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Vom Gift der Manipulation

Spätestens seit Donald Trumps Wahlkampf sind Fake News ein Thema. Wie man gegen Falschmeldungen und Meinungsroboter vorgehen kann, erforscht Johanna Haberer, Professorin für Christliche Publizistik an der Universität Erlangen-Nürnberg. Ihr Vorschlag: durch Stiftungen finanzierte Aufklärungsredaktionen.

Eigentlich haben wir in Deutschland eine sehr sensible Kommunikationskultur“, sagt Johanna Haberer. Aus der Erfahrung der nationalsozialistischen Propaganda heraus sei ein besonders wohl überlegtes, differenziertes Informationssystem mit privaten Zeitungen und einem gut ausgestatteten öffentlich-rechtlichen Rundfunk entstanden. Die deutsche Medienmacht liege weder in der Hand von Medienmogulen wie Berlusconi oder Murdoch, noch werde die Pressefreiheit durch Regierungen wie in der Türkei oder in Ungarn eingeschränkt. Stattdessen gebe es immer noch eine relativ vielfältige Presselandschaft und den durch Gebühren finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk. „Das ist unser Wall gegen Fake-News“, so die Medienexpertin und Theologin.

Doch nicht nur die USA, auch Deutschland ist angesichts von Google, Facebook und Twitter in einen „presserechtlichen Urwald“ geraten, in dem Fake News gedeihen. Haberer erinnert an den Fall des jungen Syrers, dessen Selfie mit Bundeskanzlerin Angela Merkel für falsche Anschuldigungen und Hasskommentare missbraucht wurde. Bildmontagen auf Facebook brachten den 19-Jährigen sowohl mit dem Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt als auch mit einem brutalen Angriff auf einen Obdachlosen in München in Verbindung. Das alles war frei erfunden. Doch dem Syrer gelang es nicht, Facebook dazu zu bringen, die Verleumdungen gegen ihn zu löschen. Auch vor Gericht verlor er gegen den Internetgiganten. „Das sind Weltunternehmen, die kein Interesse daran haben, eine Gesellschaft zu verbessern“, erklärt Haberer. Selbst Justizminister Heiko Maas habe große Mühe, der strafbaren Hetze und Hasskriminalität in sozialen Netzwerken Einhalt zu gebieten.

Gefahr für die politische Kultur

Und auch Populisten nutzen die Möglichkeiten der neuen Medien, um Menschen sehr gezielt zu manipulieren. „Social Bots“ heißen die Meinungsroboter, über die an Haberers Institut geforscht wird. Da geht es etwa um die Frage, wie auf die Zielperson jeweils zugeschnittene politische Botschaften automatisch verschickt, Falschmeldungen verbreitet und Meinungsbilder verfälscht werden. „Das sind mit sehr viel Intelligenz gebaute Botschaften, die bestimmte politische Gedanken schmackhaft machen sollen“, meint Johanna Haberer.

Nach ihrer Überzeugung ist diese Entwicklung äußerst gefährlich für die politische Kultur. Nicht nur, weil selten so viele Journalisten angegriffen oder verhaftet wurden. Auch politische Entscheidungen würden dann auf der Grundlage von Lügen getroffen. „Das hat Vergiftungscharakter“, so die Medienexpertin. Sie sagt: „Eine gut recherchierte Information ist für eine Demokratie genauso wichtig wie sauberes Wasser für die Menschen.“ Deshalb sei es wichtig, die herkömmliche Presse und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu stützen und zu erhalten: „Einem Phänomen wie dem Rechtspopulismus können wir nur mit einer ausgezeichneten Presse begegnen“, so Haberer.

Den Fakemachern den Boden entziehen

Nach der Wahl von US-Präsident Donald Trump hat sie eine neue Idee entwickelt: Es müssten gemeinnützige Aufklärungsredaktionen eingerichtet werden, die das Internet systematisch nach Fake News durchforsten. Sie hätten die Aufgabe, Lügen aufzudecken, sie weiterzumelden und dafür zu sorgen, dass sie richtiggestellt werden. Finanziert werden könnten sie zum Beispiel durch Stiftungen. Angebunden an Qualitätszeitungen und große Verlage könnte dies auch ein Weg sein, um den durch Auflagenschwund gebeutelten Zeitungen einen Raum zu geben, fragliche Informationen in Ruhe zu überprüfen. „Wenn es strategisch aufgebaute Desinformationskampagnen gibt, muss es Menschen geben, die dafür sorgen, dass so etwas auf breiter Ebene – sowohl in den Zeitungen als auch im Netz - verfolgt und gelöscht wird“, sagt Haberer. Sie will die Idee politisch weiterverfolgen. Deswegen zögert die Professorin auch nicht, in Diskussionsrunden – etwa mit dem bayerischen Finanzminister Markus Söder – über Fake News zu diskutieren. Der CSU-Politiker würde den öffentlich-rechtlichen Rundfunk allerdings auch gern beschneiden, berichtet Haberer.

Die Theologin erinnert aber auch daran, dass Fake News kein modernes Phänomen sind. Schon während der Reformationszeit, als es noch keine Zeitungen gab, sollten die Menschen glauben, was die Mächtigen ihnen sagten. So behauptete die römische Kirche, dass Martin Luther mit dem Kopf auf den Rücken gedreht sterben werde – ein Zeichen dafür, dass er vom Teufel geholt worden sei. Deshalb machten Freunde Luthers nach seinem Tod eine Gipsmaske vom Gesicht des friedlich entschlafenen Reformators. Haberer: „Alle Welt sollte wissen, dass das mit dem Teufel ein Fake war.“

Die Forscherin Prof. Johanna Haberer

DIE FORSCHERIN

Johanna Haberer

Johanna Haberer twittert nicht. Auch auf Facebook postet sie keine Kommentare. Dabei beschäftigt sich die Theologin schon seit vielen Jahren mit den neuen Medien. „Ich möchte keine Adresse auf Plattformen haben, für die Wahrheit und Lüge keine Rolle spielen“, sagt die 60-Jährige, die heute Deutschlands einzige Professorin für Christliche Publizistik ist. Sich gegen Fake News, Cybermobbing und anonyme Hetze einzusetzen, gehört für die Wissenschaftlerin zu den Kernaufgaben. Kürzlich hat sie ein Buch über digitale Theologie veröffentlicht.

Pionierrollen kennzeichnen ihren Lebenslauf: Johanna Haberer war eine der ersten Pfarrerinnen im Bayern der 70er-Jahre. Die weibliche Berufsform der „Vikarin“ war in ihrer ersten Gemeinde in Goldbach bei Aschaffenburg so unbekannt, dass sie mitunter als „Fräulein Karin“ von den Gemeindemitgliedern angesprochen wurde. 1982 brauchte die evangelische Kirche Nachwuchs für die neuen christlichen Medienprogramme. Johanna Haberer absolvierte eine journalistische Ausbildung, arbeitete für den Hörfunk und realisierte Filme. Sie leitete die evangelische Wochenzeitung in Bayern, die Redaktion des Evangelischen Fernsehens und die Evangelische Funkagentur. Überdies vermittelte die Medien- und Kirchenexpertin als Rundfunkbeauftragte für den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland zwischen der Kirche und den Medien. Und sie war überhaupt die erste Frau, die in Bayern zur Landesbischöfin vorgeschlagen wurde – als geschiedene Mutter von zwei Kindern keine unumstrittene Kandidatur.

Als 2001 eine Professorin für den Studiengang „Christliche Publizistik“ an der Theologischen Fakultät gesucht wurde, wechselte Johanna Haberer an die Universität Erlangen-Nürnberg. Besonders spannend und herausfordernd für sie: Der Studiengang Christliche Publizistik bereitet nicht nur christliche Theologiestudenten auf das Berufsfeld Journalismus vor. Den interdisziplinären Master „Medien-Ethik-Religion“ absolvieren auch muslimische und jüdische Studierende.

Und auch journalistisch ist die Hochschullehrerin tätig und zwar vor allem als Mitherausgeberin von „Publik-Forum“, einer christlichen Zeitschrift.

gc

 

 

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