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„Beide suchen nach Wahrheit“

Sollten Wissenschaftler und Journalisten stärker aufeinander zugehen? 

Den Austausch zwischen beiden Berufsgruppen fördern soll das Portal „Europäisches Journalismus Observatorium“. Gegründet hat es Prof. Dr. Stephan Ruß-Mohl, Medienwissenschaftler an der Università della Svizzera Italiana in Lugano (Schweiz).

Herr Ruß-Mohl, Sie schlagen eine Allianz zwischen Wissenschaftlern und Journalisten gegen Desinformation vor. Was eint denn diese beiden Gruppen?

In beiden Berufsethiken steht ganz oben, dass man nach Wahrheit sucht. Die Felder sind unterschiedlich, die einen machen Tiefbohrungen, die anderen jagen Aktualitäten hinterher. Aber das ergänzt sich ja vielleicht auch ganz gut.

Bisher fallen Wissenschaftler und Journalisten allerdings nicht gerade durch Harmonie auf.

Nach dem March for Science hat man den Eindruck, dass zumindest auf Wissenschaftlerseite einige inzwischen alarmiert sind, dass sie vielleicht journalistische Unterstützung brauchen, um ihre Anliegen an die breitere Öffentlichkeit heranzutragen. Ich sehe aber auch, dass sich die beiden Systeme Wissenschaft und Journalismus eher voneinander weg entwickeln als aufeinander zuzugehen.

Inwiefern? 

Schauen Sie die Wissenschaftssprache an: Wissenschaftler publizieren Relevantes heute auf Englisch, und sie sind auch auf Konferenzen nur noch auf Englisch unterwegs. Damit ist eine Barriere entstanden, die mich ans Mittelalter erinnert, als Latein die Lingua franca der Wissenschaft war, sonst aber kaum jemand diese Sprache verstand. Gut, Englisch sprechen natürlich viele Menschen. Aber ich glaube, auf Englisch Fachbücher oder Fachartikel zu lesen, das tut so gut wie kein Journalist mehr.

Das Englische hindert Journalisten, wissenschaftliche Ergebnisse zur Kenntnis zu nehmen?

Es ist eine zusätzliche Barriere. Darüber hinaus sind die Wissenschaftler meist nicht sonderlich interessiert, ihre Ergebnisse an eine breitere Öffentlichkeit heranzutragen. Der Journalismus hat Recherchekapazitäten abgebaut. Man konkurriert mit Katzenvideos um Aufmerksamkeit und kümmert sich mehr um gängige, leichte Themen.

Brauchen die Wissenschaftler überhaupt noch Journalisten? Sie könnten ihre Ergebnisse doch selbst publizieren.

Das ersetzt aber keinen kritischen Wissenschaftsjournalismus, der Fragen stellt und nicht alles gut findet.

Was sollen Wissenschaftler und Journalisten in der von Ihnen gedachten Allianz tun?

Journalisten müssten stärker als bisher Wissenschaftler als Quelle anzapfen. Wissenschaftler sollten mehr in dem Bewusstsein agieren, dass sie etwas tun, das wichtig ist für die Gesellschaft, und sich nicht nur auf ihre winzig kleinen Scientific Communities konzentrieren und ihre Publikationslisten verlängern. Kaum jemand liest doch das, was sie da schreiben. 

Die beiden Gruppen sollten sich also durch stärkere Wahrnehmung gegenseitig aufwerten.

Wissenschaft und seriöser Journalismus sind die beiden Instanzen, die gefordert sind, etwas gegen das Problem proliferierender Desinformation zu tun. Die Entwicklung hat damit zu tun, dass die Journalisten als Gatekeeper ausfallen. Wir müssen wirklich kämpfen um Pressefreiheit und Wissenschaftsfreiheit und zwar im Schulterschluss gemeinsam.

Der Kapazitätsabbau in den Medien hat ja wirtschaftliche Gründe. Wer zahlt für Recherchen und Information?

Das ist die Kernfrage. Ich appelliere an die Wissenschaftler: Hört mal, ihr habt zum großen Teil Jobs, die vom Steuerzahler bezahlt sind. Also hat der Steuerzahler auch ein Recht, von euch zu erfahren, was ihr mit dem Geld macht und was dabei herauskommt. Und zwar ohne dass er euch hinterherlaufen muss. Die Wissenschaftler sind in einer Bringschuld.

Aber der Wissenschaftler kann ja nicht den Journalisten bezahlen. Oder doch?

Nein, so weit soll es nicht gehen. Dann wären wir ja in einer Bakschisch-Gesellschaft. Für guten Journalismus sollten wir alle bereit sein, mehr zu zahlen.

Was halten Sie davon, dass Stiftungen Recherche fördern?

Stiftungen können Anstöße geben oder an der einen oder anderen Stelle tatsächlich helfen. Aber man kann nicht erwarten, dass sie das Problem lösen, dazu reichen Stiftungsgelder bei Weitem nicht aus.

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