Frauen tappen in Stereotype-Falle
Wir alle schleppen Vorurteile mit uns herum. Doch Frauen stolpern besonders häufig über diese Hürden, wie der Leipziger Psychologieprofessor Hannes Zacher in mehreren Studien herausgefunden hat.
Ohne Erfahrungen kämen wir nur schwer durchs Leben, denn sie helfen uns dabei, den Alltag ohne größere Pannen zu meistern. Doch wer zu viele Vorurteile mit sich herumschleppt, steht sich selbst im Weg. Besonders leicht gehen Frauen vorgefertigten Meinungen auf dem Leim und schaden sich selbst, hat Dr. Hannes Zacher, Professor für Psychologie an der Universität Leipzig, herausgefunden. Zacher beschäftigte sich in den vergangenen Jahren intensiv mit dem Thema Vorurteile. An der University of Queensland in Australien begann er gemeinsam mit Kollegen zu forschen, in Leipzig setzt er nun seine Studien fort.
duz: Sprüche wie „Frauen können nicht einparken“ oder „Frauen in Führungsjobs sind zickig“ nimmt doch keiner ernst. Denn jeder Frau fällt spontan mindestens ein Mann ein, der nicht Auto fahren kann oder auf dem Chefsessel wie ein Despot wütet. Sie sagen aber, dass sich Frauen von solchen Vorurteile beeinflussen lassen. Weshalb?
Zacher: Wir haben in mehreren Studien berufstätige Frauen in einem Wirtschaftsunternehmen befragt. Dazu haben wir die Frauen in zwei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe haben wir vor den Interviews darauf hingewiesen, dass der Vorstand in ihrem Unternehmen zu 90 Prozent mit Männer besetzt ist. In der zweiten Gruppe gab es keine Vorgaben. Die Befragten in der ersten Gruppe schätzten sich selbst als weniger führungsstark ein, für sie schien es aussichtslos, eine Führungsposition bei ihrem Arbeitgeber zu erlangen und sie zogen es deshalb in Betracht, für die Karriere den Job zu wechseln. Außerdem wollten sie keine Hilfsangebote wie Kita-Plätze oder Home-Office-Angebote annehmen, weil sie glaubten, das würde ihnen als Schwäche ausgelegt.
duz: Aber spornt eine von Männern dominierte Führungsriege nicht auch an, es als Frau in den Vorstand zu schaffen?
Zacher: Wir haben festgestellt, dass sich Frauen in einem von Männern dominierten Umfeld stärker zurückziehen. Wenn ihnen gesellschaftlich vorhandene Vorurteile bewusst gemacht werden, wirken diese noch stärker auf sie. Die meisten Frauen kennen diese Vorurteile, haben sie anscheinend verinnerlicht und können sich in der Regel nur schwer dagegen wehren.
Erfolgreiche Ausnahmefrauen müssen immer als Argument herhalten
duz: Aber wir leben im 21. Jahrhundert, eine Bundeskanzlerin steht an der Spitze des Staates und auch in Wirtschaft und Wissenschaft gibt es Frauen in Führungspositionen. Stolpern Frauen wirklich noch über dumme Vorurteile?
Zacher: Solche erfolgreichen Ausnahmefrauen müssen immer als Argument herhalten, um zu zeigen: Schaut her, es gibt keine Nachteile, wir haben kein Problem. Ich nenne das moderne Diskriminierung, denn wenn man sich die Zahl derjenigen Frauen ansieht, die eine Führungsposition in der Wirtschaft oder Wissenschaft haben, dann sind das immer noch sehr wenige. Auch in der Wissenschaft sind sie unterrepräsentiert, denn es gibt deutlich weniger Professorinnen (siehe duz Karriere LETTER 03/17). An einer Universität haben es Frauen immer noch schwerer, eine Leitungsposition zu erlangen.
duz: Haben Sie herausgefunden, weshalb Frauen so dumme Vorurteile überhaupt ernst nehmen? Steht ihnen ihre soziale Kompetenz im Weg?
Zacher: Es gibt eine tiefe gesellschaftliche Verankerung von solchen Vorurteilen, denn erfolgreiche Frauen verstoßen gegen implizite Erwartungen. Das zeigte sich in einem Experiment; einer Gruppe von Frauen wurde vor einem Test mit einem Fahrsimulator gesagt, Frauen seien schlechtere Autofahrer als Männer. Im anschließenden Test schnitten die Frauen dieser Gruppe tatsächlich schlechter ab, weil sie nämlich einen Teil ihrer intellektuellen Ressourcen darauf verwendeten, über diese Aussagen nachzudenken und sie zu widerlegen. Sie konnten sich schlechter auf die eigentliche Aufgabe konzentrieren, weil sie gleichzeitig über diese Aussage grübelten.
duz: Gibt es noch andere Erklärungen?
Zacher: Ja, denn Frauen fehlen Rollenvorbilder und ein Repertoire an Verhaltensweisen, wie sie in Führungspositionen agieren. Treten sie so selbstbewusst und dominant auf wie Männer, wird das als kaltschnäuzig interpretiert und entsprechend missbilligt. Sind sie sehr einfühlsam gegenüber ihren Mitarbeitern, gelten sie als schwache Führungskraft. Jeder kennt diese Stereotypen, trotzdem kommen Frauen leichter ins Grübeln und überlegen, ob es nicht doch einen wahren Kern gibt. Das verunsichert sie.
duz: Welche gesellschaftlichen Lösungsansätze empfehlen Sie?
Zacher: Eine Quote ist meiner Meinung nach sinnvoll und es wäre ein erster Schritt. In Skandinavien zeigt sich, dass Unternehmen mit mehr Frauen in Führungspositionen erfolgreicher sind. Gibt es mehr Frauen mit Verantwortung, sind sie auch Vorbild für junge Frauen, eine Karriere nach ihren Fähigkeiten zu planen und umzusetzen.
duz: Wie könnte denn eine Förderung aussehen, von der Frauen profitieren?
Zacher: Ich empfehle, bei den betroffenen Frauen selbst anzusetzen, mit ihnen über Vorurteile zu sprechen und die Wirkmechanismen zu erklären, denn Stereotype wirken unbewusst. Wer die Vorurteile kennt und weiß, wie sie wirken, kann sie auch beiseiteschieben, darüber lachen und seinen eigenen Weg gehen. Ein weiterer wichtiger Punkt sind weibliche Vorbilder, also Frauen, die einen Führungsjob haben und erfolgreich sind. Sie helfen als Rollenmodell anderen Frauen, weil diese sehen, dass es andere Frauen auch geschafft haben.
duz: Sie haben herausgefunden, dass Frauen Förderangebote nicht unbedingt annehmen, weil es als Schwäche interpretiert wird. Welche Maßnahmen helfen Frauen in Unternehmen oder Hochschulen, eine Führungsposition anzustreben?
Zacher: Wenn Förderprogramme beispielsweise als frauenfreundlich angepriesen werden, schwingt oft mit, dass Frauen das annehmen sollten und sie besondere Hilfe benötigen. Werden solche Programme aber als familienfreundliche Maßnahme konzipiert und auch so allen Mitarbeitern empfohlen, fühlen sich auch Männer mit Kindern angesprochen. Auch flexiblere Arbeitszeiten sollten allen Mitarbeitern angeboten werden und nicht nur Müttern.
DUZ Karriere Letter 04/2017 vom 12.05.2017