennt voneinander bewerten. Die inhaltlichen und durch das Verfahren bedingten potenziellen Friktionen kann man eigentlich nur operativ im Rahmen der Bewilligungsentscheidung auflösen. Zum anderen fragen sich die Wissenschaftler natürlich, ob die Politik auf der Basis der wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Bewertung am Ende die Entscheidung wissenschaftsgeleitet trifft und ob diese transparent und nachvollziehbar ist. Ich finde, dass das etablierte Verfahren insgesamt auf einem sehr guten Weg ist.
Wohin müsste der Weg denn als Nächstes gehen?
Je mehr gute Ideen mit Rückhalt in der Community entwickelt werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir am Ende auch die besten Infrastrukturen in die Welt setzen. Deswegen müssen wir als globale Wissenschaftsgemeinde in einem möglichst breit angelegten partizipativen Prozess dafür sorgen, dass wir die besten Ideen finden. Diesen Prozess zu organisieren und zu orchestrieren – das können wir in Zukunft noch besser machen.
DUZ Magazin 04/2018 vom 27.04.2018