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Licht aus, Fenster zu

Energie wird immer teurer, aber die Etats bleiben gleich: Ein Grund für viele Hochschulen, sich mit dem Thema Energieeffizienz zu beschäftigen. Doch wer sparen will, muss erstmal investieren – in Material, Personal und die Entwicklung guter Ideen.

Vergangenen Winter, als früh die Sonne unterging, nutzte die Christian-Albrechts-Universität (CAU) Kiel die Gunst der dunklen Stunde, um sich in einen Ort der Erleuchtung zu verwandeln. In einer Nacht im November, bei den „Highlights 2016“, ließ sie auf drei Gebäudefassaden in grellen Farben animierte Grafiken und Kennzahlen erstrahlen. Damit wollte sie die Besucher der Hochschule über ihr Engagement in Sachen Klimaschutz informieren. Eine Licht-Show als Präsentation für Energieeffizienz – war das nicht ein Widerspruch in sich?

Nein, meint Dr. Norbert Kopytziok von „klik – klima konzept 2030“ der CAU, der die Veranstaltung konzipiert hat. Denn hätte man stattdessen einen Infoabend im Audimax geplant, die Heizung und die Lüftung laufen lassen, die Beleuchtung auf den Fluren eingeschaltet und die Beamer angeworfen, dann wäre die Energiebilanz deutlich schlechter ausgefallen. Und natürlich wäre die Veranstaltung auch nicht so öffentlichkeitswirksam gewesen.

Das Engagement für den Klimaschutz steht Hochschulen gut zu Gesicht; deshalb möchte, wer sich dafür engagiert, das auch zeigen. Wobei es zur Lichtshow auch Alternativen gibt, wie etwa das Zertifikat des europäischen Eco-Management and Audit Schemes (EMAS), mit dem sich rund 20 akademische Bildungseinrichtungen schmücken.

Doch Schmuck hin, Zertifikat her: Energieeffizienz wird zur Notwendigkeit. Einerseits sind die Hochschulen verpflichtet, die Klimaschutzvereinbarungen des Bundes und der Länder umzusetzen, bis zum Jahr 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Denn 40 bis 50 Prozent des Energieverbrauchs der Landesgebäude gehen auf Kosten der Hochschulen, wie Ralf Dieter Person vom HIS-Institut für Hochschulentwicklung schätzt. Deshalb ist inzwischen die Vorgabe der rot-grünen Regierung in Baden-Württemberg, dass jede Universität ein Energiemanagementsystem installieren muss. Und in Hessen gab es schon zwischen 2011 und 2015 eine Zielvereinbarung zur Nachhaltigkeitsentwicklung zwischen den Hochschulen und dem Land.

Andererseits reagieren die Präsidien und Rektorate in der Energiefrage auf schlichten Kostendruck: Energie wird immer teurer, und an wachsenden Hochschulen wird immer mehr davon gebraucht. So verzeichnete etwa die Universität Kassel zwischen 2009 und 2015 einen Anstieg der Stromkosten um 48 Prozent. Verglichen mit dem Jahr 2001 hatten sich die Kosten 2015 mehr als verdoppelt. Solche Kostenexplosionen tun weh, ganz egal, ob eine Hochschule einen festen Etat für Energie vom Land zugewiesen bekommt oder in einem Globalhaushalt Posten bedarfsgerecht verschieben kann.

Bauen, optimieren und das Verhalten ändern

Will eine Hochschule das Thema Energiesparen anpacken, dann hat sie drei mögliche Ansatzpunkte: den Bereich Bau und Sanierung, die technische Optimierung von Anlagen oder die Veränderung des Nutzerverhaltens.

Richtig teuer: Bauen

Dabei ist der erste Punkt sicher der undankbarste, weil teuerste. Die angebotenen Möglichkeiten von der Optimierung der Gebäudehülle bis zu neusten heizungs- und klimatechnischen Anlagen sind zwar vielversprechend, aber kaum bezahlbar. Schätzungen zufolge gibt es im Hochschulbereich einen bundesweiten Sanierungsstau zwischen zehn und 25 Milliarden. „Die Hochschulen schaffen es nur, das Nötigste zu sanieren, und Energiesparmaßnahmen stehen dazu in Konkurrenz“, sagt Dr. Jens Knissel, Professor für technische Gebäudeausrüstung an der Universität Kassel. Bei Neubauten gibt es im Regelfall keine Zuschüsse der öffentlichen Hand für besondere Energieeffizienz. So entsteht zwar immer mal wieder ein Bau mit Vorbildcharakter wie zum Beispiel das Seminar- und Hörsaalgebäude der Ostfalia-Hochschule (s. S. 32), aber überwiegend werden gerade mal die Mindestanforderungen der Energieeinsparverordnung des Bundes erfüllt.

Günstiger: technische Optimierung

Günstiger ist es, den Energieverbrauch einer Hochschule durch technische Optimierung zu senken. Das fängt ganz simpel mit dem Ausmustern von Stromschluckern an: So zahlt die Universität Freiburg den Instituten eine Abwrackprämie von 60 Euro für jeden alten Rechner und übernimmt ein Drittel des Kaufpreises für jeden alten Kühlschrank in den Teeküchen, der durch ein energieeffizienteres Gerät ersetzt wird. Und an der TU Braunschweig wurden 310 Beleuchtungskörper gegen LED-Leuchten ausgetauscht und 110 Bewegungsmelder für automatisiertes Licht installiert.

Ein großes Einsparpotenzial ergibt sich oft in Heizungs- und Lüftungsanlagen, die falsch geregelt sind oder effizienter betrieben werden könnten. Um hier die richtigen Lösungen zu finden, muss allerdings oft erst entsprechende Messtechnik eingebaut werden. Das Forschungszentrum Jülich etwa hat in den Jahren 2014/15 eine Million Euro in rund 1000 Medienzähler investiert. Deren Daten werden teilweise im Minuten-Takt online erfasst und automatisiert in eine zentrale Datenbank geschrieben. Die genaue Kenntnis der Verbräuche erlaubt dem Forschungszentrum, auf dem Energiemarkt Strom und Gas günstiger einzukaufen. Außerdem hilft die kleinteilige Messung dabei, Störungen auf die Spur zu kommen. Wenn zum Beispiel eine Nachspeisepumpe für Heizungswasser auf einmal deutlich mehr Wasser fördert als vorher, muss in der Anlage ein Leck sein, erklärt der Ingenieur Mark Franken, der den Geschäftsbereich Gebäude- und Liegenschaftsmanagement im Forschungszentrum leitet. Dann ist ein außerplanmäßiger Kontrollgang fällig. Franken empfiehlt jeder Hochschulleitung, allumfassende Zählerstrukturen und ein Energiemanagement zu etablieren: „Denn man kann nicht über Maßnahmen reden, bevor man die Energiedaten hat“, sagt er.

Herausfordernd: der Faktor Mensch

Der technische Weg ist nicht immer der richtige. Denn beim Energiesparen spielt auch der Faktor Mensch eine große Rolle. Umweltpsychologen suchen nach wirksamen Methoden, um die Nutzer von Gebäuden und Technik zum Energiesparen anzuhalten. Unter Federführung der Universität Magdeburg beteiligen sich zum Beispiel weitere neun Hochschulen am Verbundprojekt ECHO (Energieeffizienz und CO2-Einsparung an Hochschulen). Hier haben Psychologen eine Informationskampagne für Mitarbeiter entwickelt. Dazu gehören Workshops und informative Schautafeln genauso wie einfache Merkzettel mit Checklisten: „Fenster zu? Steckerleiste aus? Licht aus? Heizung runtergedreht?“ Die Erfahrungen aus dem Projekt zeigen, dass sich in einem Bürogebäude mit diesen einfachen Mitteln bis zu zehn Prozent an Wärmeenergie und 20 Prozent Strom einsparen lassen.

Ein Problem bleibt jedoch die Nachhaltigkeit. „Irgendwann macht es keinen Spaß mehr, den Computer auszuschalten und die Heizung runterzudrehen“, sagt Jörg Jaspers, Leiter des Geschäftsbereichs Gebäudemanagement an der TU Braunschweig. Dann müssen zur Motivation handfeste Anreize her. So zahlt die Freie Universität Berlin in einem Prämiensystem 50 Prozent ihrer eingesparten Kosten an die Institute aus, die zu der Einsparung beigetragen haben. In Braunschweig (s. S. 34) ist man einen Schritt weiter gegangen: Die Institute bekommen einen festen Betrag für ihre Energiekosten. Wenn sie ihn überschreiten, müssen sie die Differenz selber aufbringen.

Neues Geld muss ins System

Es ist eine Sache einzusehen, dass Energieeffizienz an Hochschulen wichtig ist, und eine andere, einen gangbaren Weg für die eigene Institution zu finden. Die Umsetzung scheitert dann aber oft an der Finanzierung. Denn selbst wenn nicht in Baumaßnahmen oder Technik investiert wird, muss ein Wandel in den Köpfen zumindest personell begleitet werden. Und zu diesem Zweck muss neues Geld ins System. Eine Möglichkeit dazu sind Synergien aus der Forschung: Hochschulen befassen sich an ihren Lehrstühlen für Architektur, Gebäudetechnik oder Psychologie mit dem Thema Energieeffizienz und akquirieren Gelder für Forschungsprojekte, die sie dann an der eigenen Hochschule erproben.
Eine andere Finanzierungsmöglichkeit, die gerade in genau so einem Forschungsprojekt untersucht wird, ist das sogenannte Intracting. An der Universität Kassel überprüft Jens Knissel bis zum Herbst 2020, ob sich dieses Finanzierungsinstrument aus der kommunalen Verwaltung auch auf Hochschulstrukturen übertragen lässt – mit der eigenen Universität als Pilotprojekt.

Eingesparte Mittel werden in neue Projekte gesteckt

Beim Intracting funktioniert die Finanzierung aus sich selbst heraus, durch Geld, das durch Maßnahmen zu mehr Energieeffizienz eingespart wird. Die Universität Kassel hat zu diesem Zweck einen besonderen Haushaltsposten im Umfang von 250 000 Euro eingerichtet, mit dem sie in den kommenden Jahren Energiesparmaßnahmen finanzieren will. Dazu zählen zum Beispiel die Einstellung eines Energiemanagers, die Umstellung von Strahlern in einigen Laboren und Hallen auf LED-Leuchten sowie die Einbindung der Abwärme von Kältemaschinen zur Warmwasser-Erzeugung. Die eingesparten Energiekosten werden dann dem neuen Haushaltsposten gutgeschrieben, womit künftig neue Maßnahmen bezahlt werden. So soll sich nach ungefähr fünf Jahren auch die Anschubfinanzierung amortisieren; das Intracting-Modell trägt sich selbst und kann, sagt Knissel, sogar einen Beitrag zur Entlastung des allgemeinen Universitätshaushalts leisten. An der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg wurden auf einem ähnlichen Weg („Energiespar-Contracting“) 2014 rund 1,4 Millionen Euro Energiekosten gespart.

Im Zweifel zählt der Verbrauch

Wenn nun wider Erwarten an einer Hochschule das Geld für Energieeffizienzmaßnahmen vorhanden ist, stellt sich die Frage, welche davon am effizientesten ist. Im Zweifel die, die bei den größten Verbrauchern ansetzt, meint Norbert Kopytziok von der CAU: „Ein paar Prozent von wenig sind wenig, aber ein paar Prozent von viel sind viel.“ Er hat mit gleichem Aufwand bei einem Bürogebäude mit einem Verbrauch von 155 Megawattstunden vier Prozent Ersparnis herausgeholt, bei der Hochschulbibliothek aber 40 Prozent von über 2000 Megawattstunden eingespart.

Nutzerverhalten und Technik abstimmen

Der Saarbrücker Umweltpsychologe Jan Hildebrand, der unter anderem technische, wirtschaftliche und psychologische Ansätze in ihrer Wirksamkeit miteinander vergleicht, rät dazu, nicht eingleisig zu fahren. „Eine technische Maßnahme kann ihr Potenzial nicht entfalten, wenn sie nicht in entsprechendes Nutzerverhalten eingebettet ist“, sagt er. Denn was bringt eine ausgeklügelte Heizungsregelung, wenn die Mitarbeiter gegen sie anlüften? Hildebrands Rat lautet deshalb: „Ich würde das eine tun, ohne das andere zu lassen.“

Energiesparanreize

Wirksam anreizen

  • Intracting: Energiesparmaßnahmen werden mit jenem Geld finanziert, das durch die Einsparung zur Verfügung steht.
  • Prämien: Die Effekte von Einsparungen werden als Prämien an die Einheiten weitergegeben, die die Sparleistung erbracht haben.
  • Forschen: Die Hochschulen akquirieren Drittmittel, um Methoden für mehr Energieeffizienz zu entwickeln, die sie in den eigenen Gebäuden ausprobieren können.

Energiesparpolitiken

Politik: Verschärfen, blockieren

  • EU: Die Vorgaben für die Energieeffizienz von Gebäuden sollen verschärft werden. Dies unter anderem sieht der Vorschlag der EU-Kommission für die Aktualisierung der Energieeffizienzrichtlinie vor, deren letzte Fassung aus dem Jahr 2012 stammt. Bis 2030 will sie 30 Prozent mehr Energieeffizienz erreichen.
  • Bundesregierung: Das Gebäudeenergiegesetz ist im März im Koalitionsausschuss gescheitert. Es sollte die Energieeinsparverordnung (EnEV), das Energieeinsparungsgesetz und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) in ein neues Gebäudeenergiegesetz integrieren und unter anderem regeln, dass öffentliche Neubauten ab 2019 dem Niedrigstenergiestandard entsprechen müssten.
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