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Karriere im Doppelpack

Dual-Career-Programme sind keine Seltenheit mehr. Doch haben sich die Hochschulen bislang vor allem um etablierte Professoren und ihre Partner gekümmert. Allmählich richtet sich der Fokus aber auch auf den wissenschaftlichen Nachwuchs. Eine Handvoll Hochschulen geht mit gutem Beispiel voran.

Wenn Maaike van der Vegt in München einkauft und in holperigem Deutsch ihre Wünsche äußert, passieren zwei Dinge: Jüngere Münchner antworten auf Englisch. „Weil sie wohl denken, dass ich das besser kann“, schlussfolgert die Geografin. Dabei lernt die junge Niederländerin gerade fleißig „Duits“. Ältere Münchner antworten auf Ur-Bayerisch. Auch das macht die Sache nicht leichter. Kleine Alltagsprobleme. Für wirklich wichtige Dinge hat van der Vegt Julia Bühring. Etwa, wenn es um einen neuen Job geht.

Seit 2007 leitet Bühring den Dual Career Service an der Ludwig-Maximilians­Universität (LMU). Sie hilft Kandidaten bei der Arbeitssuche, deren Partner gerade einen Job an der LMU antreten. So wie Björn Vlaskamp, Maaike van der Vegts Mann, der im Juli als Postdoc an die Uni kam und nun als Psychologe die Interaktion zwischen Mensch und Roboter untersucht. Bühring checkt zunächst, ob die Niederländerin vielleicht auf eine wissenschaftliche Stelle an der LMU passt, finanziert aus einem Extra-Topf der Hochschule. Ist dies nicht der Fall wie bei Maaike van der Vegt, die als Expertin für das Geografische Informationssystem GIS bislang für lokale Behörden gearbeitet hat, hört sich Bühring bei Firmen um.

Kinder verändern alles

70 Paare hat sie bislang betreut. Überwiegend Professoren und ihre Partner. Immer öfter aber auch Nachwuchswissenschaftler wie den niederländischen Psychologen und seine Frau. „Die LMU möchte Top-Wissenschaftler von morgen voranbringen“, sagt Bühring werbend. Ob diese sich aber die Münchner Uni als Karriere-Sprungbrett aussuchten, „ist dabei nicht nur die Entscheidung des einzelnen Wissenschaftlers“.

Der Soziologe Prof. Dr. Michael Meuser von der Technischen Universität Dortmund befragte Doppelkarrierepaare in der Wissenschaft und separat Emmy-Noether-Nachwuchsgruppenleiter, wie diese ihre eigene Berufstätigkeit mit der des Partners in Einklang bringen. Das wenig verwunderliche Ergebnis: Es sind vor allem Frauen, die sich über die Vereinbarkeit von Karriere und Familie Gedanken machen.

Tritt der Gatte eine Stelle an, planen sie ihren beruflichen Weg analog. „Dies trifft aber vor allem auf die ältere Generation zu“, sagt Meuser. Er macht einen klaren Wandel aus: Jüngere Frauen um die 30 nähmen heute eher eine Pendelbeziehung in Kauf, als ihre eigene Karriere hintenanzustellen. Zumindest so lange keine Kinder da seien.

Da aber der Zeitpunkt, an dem die Entscheidung für eine wissenschaftliche Laufbahn ansteht, mit der Phase der Familiengründung zusammenfällt – man spricht auch von der „rush hour of life“ –, sind weitere Belastungen programmiert: Ausgerechnet mit der Verantwortung für ein Kind tapsen viele Nachwuchswissenschaftler einer unsicheren Zukunft entgegen und hangeln sich von einer Stelle zur nächsten. Und mehr schlecht als recht gelingt es ihnen, Familie und Job unter einen Hut zu bringen. Fragt man Dual Career Couples nach der Organisation von Kinderbetreuung und Zeitmanagement, sind 56 Prozent der Mütter und 47 Prozent der Väter mit ihrer Work-Life-

Balance unzufrieden

In der Folge verkneifen sich diese Paare den Kinderwunsch lieber ganz, oder einer, meist die Frau, stellt das eigene berufliche Vorankommen letztlich doch zurück; das Know-how geht der Wissensgesellschaft im schlimmsten Fall unwiederbringlich verloren. Mit jeder höheren Qualifikationsstufe schrumpft der Frauenanteil dramatisch: Nur etwa 15 Prozent aller Professuren gehen an Frauen. Doch unzufriedene Forscher und gefrustete Wissenschaftlerinnen wollen auch die Unis nicht mehr sehen. Und sie können sich diese auch gar nicht leisten: „In den nächsten Jahren steht den Hochschulen ein heftiger demografischer Einbruch bevor“, warnt die Leiterin des Dual Career Office der Technischen Universität München, Kerstin Dübner-Gee. „Entsprechend müssen wir mehr Personal binden und entwickeln.“

„In den nächsten Jahren steht den Hochschulen ein heftiger demografischer Einbruch bevor.“

In dieses Horn blasen auch Deutsche Forschungsgemeinschaft, Wissenschaftsrat und Hochschulrektorenkonferenz: Mit wachsender Sorge, dass zu viele kluge Köpfe auf Nimmerwiedersehen vor allem in die USA abwanderten, sprachen sie bereits vor Jahren erste Empfehlungen für mehr Chancengleichheit aus und legten nahe, dem Aspekt der Dual Career Couples bei Berufungen eine größere Bedeutung einzuräumen. Bei einigen ist das Thema tatsächlich angekommen. Hochschulen wie die TU München sähen Familienförderung mittlerweile als „Personalmarketing-Faktor“, mit dem sich die Uni auch international profilieren wolle, so Kerstin Dübner-Gee. Wo die Hochschule bei Spitzengehältern nicht mithalten könne, versuche sie mit diesen weichen Faktoren zu punkten und so auch Nachwuchswissenschaftler aus dem Ausland zurückzuholen. Noch aber setzen die einzelnen Hochschulen das Thema Dual Career recht unterschiedlich um, wie eine Befragung des Deutschen Hochschulverbands (DHV) von 130 Hochschulen zu Berufungsverfahren ergab. 40 Prozent der befragten Uni-Leitungen beantworteten die Frage nach konkreten Hilfestellungen für Paare positiv. Es seien vor allem moderne und/oder große Universitäten, die entsprechende Service-­Stellen etabliert hätten, während andere nichts in diesem Punkt aufzuweisen hätten, sagt Autor und stellvertretender DHV-Geschäftsführer Dr. Hubert Detmer.

Dies belegt auch eine Umfrage der German Scholars Organisation (GSO), die deutsche Wissenschaftler im Ausland betreut. Insgesamt 54 „Rückkehrer“ befragte sie im Juni nach ihren neuen Erfahrungen in der alten Heimat. Fast alle gaben zu Protokoll, keinerlei Hilfe bei der Suche nach einer geeigneten Schule oder einem Kitaplatz für ihre Kinder bekommen zu haben. Nur sieben Prozent wurden bei der Suche nach einem Job für den Partner unterstützt. Dies ist ohne Zweifel ausbaufähig. Den Aufbau aber treiben vor allem die rund 30 existierenden Dual Career Services selbst voran. Anfang Oktober fand ein Auftakttreffen für ein bundesweites Netzwerk statt, mitinitiiert vom Dual Career Service der TU München, der bereits mit Partnereinrichtungen der LMU sowie den Standorten Heidelberg, Tübingen, Konstanz und Kiel in Kontakt steht. Es sollen weitere hinzukommen.

Netzwerke für Doppelkarrieren

Gedacht sei das Netzwerk als „Forum für einen kollegialen Austausch“, so Kerstin Dübner-Gee. Die einzelnen Anlaufstellen könnten Best-Practice-Beispiele sammeln und sich über einen internationalen Gesamtauftritt verständigen oder über die Koordination einzelner Veranstaltungen. So lud das Wissenschaftszentrum Bonn Anfang Oktober zu einer Tagung; dort wurden die Ergebnisse zweier Projekte vorgestellt, die Ursachen für den hohen Anteil kinderloser Wissenschaftler beleuchten und aufzeigen, wie sich Arbeit und Elternschaft besser vereinbaren lassen.

Mit dieser Fragestellung beschäftigt sich auch das internationale Netzwerkprojekt „Förderung Dualer Karrieren“, dem sieben Hochschulen aus Deutschland und der Schweiz angehören. Koordiniert wird es von der Universität Konstanz. Die Kooperation der nah beieinander liegenden Hochschulen soll die beruflichen Anschlussmöglichkeiten von Paaren gerade in Regionen erhöhen, die nicht mit Großunternehmen und Forschungseinrichtungen gespickt sind. Wie an den meisten Servicestellen gehören auch hier wissenschaftliche Weiterqualifizierung sowie Beratung bei der Suche nach Kinderbetreuung zum Angebot. Kinder sind an vielen Hochschulen ein heikler Punkt. Selbst an der TU München, die an ihren drei Standorten einen Familienservice anbietet, sei das Angebot „nicht wirklich ausreichend“, so Kerstin Dübner-Gee.

Zumal junge Wissenschaftlerpaare bei ihrer zeitaufwendigen Tätigkeit Bedarf an einer möglichst langen Betreuung hätten. Erst neulich rief ein Emmy-Noether-Gruppenleiter bei Dübner-Gee an. Verzweifelt suchte er eine Unterbringungsmöglichkeit für seinen 20 Monate alten Sohn. „Viele stehen auf sämtlichen Wartelisten und durchleben trotzdem lange Phasen der Unsicherheit“, bedauert Dübner-Gee. Ohne Betreuung mache auch die Stellensuche für die Partnerin eines Wissenschaftlers wenig Sinn.

Nur für Spitzenwissenschaftler?

Und wer nach einer Teilzeitstelle sucht? Da unterscheiden sich die Möglichkeiten je nach beruflicher Position: Während es für Doktoranden leichter sei, etwa auf eine halbe Stelle zu gehen, böten sich solche Gelegenheiten für Projektleiter und Juniorprofessoren nur selten, so Dübner-Gee. Und wenn, dann ist in der Realität noch lange nicht gesagt, dass die reduzierte Arbeitszeit auch eingehalten werden kann. „Häufig wird dann doch hundertprozentige Verfügbarkeit erwartet – ganz anders als etwa in den skandinavischen Ländern“, bemängelt Dr. Andres Keller, im Vorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zuständig für den Bereich Hochschule und Forschung.

„Solche Angebote richten sich ja nur an Spitzenwissenschaftler und haben auch etwas von Vetternwirtschaft.“

Seine Kritik zielt aber auch auf das Konzept der Doppel-Karriere an sich: „Solche Angebote richten sich ja nur an Spitzenwissenschaftler und haben auch ein Stück weit etwas von Vetternwirt­schaft­.“ Nicht immer sei klar, ob bei den Qualifikationen des Partners genau hingeschaut werde, wenn ihnen die Hochschule eine Stelle an einem universitätseigenen Institut beschaffe, glaubt er. Vor allem aber findet er: „Solche Angebote gehen am Hauptproblem vorbei.“ Was junge Wissenschaftler vor allem brauchten, sei eine „verlässliche Berufsperspektive“. Für die GEW ist dies das Tenure-Track-Verfahren, das dem Nachwuchs bei Bewährung eine Professur in Aussicht stellt.

Um Mauscheleien vorzubeugen, hat sich die TU München für folgende Strategie entschieden: Sie sucht vornehmlich extern nach Stellen für die Partner von Wissenschaftlern. Bei der guten Nachbarschaft mit Max-Planck, Helmholtz und Fraunhofer sowie Firmen wie Allianz und Siemens ist das nicht weiter schwierig.

In puncto Berufsperspektive wiederum kam die bayerische Hochschule zu ähnlichen Ergebnissen wie Keller, als sie kürzlich den eigenen Nachwuchs nach dessen Bedürfnissen fragte. Auch die Jungwissenschaftler wünschen sich mehr Tenure Track. An den genauen Maßnahmen, die aus dieser Erkenntnis folgen, wird nun gebastelt. Fest steht: Der Dual Career Service ist fester Teil der Nachwuchsförderung geworden. Kerstin Dübner-Gee hat inzwischen auch eine Team-Assistenz bekommen, die sich fortan ausschließlich um junge Wissenschaftler und ihre Familien kümmern wird.

Den Luxus aber, den etwa der Inhaber einer Humboldt-Professur genießt, wenn Dübner-Gee für dessen Kinder beispielsweise eine internationale Schule sucht, kann sie dem wissenschaftlichen Nachwuchs nicht bieten: „Ich kann schließlich nicht für jeden einen roten Teppich ausrollen."

Angebote für Forscherfamilien

Angebote für Forscherfamilien

  • Eberhard-Karls-Universität Tübingen: Die Uni berät Partner von Professoren und Nachwuchswissenschaftlern zu Anschlussmöglichkeiten für die bisherige Berufstätigkeit und hilft bei Bewerbungen, auch über ein Kontaktnetz mit anderen Hochschulen und Unternehmen aus der Region. Zum Angebot gehören wissenschaftliche und hochschuldidaktische Weiterbildung und Infos zu Kinderbetreuung und Bildungseinrichtungen in Tübingen.
    Kontakt: Dr. Elke Gramespacher, elke.gramespacher@uni-tuebingen.de
  • Universität Konstanz: Die Uni bietet neben der Beratung zu beruflichem Anschluss und Unterstützung bei Bewerbungen und Wohnungssuche auch Infos zu Sprachkursen in Konstanz und über Weiterqualifizierung sowie über Stipendien im wissenschaftlichen Bereich. Sie kooperiert mit dem Academic Staff Development und mit der Koordinierungsstelle Familiengerechte Hochschule.
    Kontakt: Kerstin Melzer, kerstin.melzer@uni-konstanz.de
  • Universität Stuttgart: Das „Paket“ umfasst Hilfe bei der Stellen- und Wohnungssuche und hilft, für die Kinder Schulen, Kindergärten oder andere Betreuungsmöglichkeiten zu finden. Die Uni vermittelt Kontakte zu Ansprechpartnern innerhalb und außerhalb der Universität, auch zu Forschungseinrichtungen, Unternehmen und öffentlichen Institutionen. Weiterer Partner ist die Duale Hochschule Baden-Württemberg.
    Kontakt: Dr. Selma Kölbl, DCCProgramm@uni-stuttgart.de
  • Technische Universität München (TUM): In Kooperation mit Wissenschaftsorganisationen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen (siehe Haupttext) sowie Partnerhochschulen in der Region sucht die TUM nach passenden Stellen für Partner von Spitzenwissenschaftlern. Neben der Unterstützung bei der Stellensuche berät das Office zu Wohnen und Leben in München, Kinderbetreuung und Weiterbildung.
    Kontakt: Kerstin Dübner-Gee, duebner-gee@zv.tum.de
  • Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU): Partner neu berufener Professoren aus dem In- und Ausland sowie von Nachwuchswissenschaftlern aus dem Ausland erhalten Unterstützung bei der Suche nach einer passenden Stelle einer beruflichen Anschlussmöglichkeit. Außerdem gibt es Hilfe bei Bewerbungen und Weiterbildung und hilft mit Informationen zur Integration in München.
    Kontakt: Julia Bühring, buehring@lmu.de
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