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Internationales Parkett

Wie Verwaltungsmitarbeiter andere Länder und Wissenschaftssysteme kennenlernen.

Susanne Sinn-Bisinger, Mitarbeiterin der Hochschule Reutlingen, war kürzlich zum ersten Mal in Ljubljana. Als sehr modern empfand sie die slowenische Hauptstadt, WLAN war praktisch überall verfügbar und an der dortigen Universität eine Selbstverständlichkeit. Es war ein Fortbildungsaufenthalt mit Workshop im Rahmen des Programms Erasmus+, der Sinn-Bisinger für eine Woche in die Stadt führte.

An ihrer Hochschule ist Sinn-Bisinger in der Stabsstelle „Qualität in Studium und Lehre“ zuständig für Rankings. Die studierte Betriebswirtin tauschte sich in Ljubljana unter anderem über die internationale Akkreditierung von Studiengängen aus. Für ihre Hochschule und besonders für die wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge der Fakultät der ESB Business School ist das ein sehr wichtiges Thema. „Umso spannender fand ich es, zu erfahren, welche Strategien Kollegen aus anderen Ländern verfolgen und wie das Qualitätsmanagement dort arbeitet“, sagt Sinn-Bisinger. Dass sie dabei auch auf Kollegen aus Kasachstan, Aserbaidschan und Jordanien traf – Länder, mit denen ihre Hochschule bislang noch keine Partnerschaften pflegt –, „war für mich zusätzlich interessant. Vielleicht ergeben sich ja daraus in Zukunft neue Kooperationen“.

Akademisches Personal, Studierende und auch die Mitarbeiter der Hochschulverwaltung zu internationalisieren und fit für den Umgang mit ausländischen Kollegen und Studierenden zu machen, rückt immer stärker in den Fokus der Hochschulen. Forschungskooperationen mit ausländischen Hochschulen sind seit Langem gang und gäbe. Fortbildungen oder Auslandsaufenthalte gezielt auch für die interne Internationalisierung einzusetzen und diese als Teil der Hochschulentwicklung und des Hochschulmarketings zu begreifen, ist erst eine Entwicklung der Bologna-Reform. Sei es im Service-Bereich, sei es in der Lehre: Die Mitarbeiter einer Hochschule sollen dazu beitragen, dass ausländische Studierende und Wissenschaftler sich wohl fühlen. Es kann schon helfen, wenn Verwaltungsmitarbeiter in der Lage sind, wichtige Informationen an E-Mail-Verteiler auch auf Englisch zu verfassen.

„Eine Hochschule ist immer nur so international wie der erste Kontakt mit ihren Mitarbeitern“, sagt Udo Stelzer vom International Office der Hochschule Reutlingen. Dieser erste Kontakt sei längst nicht immer Sache des Internationalen Büros einer Hochschule, sondern finde zuallererst in den Bibliotheken und Laboren statt, deren Mitarbeiter mit ausländischen Studierenden oder Doktoranden zu tun haben.

Anders als Forscher haben Verwaltungsmitarbeiter selten Gelegenheit, Tagungen und Konferenzen im Ausland zu besuchen. Nach den Erhebungen des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) stieg die Zahl der Hochschulmitarbeiter, die über Erasmus+ eine Fortbildung im Ausland besuchten, zwischen 2008 und 2014 von rund 300 auf 1165. Die Hochschule Reutlingen ermöglicht pro Jahr bis zu 18 Mitarbeitern wie Susanne Sinn-Bisinger, Auslandserfahrungen bei einer der rund 60 Partnerhochschulen zu sammeln. Viele Hochschulen nutzen für Fortbildungen ihre über die Jahre gewachsenen weltweiten Netzwerke mit anderen Hochschulen und entwickeln Austauschprogramme. Viele greifen dabei auf die finanzielle Förderung aus Erasmus+ zurück, um ihre Mitarbeiter zu Hospitanzen oder Workshops zu entsenden.

Den meisten Hochschulen sei bewusst, „dass Internationalisierung eine strategische Aufgabe ist“, sagt Stephan Keuck, der bei der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) Leiter des Audits „Internationalisierung der Hochschulen“ ist. Die Mobilität von Wissenschaftlern und Studierenden sei dabei nur einer von vielen Aspekten; auch in anderen Hochschulbereichen müsse Internationalität verankert werden. Dazu gehörten nicht nur Sprachkurse oder Seminare zur Interkulturalität, sagt er, sondern Internationalisierung solle beispielsweise auch konsequent bei Neuberufungen berücksichtigt werden: „Im Fokus können hier interessante Kontakte und Netzwerke der Kandidaten stehen und wieviel Erfahrung sie in der Lehre mit internationalen Studierenden vorzuweisen haben“, so Keuck. Seit 2009 haben 82 Hochschulen am HRK-Audit teilgenommen, um sich bei der Entwicklung einer passgenauen Strategie beraten zu lassen – große Exzellenzuniversitäten ebenso wie kleine Fachhochschulen.

Es genüge nicht, einfach zu beschließen, internationaler zu werden, betont Keuck. „Der Gedanke, dass es nicht um Quantität, sondern um Qualität geht, ist hierbei sehr wichtig: In welchen Bereichen wollen wir mehr Internationalität, welche ausländischen Hochschulen könnten interessante strategische Partner sein? Solche Fragen sollte man sich vorab stellen.“ Und: Manchmal könne durch eine gelungene Kooperation mit einer Handvoll Partnern mehr gewonnen werden als durch Kontakte zu mehreren hundert Hochschulen.

Auch die Universität Bielefeld hat an dem Audit teilgenommen. Die Hochschule genießt in den Geistes­ und Sozialwissen­schaften hohes Renommee und pflegt strategische Partnerschaften, unter anderem mit Universitäten in Osaka, Alberta oder Bologna. Mit der Universität von Bologna sind die Bielefelder über einige gemeinsame Double-Degree-Masterstudiengänge verbunden, weitere sind in Planung. Bastian Simon, Justiziar an der Universität Bielefeld, hat deshalb vor einiger Zeit bei den italienischen Kollegen hospitiert. „Ich wollte verstehen, wie die Universität Bologna im Bereich Studium funktioniert – angefangen von dem grundsätzlichen Verständnis von einem Studiengang bis hin zu detaillierten Fragen der Organisation“, sagt er.

90.000 Studierende sind an der Traditionsuniversität im norditalienischen Bologna eingeschrieben – mehr als dreimal so viele wie in Bielefeld. Ihn habe sehr beeindruckt, wie die älteste Universität Europas den internationalen Austausch auf allen Ebene hochhalte und lebe – obwohl sie mit ihrem attraktiven Studienangebot quasi ein Selbstläufer und nicht unbedingt auf weitere Kooperationen mit anderen Universitäten angewiesen sei, sagt Simon.

„Vielleicht ergeben sich Kooperationen“

Seine ostwestfälische Hochschule dagegen muss intensiver um ausländische Studierende und Wissenschaftler werben – auch im Vergleich zu anderen deutschen Unis an attraktiven Standorten wie Berlin, Heidelberg oder München. Die Hochschule hat deshalb 2011 ihr Internationales Gastdozenten-Programm (IGD) gestartet – zum einen, um bestehende Kontakte und Netzwerke auszubauen, zum anderen, um neue zu knüpfen. Rund 100.000 Euro aus dem Hochschulbudget fließen pro Jahr in das Programm, Professoren aller Fakultäten können sich darum bewerben, einen ausländischen Kollegen einzuladen.

„Im Vordergrund dieses Programms steht für uns die Internationalisierung der Lehre und wie die Hochschule die Fakultäten nachhaltig darin unterstützen kann“, erläutert Bielefelds Prorektorin Prof. Dr. Angelika Epple, zuständig für Internationales und Diversität. Die 138 Wissenschaftler aus über 40 Ländern, die über das Gastdozentenprogramm bislang nach Bielefeld kamen und zwischen zwei Wochen und einem Semester blieben, sollen diese internationalen Impulse setzen – mit Lehrveranstaltungen  auf  Englisch und einem anderen Blickwinkel auf das jeweilige Fach.

Vor einigen Monaten hat die HRK Empfehlungen zur Internationalisierung von Curricula veröffentlicht. Denn gut zwei Drittel der deutschen Studierenden gehen während des Studiums nicht ins Ausland – das kollidiert mit den Erwartungen der späteren Arbeitgeber, die global erfahrene Menschen als Mitarbeiter beschäftigen möchten. Studierende sollten deshalb stärker als bislang an der eigenen Uni internationalisiert werden, empfiehlt die HRK. Viele Hochschulen arbeiten nun an Konzepten dafür. „Es geht nicht nur darum, die Englisch­ oder sonstigen Sprachkenntnisse der Studierenden zu verbessern, sondern ihnen zu vermitteln, was es bedeutet, global zu denken und zu arbeiten“, sagt Dr. Tanja Reiffenrath, die an den HRK-Empfehlungen mitgewirkt hat. Sie ist in der Abteilung für Studium und Lehre der Universität Göttingen zuständig für die Internationalisierung der Curricula.

„Wir können zum Beispiel die Erfahrungen und Ideen ausländischer Studierender, die diese aus ihren Heimatländern mitbringen, für deutsche Studierende auch langfristig nutzbar machen. Dafür könnten Methoden wie Gruppenarbeit und die digitalen Medien stärker genutzt werden“, sagt Reiffenrath. Sie berichtet von einer Exkursion Göttinger Volkswirtschaftslehre (VWL)­Studierender, die Doktoranden nach Pakistan und Indien begleiten durften, um einen kleinen Videofilm über den Forschungsalltag in diesen Ländern zu drehen. In VWL-Veranstaltungen haben Studierende haben Zugriff auf diesen Film, sagt Reiffenrath, aber sicherlich funktioniere so etwas auch sehr gut in anderen Fakultäten.

Parallel bereitet sich das Lehrpersonal auf ein internationalisiertes Curriculum vor. Der Göttinger Politikwissenschaftler Dr. Patrick Theiner, Akademischer Rat am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen, sagt: „In meinen Seminaren ermuntere ich die Studierenden, über den Tellerrand zu schauen, indem ich sie zum Beispiel Texte von afrikanischen oder asiatischen Autoren lesen lasse. Sie haben meistens einen etwas anderen Blick auf bestimmte Themen als europäische oder US-amerikanische Wissenschaftler, deren Texte zur Standardlektüre gehören.“ Theiner hat einige Jahre als Wissenschaftler in den USA und in Dublin verbracht und dort auch gelehrt.

Doch bei einem Workshop im niederländischen Groningen lernte er noch Neues über den Umgang mit ausländischen Studierenden: „Ich habe dort von Kollegen erstmals den Begriff ‚hidden curriculum‘ gehört.“ Was er bedeutet? „Ausländische Studierende wissen zwar, welcher Lehrstoff in den Modulen behandelt wird, aber sie wissen nicht, wie deutsche Lehrveranstaltungen funktionieren. Für viele ist es ein Kulturschock, wenn sie erleben, dass deutsche Studierende zwar gerne und viel diskutieren, aber häufig nicht die geforderte Lektüre gelesen haben.“ In Irland etwa habe er es genau anders herum erlebt. „Wenn man weiß, welch große Rolle dieses hidden curriculum spielt, kann man sich selbst und die Studierenden vorher besser darauf vorbereiten. Das gilt umgekehrt natürlich auch für deutsche Studierende.“

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