Bröckelnde Fassaden
Absperrung, Bauzäune, Räumungen: Viele Hochschulgebäude sind Sanierungsfälle. Es fehlt Geld für die Instandhaltung. Und wenn es welches gibt, macht meistens der prestigeträchtigere Neubau das Rennen. Die Hochschulen versuchen, den Folgen des Sanierungsstaus Kreativität entgegenzusetzen. Ein Lagebericht.
Beispiel Hochschule für Musik und Theater München: Sanierungsstand von 1957
Dr. Bernd Redmann, Professor für Musiktheorie und Präsident der Hochschule für Musik und Theater in München, bringt es so auf den Punkt: „Das Wasser steht uns sprichwörtlich bis zum Hals.“ Und meint damit nicht das Grundwasser im Keller – das dringt zum Glück nicht mehr ein, nachdem der Freistaat Bayern im Jahr 2015 drei Millionen Euro für eine Sofortbaumaßnahme locker machte. Seitdem grenzen Dichtwände das Hauptgebäude der Hochschule für Musik und Theater in München vom Erdreich ab. Nein, der Präsident meint die anderen Probleme: die Rattenplage, wegen der die Cafeteria zwischenzeitlich geschlossen wurde. Den Schimmelbefall im Keller, wegen der Personal- und Studienakten aufwendig dekontaminiert werden mussten. Stromausfälle. Wasserrohrbrüche. Außerdem schwebt noch ein Damoklesschwert über Redmanns Kopf: Die Bühnenanlage im Großen Konzertsaal in der Arcisstraße 12 ist so alt, dass sie nur noch im Rahmen des Bestandsschutzes betrieben werden darf. Fiele die Technik aus und müsste erneuert werden, bekäme die Hochschule dafür keine Zulassung mehr. Aber hier finden im Jahr 450 Veranstaltungen statt. Und die Studierenden sind darauf angewiesen, dass sie vor Publikum auftreten können.
„Die Hochschule bemüht sich schon seit Jahrzehnten um eine Generalsanierung“, klagt Bernd Redmann. Alle anderen Kunst- und Musikhochschulen im Land seien in den letzten Jahren einmal in den Genuss von Baumaßnahmen gekommen. Nur München nicht. Das denkmalgeschützte Hauptgebäude der Musikhochschule, gebaut 1937, wird immer noch auf dem Sanierungsstand von 1957 betrieben.
Im Schatten der Leuchttürme
„Das ist eine Frage der politischen Willensbildung“, sagt Redmann. Neben den großen Hochschulen und den Leuchttürmen der Kultur in München falle auf eine kleine Hochschule mit gerade mal 1200 Studierenden nur wenig Licht. „Die Hochschulleitung bemüht sich deshalb um beständige Lobbyarbeit.“ Zurzeit profitiert sie vom Abglanz des 2015 eröffneten NS-Dokumentationszentrums in München und der damit verbundenen Aufmerksamkeit für die Nazi-Bauten. Denn auch Redmanns Büro befindet sich in einem ehemaligen Gebäude der Nazis, dem sogenannten „Führerbau“. Jetzt, wo Touristen kommen, stehen die Chancen auf Sanierung besser – das Gebäude soll beschränkt für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Außerdem haben sich einige Randprobleme gelöst, etwa die Umsiedlung der Studierenden während der Sanierungsphase. Ein Ausweichgebäude mit 6000 Quadratmetern zu finden, ist nicht einfach. „Die Miete dafür können Sie in München nicht bezahlen“, sagt Redmann. Aber inzwischen hat sich das Sanierungskarussell weit genug gedreht, dass auch die Musikhochschule einsteigen kann: Das Gärtnerplatztheater zieht zum Oktober wieder in sein frisch überholtes Stammhaus. Und macht damit das ehemalige Gebäude der Münchener Filmhochschule frei, die schon 2011 ihren Neubau bezogen hatte. Zusätzlich fügt es sich, dass einige Mieter der ehemaligen staatlichen Lotterieverwaltung in direkter Nachbarschaft der Arcisstraße 12 ihre Büros räumen. Die Gebäudeteile C und D, die auch saniert oder neu gebaut werden müssen, könnte die Hochschule haben, um dort langfristig ihre Verwaltung unterzubringen. Inklusive einer neuen Tiefgarage würde so ein neues Campus-Areal entstehen.
Die Sanierung hängt noch an Details: einem fünften Obergeschoss, das die Hochschule gerne auf den Gebäudeteil C aufstocken würde, um mehr Platz für ihre Bibliothek zu haben und ein Digital Arts Center einrichten zu können. Dieser zusätzliche Flächenbedarf muss noch vom Ministerium genehmigt werden. Erst dann kann der Bauantrag gestellt werden. Vom Landtag durchgewunken ist das Bauvorhaben dann zwar immer noch nicht. „Aber alle Ampeln stehen auf Grün“, sagt Bernd Redmann. „Es wäre wirklich sehr enttäuschend, wenn wir die Genehmigung nicht bekommen würden.“
Literaturtipp
Nachgerechnet
Jana Stibbe / Friedrich Stratmann: Finanzierungsbedarf für den Bestandserhalt der Hochschulgebäude bis 2025, Forum Hochschulentwicklung 1|2016
https://tinyurl.com/y6vdojxa
DUZ Magazin 01/2018 vom 26.01.2018