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Forschung, Lehre – und was noch?

Unter dem Etikett „Third Mission“ erschließen sich deutsche Hochschulen neue Aufgabenfelder.

Was haben eine Kinder-Uni, eine akademische Anlaufstelle für Flüchtlinge, ein Gründerzentrum und ein Politiker beratender Professor gemeinsam? Die Antwort: All diese Aktivitäten zeigen, dass Universitäten und Fachhochschulen heute auf vielerlei Arten in die Gesellschaft hineinwirken. Wenn Hochschulforscher über diese Tatsache sprechen, verwenden sie meistens diesen einen Begriff: Third Mission. Sprich: die dritte Mission, also all jene akademischen Leistungen und Tätigkeitsfelder, denen sich Hochschulen neben den beiden Aufgaben widmen, die seit dem 19. Jahrhundert als ihr Kernbestandteil gelten – der Forschung und der Lehre.

Die wissenschaftspolitischen Entwicklungen, die dieser dritten Kategorie akademischer Aufgaben zugrunde liegen, reichen weit zurück. Schon mit der großen Bildungsexpansion nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Vorstellung einher, Hochschulen sollten auf die Bedürfnisse der Gesellschaft reagieren, anstatt am Rand zu stehen. Zugleich hat sich die Landschaft der deutschen Hochschulen in den letzten Jahrzehnten immer weiter ausdifferenziert. Manche von ihnen haben sich, jedenfalls dem eigenen Selbstverständnis nach, auf den Weg hin zu Elite- Forschungsstätten gemacht. Andere bemühen sich – dieser Trend macht sich besonders seit der Jahrtausendwende bemerkbar – verstärkt um den Austausch mit der regionalen Wirtschaft und Zivilgesellschaft.

Mit der Beforschung dieser Tendenzen hat auch die wissenschaftspolitische Auseinandersetzung Fahrt aufgenommen. 2010 veröffentlichte der Stifterverband zusammen mit der Mercator-Stiftung die internationale Vergleichsstudie „Mission Gesellschaft“, die mit Best- Practice-Beispielen aus Australien, Deutschland, Finnland, Großbritannien, Malaysia und den USA für das Konzept „Third Mission“ warb.

Ann-Katrin Schröder-Kralemann, die beim Stifterverband den Bereich „Hochschule und Wirtschaft“ verantwortet, sagt, seit der damaligen Veröffentlichung habe sich einiges getan: „Viele Hochschulen sehen im Thema ‚Transfer‘ inzwischen einen Gewinn für Forschung und Lehre, weil sich hier neue Fragestellungen auftun und neue Anwendungsfelder erschließen.“ „Transfer“ werde dabei nicht nur als Austausch von Technologie-Wissen verstanden, sondern auch als Dialog mit der Gesellschaft im weitesten Sinne.

Einer muss es ja tun. Oder?

In der Tat finden sich in Deutschland Hochschulen, deren Strategie und Außendarstellung das Thema Third Mission aufgreifen. Als etwa Prof. Dr. Micha Teuscher im Mai dieses Jahres sein Amt als Präsident der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg antrat, sagte er, ihm sei es besonders wichtig, die dritte Mission seiner Hochschule zu stärken – „auf Augenhöhe und der Basis gleichwertiger Partnerschaft“ mit gesellschaftlichen Institutionen und Partnern. Und die Uni Frankfurt am Main hat 2015 im Rahmen eines „Strategieprozesses“ das Amt eines Vizepräsidenten für Third Mission ins Leben gerufen. Seine Aufgabe ist, so die Universität, „die Pflege und Anbahnung von Kooperationsbeziehungen der Goethe-Universität mit Einrichtungen und Personen aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Zivilgesellschaft“ sowie der „Wissens- und Technologietransfer und die Private Hochschulförderung“. Hintergrund ist der Plan, an der Hochschule bis 2020 das Aufgabenfeld Third Mission institutionell zu verankern. Dafür wurde ein Projektteam zusammengestellt, zu dem neben dem Vizepräsidenten und „transferaktiven Wissenschaftlern“ auch dem Bereich der dritten Mission zugeordnetes Verwaltungspersonal gehöre.

Mit dieser strategischen Ausrichtung steht die Frankfurter Uni recht allein auf weiter Flur. Noch. Die dritte Mission, so scheint es, könnte eine Perspektive für das ganze Wissenschaftssystem werden; die ersten Versuche, das Thema auch im Rahmen von Leistungsbewertung und Mittelvergabe zu berücksichtigen, gibt es bereits. Das von der Europäischen Union ins Leben gerufene Ranking-System „U-Multirank“ zum Beispiel will durch die Verwendung einer besonders großen Zahl von Indikatoren Hochschulen besser vergleichbar machen. Es nutzt dabei unter den Überschriften „Knowledge Transfer“ und „Regional Engagement“ auch Indikatoren der dritten Mission. Und auf nationaler Ebene läuft gerade der Auswahlprozess für die Förderlinie „Innovative Hochschule“, die sich an kleinere und mittelgroße Unis und an Fachhochschulen richtet. In zwei Fünf-Jahres-Runden sollen insgesamt bis zu 550 Millionen Euro von Bund (90 Prozent) und jeweiligem Land (10 Prozent) bereitgestellt werden, um den Austausch und die Vernetzung zwischen den Hochschulen und ihrem regionalen Umfeld zu fördern. Ein Zeichen dafür, dass die dritte Mission auf Bundesebene in Zukunft eine größere Rolle spielen wird? Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) jedenfalls teilt auf Anfrage mit, es habe bei der „Innovativen Hochschule“ eine hohe Bewerberzahl gegeben. Dies habe das Ministerium darin bestärkt, „den forschungsbasierten Ideen-, Wissens- und Technologietransfer im Sinne einer dritten Mission fest als akademische Kernaufgabe im Wissenschafts- und Innovationssystem zu verankern“.

Aber ist das überhaupt erstrebenswert? Und wenn ja: Wie muss die dritte Mission ausgestaltet werden, damit alle etwas davon haben? Eine Antwort liefert Prof. Dr. Peer Pasternack. Der Direktor des Instituts für Hochschulforschung (HoF) an der Uni Halle-Wittenberg hat sich in den letzten Jahren intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Er findet: Third-Mission-Aktivitäten sind durchaus sinnvoll, und zwar dann, wenn eine Hochschule etwas leistet, was keine andere öffentliche Institution leisten kann.

In der Tat zählt das HoF, wie in der Publikation „Third Mission bilanzieren“ von 2016 zu lesen ist, nur solche Aktivitäten zur dritten Mission, die im Austausch mit hochschulexternen Akteuren auf Bedürfnisse der Gesellschaft eingehen und dabei einen Mehrwert im Vergleich zur ersten und zweiten Mission bieten. Zugleich aber, und das macht die Sache etwas kompliziert, sollen die Aktivitäten der dritten Kategorie „mindestens lose“ an jene der ersten beiden Kategorien gekoppelt sein.

„Was eine Hochschule ausmacht, ist Forschung und Lehre. Das, was sinnvoll als ‚Third Mission‘ zu bezeichnen ist, muss unbedingt an diese Kernaufgaben gebunden sein“, sagt Pasternack. Und gibt ein Beispiel dafür, was seiner Meinung nach gerade nicht zur Third Mission zu zählen ist: „An der Technischen Universität Dresden gibt es seit 1957 eine Freiwillige Feuerwehr, die in den lokalen Brandschutz eingebunden ist. Das ist eine lokal sinnvolle Sache, aber kein Beispiel für Third Mission, denn die Feuerwehr hat nichts mit dem akademischen Betrieb zu tun. Der Brandschutz könnte auch von einer anderen Einrichtung – konkret: einer anderen, nicht-universitären Feuerwehr – übernommen werden.“ Dass Feuerwehren indes durchaus Teil der Third Mission einer Hochschule sein können, nämlich durch auf die Lehre abgestimmte Kooperationsvereinbarungen mit örtlichen Hilfsorganisationen, zeigt das Beispiel der Hochschule Augsburg (s. S. 35 im duz MAGAZIN 05/2017).

Konkret speist sich die Third Mission dem HoF zufolge aus zwei Quellen: einerseits aus Konzepten, die die traditionelle Ausrichtung der Hochschulen auf Forschung und Lehre erweitern (etwa: die „unternehmerische Universität“), andererseits aus Konzepten, die den Hochschulen ganz neue Betätigungsfelder eröffnen: regionale Innovationsnetzwerke zum Beispiel, Nachhaltigkeit und soziales Engagement oder die Verknüpfung von wissenschaftlichem und Praxiswissen.

Auftrag zum Austausch

Doch nicht alles, was an Hochschulen mit Blick auf die Gesellschaft passiert, gehört zur dritten Mission. Mehr noch: An Hochschulen, die mit der dritten Mission Profilbildung betreiben wollen, muss nicht alles auf unmittelbaren gesellschaftlichen Nutzen getrimmt sein. Prof. Dr. Ulrich Radtke hebt diesen Gesichtspunkt gerne hervor. Er ist im Präsidium der Hochschulrektorenkonferenz für den Wissenstransfer in Wirtschaft und Gesellschaft zuständig. Seine eigene Hochschule, die Uni Duisburg-Essen (UDE), steht im Ruf, sich in besonderem Maße für Diversität und Chancengleichheit einzusetzen. Die UDE, sagt Rektor Radtke, interpretiere die dritte Mission als Auftrag, in vorbildlicher Weise den Austausch der Wissenschaft mit der Gesellschaft zu fördern. Als Querschnittsaufgabe baue sie auf der Expertise in Forschung und Lehre auf. Er betont zugleich, es sei „wissenschaftsfern, für jede universitäre Aktivität, insbesondere im Bereich der Grundlagenforschung, einen akuten gesellschaftlichen Nutzen zu konstruieren“.

Überhaupt ist die Third Mission ein Begriff, der aus Sicht der Hochschulen nicht nur positiv konnotiert ist. Auch, weil er nach Mehraufwand ohne finanzielle Gegenleistung klingt. Die Fachhochschulen etwa, betont die stellvertretende Geschäftsführerin des Hochschullehrerbundes Dr. Karla Neschke, erledigten schon heute eine Menge Aufgaben im Bereich der dritten Mission – und das häufig, „ohne großes Aufsehen zu machen oder sie in ihr Hochschulprofil aufzunehmen“. Aufgaben neben Forschung und Lehre, sagt Neschke, erforderten aber die Zeit der Professorinnen und Professoren. Diese sei ob der hohen Lehrverpflichtung – für Profs an Fachhochschulen beträgt sie 18 Semesterwochenstunden – eine knappe Ressource.

Die Frage liegt nahe: Haben die unterfinanzierten öffentlichen Hochschulen nicht schon genug damit zu tun, in der Forschung und der Lehre den Betrieb aufrechtzuerhalten? Die Befürworter des Konzeptes „Third Mission“ müssen darauf eine gute Antwort parat haben, wenn sie ihre Kritiker überzeugen wollen. Kritisch ist man hierzulande, wo die alte Idee einer Wissenschaft in „Einsamkeit und Freiheit“ noch immer präsent ist, systembedingt ohnehin etwas mehr.

Im stärker marktwirtschaftlich geprägten angelsächsischen Raum – in den USA spricht man von „services“, in Großbritannien vom „third stream“, in Australien vom „communities engagement“ – sind die Hochschulen demgegenüber seit jeher stärker in ökonomische und gesellschaftliche Zusammenhänge eingebunden.

Auch für Deutschlands Nachbarn im Südosten hat die dritte Mission einen hohen Stellenwert. Dr. Attila Pausits forscht an der Donau-Universität Krems, die sich die Weiterbildung von Berufstätigen auf die Fahnen geschrieben hat. Spricht man mit ihm über das gesellschaftliche Engagement von Hochschulen, bekommt man den Eindruck, dass sich die bundesrepublikanische Diskussion noch zu sehr in theoretischen Diskussionen ergeht. Pausits formuliert das so: „Österreich hat das Thema Third Mission früher aufgegriffen als Deutschland.“ In Österreich nämlich habe man „die Phase schon hinter sich gelassen, in der nur über Begriffsdefinitionen diskutiert wird“. Im Rahmen von zwischen dem Bund und den einzelnen österreichischen Universitäten geschlossenen Leistungsvereinbarungen für die Periode von 2013 bis 2015 hätten sich die Universitäten bereits zur Third Mission positionieren müssen; in Zukunft werde das Thema wohl eine noch größere Rolle spielen. Und in der Tat: Wer sich etwa auf den Webseiten der Uni Wien umsieht, findet eine Plattform, die Hochschulaktivitäten der dritten Mission auflistet, Hintergrundmaterial bereithält und zum Mitmachen anregen will.

Braucht es wirklich ein neues Label?

Österreich ist freilich ein kleines Land – wer sich anschickt, die Hochschulen auf eine Linie zu bringen, hat es dort möglicherweise leichter. Das ist eine Vermutung, die auch Pausits teilt; darüber hinaus betont er, in Deutschland fehlten im Moment die geeigneten Anreizstrukturen, um Aktivitäten der dritten Kategorie wirklich flächendeckend zu befördern: „In Deutschland hat die Exzellenzinitiative mit ihrem Fokus auf die Forschung in den letzten Jahren alles andere in den Schatten gestellt. Die dritte Mission ist da bislang eher im Fahrwasser mitgedümpelt.“

Untermauert wird diese These von einer Studie des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) aus dem vergangenen Jahr, die auf der Selbsteinschätzung von 84 FH-Rektoren beruht. Ihr zufolge haben nur neun Prozent der deutschen Fachhochschulen ein ausgeprägtes Third-Mission-Profil. Erstaunlich, denn die Etablierung der FHs vor fünfzig Jahren sollte nicht zuletzt dazu dienen, auf die Fachkräfte-Bedürfnisse der örtlichen Wirtschaft einzugehen (s. duz MAGAZIN 02/2017, S. 40). Oder anders gesagt: Implizit ist die dritte Mission ohnehin schon immer Teil der DNA der Fachhochschulen gewesen.

Im Übrigen gehört auch sonst vieles von dem, was heute zur Third Mission gezählt wird, seit Längerem zum Selbstverständnis der Fachhochschulen, aber auch der Universitäten. Das Thema Weiterbildung etwa wurde schon 1976 im Hochschulrahmengesetz explizit als Hochschulaufgabe festgelegt. Auch Transferaufgaben sind bereits in Gesetzesform gegossen worden; so heißt es beispielsweise im Landeshochschulgesetz von Baden-Württemberg: „Die Hochschulen tragen zum gesellschaftlichen Fortschritt bei. Sie fördern durch Wissens-, Gestaltungs- und Technologietransfer die Umsetzung und Nutzung der Ergebnisse der Forschung und Entwicklung in die Praxis sowie den freien Zugang zu wissenschaftlichen Informationen.“ Nahezu jede Hochschule, heißt es in der HoF-Publikation „Third Mission bilanzieren“, habe in den letzten Jahren eine für Weiterbildung zuständige Organisationseinheit sowie eine Transferstelle aufgebaut.

Offen für neue Initiativen

Deshalb liegt die Frage nahe: Wieso braucht es da noch ein neues Etikett? Cort-Denis Hachmeister, der am CHE arbeitet, hat sich im Rahmen des BMBF-geförderten Forschungsprojekts „Fifth – Facetten von und Indikatoren für Forschung und Third Mission an Hochschulen für angewandte Wissenschaften“ seit 2013 unter anderem mit dieser Frage auseinandergesetzt.

Er sagt: „Klar, unter ‚Wissenstransfer‘ und ‚Weiterbildung‘ fällt schon vieles – aber nicht alles. ‚Third Mission‘ als Oberbegriff ist hilfreich, weil er einerseits verschiedene Aktivitäten bündelt, die Hochschulen jetzt schon mit Bezug auf die Gesellschaft und Wirtschaft tun, andererseits ist er offen für neue Aktivitäten, an die man unter den Stichworten ‚Wissenstransfer‘ und ‚Weiterbildung‘ vielleicht noch gar nicht so gedacht hat. ‚Technologie- und Wissenstransfer‘ ist zum Beispiel oft auf Auftragsforschung und Patentvermarktung eingeschränkt gedacht worden.“

Vielleicht ist das wichtigste Merkmal der dritten Mission tatsächlich, dass sie erweiterbar ist – wie ein Baum, dessen Zweige in verschiedene Richtungen wachsen können. Deutlich wird das, wenn man auf eine Infografik des HoF schaut, die darauf abzielt, eine große Menge unterschiedlicher Third-Mission-Aktivitäten zu systematisieren (s. S. 36-37im duz MAGAZIN 05/2017).

Im Zentrum steht dabei die Trias von gesellschaftlichem Engagement, Technologie- und Wissenstransfer und Weiterbildung. Teilweise zielen die darunter subsumierten Handlungsbereiche vornehmlich auf die Förderung der örtlichen Wirtschaft, von der Start-up-Beratung bis zur Wissensentwicklung durch lokale Innovationsnetzwerke. Die dritte Mission hat aber auch stark gesellschaftspolitisch orientierte, dem sozialen Wandel verpflichtete Facetten: Bei „Widening Participation“ geht es darum, die Bildungschancen benachteiligter Bevölkerungsgruppen, etwa von Zugewanderten und Geflüchteten (s. Beispiel Uni Bremen, S. 38 im duz MAGAZIN 05/2017), zu erhöhen; beim „Community Service“ steht (Freiwilligen-)Dienst der Hochschulmitglieder für das Gemeinwesen vor Ort im Vordergrund; und mit dem „Social Entrepreneurship“ fördern Hochschulen unternehmerisches Handeln, das eine doppelte Rendite anstrebt, nämlich nicht nur am ökonomischen Gewinn interessiert ist, sondern zugleich einen Beitrag zur Lösung sozialer oder ökologischer Probleme leisten will.

Wenn es gut läuft und hochschulische Ressourcen durchdacht eingesetzt werden, haben von der dritten Mission viele Akteure etwas. Die Politik beruft sich ohnehin gerne auf gesellschaftlich engagierte Hochschulen, zumal diese helfen, Wissenschaft gegenüber dem Wähler zu legitimieren. Die Wirtschaft profitiert von einem auf Kooperation und Innovation ausgerichteten System (s. Beispiele Technische Hochschule Köln, S. 39, und Hochschule Merseburg, S. 40 im duz MAGAZIN 05/2017). Die Bürger können – vom Schulprojekt bis zum Seniorenstudium – Angebote nutzen, die in den Bereich des gesellschaftlichen Engagements fallen. Und die Hochschulen? Interessant könnte die dritte Mission vor allem für jene von ihnen sein, die im Wettstreit um hervorragende Forschung und Lehre schlechte Karten haben. So sagt Attila Pausits: „Die erste und die zweite Säule sind extrem umkämpft – es gibt wenig Möglichkeiten, sich als Hochschule dort noch zu profilieren. Bei der dritten Säule gibt es noch mehr Spielraum.“

Sind jetzt die Kommunikatoren gefragt?

Die Third Mission als dritte Liga, als Spielfeld, auf dem sich all jene austoben können, die es nicht geschafft haben, sich in den Missionen Nummer eins und zwei einen Namen zu machen? Das klingt nicht nett, ist aber die Konsequenz des Reputationssystems, das die Wissenschaft prägt und das auf die Forschung ausgerichtet ist. Schon die Lehre kommt zu kurz; welcher Nachwuchsforscher etwa kann sich schon mit Third-Mission-Aktivitäten wirklich profilieren? Ohne gänzlich neue Anreizstrukturen dürfte es schwer sein, eine Vielzahl an Wissenschaftlern zu solchen Aktivitäten zu verleiten. Das ist die Crux für die Hochschulen. Diese können zwar, wie Cort-Denis Hachmeister sagt, „auch über die Third Mission Profil bilden, müssen aber dabei immer die Balance zwischen den drei Missionen finden“.

Dazu aber bedarf es einer sinnvollen Strategie. Und es braucht Öffentlichkeitsarbeit, jedenfalls wenn es nach Peer Pasternack geht: „Es muss nicht jeder Third Mission machen. Aber das an Third Mission, was an praktisch jeder Hochschule ohnehin getan wird, sollte dann auch kommunikationsfähig gemacht werden.“ Das HoF habe in den letzten drei Jahren rund 100 Hochschulen mittels Recherchen und Befragungen analysiert. Die Erfahrung, die das Institut dabei gemacht habe, sei: Es passiert sehr viel in Sachen Third Mission – jedoch vor allem dezentral auf der Ebene der einzelnen Fachbereiche und Institute. Oft würden Projekte mit großem Engagement in Angriff genommen. Mit fünf oder zehn zusätzlichen Prozent des Aufwandes, der in das eigentliche Projekt gesteckt wird, könnte man das Ganze dann auch nach außen tragen; aber genau dafür fehlten dann oft die Ressourcen.

Pasternack findet, dass dies keine Aufgabe sei, die Studierende und Professoren im Alleingang bewältigen sollten. Der Ball liegt seiner Meinung nach bei den zentralen Öffentlichkeitsarbeitern der Hochschulen. Wenn diese systematisch Third-Mission-Projekte kommunizierten – was unsystematisch schon heute oft passiert –, „dann verliert die dritte Mission auch ihren Schrecken“. Den Hochschulmitgliedern nämlich werde auf diese Weise vor Augen geführt, dass derlei Aktivitäten nicht immer zwangsläufig mit einem Mehraufwand einhergingen und erforderten, in großer Zahl neue Projekte aus dem Boden zu stampfen. Auf vieles könne man aufsetzen – ist Pasternack überzeugt.

Wohin der dritte Weg gehen könnte

Aber sollte Letzteres – die forcierte Innovation im Bereich der Third Mission – nicht das Fernziel sein? Die Enthusiasten wünschen sich jedenfalls, die dritte Mission möge eine deutlich wichtigere Rolle an den Hochschulen spielen. Die Sozialwissenschaftlerin Dr. Isabel Roessler etwa streicht die „Notwendigkeit der institutionellen Verankerung“ von Third-Mission-Aktivitäten heraus (s. Zeitschrift „Wissenschaftsmanagement“, März/April 2015). Diese zeichneten sich, so Roessler, gerade durch „die feste Integration in das Hochschulgeschehen“ aus.

Andere vermuten hinter solchen Bemühungen neoliberale Ideologie und warnen vor einer unternehmerischen, allzu eingebundenen Hochschule. Der Publizist Dr. Magnus Klaue sprach in diesem Zusammenhang kürzlich in einer Polemik in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung von „hochschulischer Selbstdemontage“: Unter „Third Mission“ seien Beschäftigungen zusammengefasst, „die Akademiker von ihrer Arbeit abhalten und mit ihrem Erkenntnisinteresse nichts zu tun haben, ihnen aber trotzdem ohne finanzielle Kompensation als Pflicht verordnet werden sollen“.

Es muss sich erweisen, ob die dritte Aufgabe jenseits der punktuellen Initiativen eine übergreifende Perspektive bieten kann, die mit der Eigengesetzlichkeit der Wissenschaft vereinbar ist (s. S. 34 im duz MAGAZIN 05/2017). Das wäre doch was: die Third Mission als Experimentierwerkstatt, in der lehr- und forschungsnah eruiert wird, auf welche gesellschaftlichen Bedürfnisse die Hochschulen eingehen können, und bei der das, was sich bewährt, verstetigt wird. Diese Vorstellung umzusetzen machte indes eine Strategie notwendig, die ihren Namen verdient – und die Abstimmung mit vielen Hochschulmitgliedern. Das aber dürfte ungleich schwieriger sein, als einfach nur das, was es schon gibt, in Hochglanzbroschüren zu vermarkten.

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