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Ziel Fachhochschul-Professur

Deutsche Universitäten bringen mehr Doktoranden hervor, als sie Professuren zur Verfügung haben. Auf einer internationalen Konferenz wurde festgestellt: Woanders gibt es dieselben Probleme.

Für ein Podium, das relevante Protagonisten zu einem Thema versammeln will, ließ schon die Besetzung aufmerken. Unter dem Schriftzug „Exploring Difference – Wege zur Professur“ trafen im November in der Kanadischen Botschaft in Berlin, paritätisch besetzt, Vertreterinnen und Vertreter von Universitäten und Fachhochschulen aufeinander. Und so kam es wenige Wochen, nachdem der Wissenschaftsrat mit reichlich Verspätung seine Empfehlungen für Karrierewege an Fachhochschulen vorgelegt hatte, bei der jährlichen Tagung ID-E Berlin  (International Dialogue on Education) zu einer lebhaften Debatte über ein viel diskutiertes Thema: An deutschen Universitäten und Fachhochschulen herrschen nicht dieselben Karrierebedingungen für Doktoranden und Professoren.

Eindrücklich machten der Rektor der Universität Mannheim, Prof. Dr. Ernst­-Ludwig von Thadden, und der Präsident der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR), Prof. Dr. Andreas Zaby, auf die verschiedenen Lagen an Deutschlands Hochschultypen aufmerksam: An den Universitäten ist für jene der 24 000 jährlichen Doktoranden, die in der Wissenschaft bleiben wollen, die Prekarität eine Perspektive für Jahre – wenn nicht für immer. Zeitgleich können die mehr als 200 staatlichen Fachhochschulen, die jährlich gerade einmal 300 Doktoranden hervorbringen, ihre Professuren immer häufiger nicht besetzen (siehe Interview).

Für die Universitäten gab von Thadden das Vorhandensein eines Ungleichgewichts unumwunden zu. „Ja, wir haben einen Flaschenhals“, betonte er. Er sagte aber auch, dass man das „wertneutral“ betrachten und „aussortieren“ müsse. Der jüngst mit einem Ein-Milliarden-Programm von Bund und Ländern gestärkte Weg der Tenure-Track-Laufbahnen für jene Bewerberinnen und Bewerber, die sich bewähren, sei dafür die beste Struktur, so der Mannheimer Uni-Rektor.

Und mit wem, außer den Protagonisten des deutschen Systems, ließe sich über den Tenure Track besser diskutieren als mit den ganz bestimmt viel einschlägiger bewanderten internationalen Teilnehmern? Wer das gedacht hatte, wurde im zweiten Teil der jährlichen Tagung, die unter anderem vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und der Freien Universität Berlin, dem British Council zur Förderung internationaler Beziehungen und der amerikanischen Fulbright-Kommission veranstaltet wird, gründlich eines Besseren belehrt.

Die Teilnehmer aus Großbritannien, Frankreich, Kanada und den USA nämlich hatten auf die Frage „Wie wird man Professor?“ vor allem eines: vier grundverschiedene Antworten. Den Tenure Track kennen lediglich die USA; und auch dort wird er immer mehr zur Ausnahme: Statt Laufbahnzusicherung, erklärte die Erziehungswissenschaftlerin Jacqueline Edmondson aus Pennsylvania, seien für jeden Zweiten im Wissenschaftssystem Teilzeit und Befristung an der Tagesordnung.

Und in Großbritannien, ergänzte die Bildungsplanerin Rosemary Deem aus London, sei der Tenure Track 1987 abgeschafft worden – und auch nur in den ersten Jahren nach seiner Abschaffung sei noch über ihn diskutiert worden. Von Frankreich wiederum konnte man nicht zuletzt lernen, dass es dort ein ähnlich zerfasertes System an außeruniversitärer Forschung und Hochschullandschaft gibt wie in Deutschland; in der staatlichen Universitätslandschaft führt der Weg in einen Dauerjob in der Wissenschaft – der sehr häufig keine Professur ist – über eine Art staatliche Zulassungsbehörde. Und in Kanada scheint man heute in etwa dort zu stehen, wo Deutschland zu Beginn der bis heute anhaltenden Reformphase der Karrierewege stand: Über Jahrzehnte rekrutierte die Professorenschaft den Nachwuchs, den sie selbst ausgebildet hatte. Erst in jüngerer Zeit, erklärte der Bildungsjournalist Léo Charbonneau, komme es zu einem ernsthaften Überschuss an Doktoranden. „Die Debatte darüber, was wir nun tun, fängt gerade erst an“, sagte Charbonneau.

Was sich allerdings auch zeigte: In jedem der Länder setzt die Planbarkeit des Lebens früher ein als in Deutschland. „Und damit“, konstatierte Dr. Anna Tschaut, Bundesvorsitzende des Interdisziplinären Netzwerks für Promovierende und Promovierte Thesis, „ist ja schon viel gewonnen.“ Tschaut wollte aber auch den „Flaschenhals“, durch den es Tausende vielversprechende Nachwuchswissenschaftler nicht auf eine Professur schaffen, nicht unkommentiert stehenlassen. „Das ist nicht natürlich. Sondern eine Frage, wie man Karrierewege gestalten will.“

Prof. Dr. Andreas Zaby

„Wir müssen sichtbarer werden“

Fachhochschulen haben Potenzial. Doch um Karriereziel für Professoren zu werden, müssen sie noch einiges tun, meint Prof. Dr. Andreas Zaby, Präsident der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Berlin.

duz: Nach langen Verhandlungen liegen die Empfehlungen des Wissenschsftsrates für die Fachhochschulen nun vor. Wie finden Sie sie?

Zaby: Grundsätzlich: Gut. Das Karriereziel FH-Professur attraktiver zu gestalten, ist überfällig. Wie das gehen kann, dazu eröffnet das Papier nun mehrere Wege. Allerdings: Ohne finanzielle Unterstützung wird es nicht gehen. Wenn ich statt einer W2­ eine W3­Professur schaffe, muss ich die bezahlen können – und ich brauche jemanden, der die vom Wissenschaftsrat richtigerweise vorgeschlagene Ermäßigung im Lehrdeputat von sieben Stunden pro Woche ausgleicht. Und das ist nur ein Beispiel. Umsonst umsetzen lässt sich kaum eine der Maßnahmen.

duz: Woher soll das Geld kommen?

Zaby: Die Länder können das mit Sicherheit nicht allein stemmen. Wir erwarten, dass das Bundesbildungsministerium nun ein Programm auflegt; Ministerin Wanka hat bereits vor Monaten erklärt, etwas für die Fachhochschulen tun zu wollen, sobald die Empfehlungen vorliegen. Nun sind sie da. Was die Größenordnung angeht, halte ich das Ein-Milliarden-Programm zum Ausbau des Tenure-Track an den Universitäten für eine gute Orientierungsmarke. Denn eines steht fest: In den allermeisten Programmen kommen Fachhochschulen bisher gar nicht vor, weder in der Exzellenzstrategie noch im Tenure-Track-Programm.

duz: Woran liegt das?

Zaby: Neben einer intensiven und öffentlichkeitswirksamen Lobbyarbeit der Unis ist ein zentraler Grund, dass nahezu alle Bildungsstrategen und -politiker selbst an Universitäten studiert haben. Sie haben die Fachhochschulen, deren Absolventen schon immer vorrangig in die Wirtschaft gingen, schlicht nicht im Blick. Damit ist ihnen zum Beispiel auch nicht präsent, dass sechs von zehn Ingenieuren an Fachhochschulen ausgebildet werden.

duz: Wieso ist dann eine Professur an einer Fachhochschule so unattraktiv?

Zaby: Weil ein Ingenieur oder ein Betriebswirt in der Industrie das Doppelte verdienen kann – und zwar nicht nur in Ingolstadt oder Stuttgart, sondern auch in mittelständischen Unternehmen in weiten Teilen Deutschlands. Natürlich stellt sich der Nachwuchsmangel in manchen Regionen und Fächern als größeres Problem dar als etwa bei uns an der HWR Berlin in der Hauptstadt. Aber auch wir bekommen nicht so viele Bewerber, wie wir gerne hätten; auf Dauer wirkt sich das auf die Qualität in Lehre und Forschung aus. Und viele Fachhochschulen, die sich ja aus gutem Grund heute Hochschulen für angewandte Wissenschaften nennen, leben gerade von ihren anwendungsorientierten Spezialgebieten. Das geht nur, wenn sie etwa einen Textil­ingenieur, den sie für eine spezielle Professur suchen, auch finden.

duz: Man könnte auch sagen: Sie suchen eierlegende Wollmilchsäue. Promoviert, mit wissenschaftlichen Qualifikationen und Lehrerfahrung. Dazu fünf Jahre Berufserfahrung, davon drei außerhalb der Hochschule. Ist es nicht Zeit, bei den Anforderungen Abstriche zu machen?

Zaby: Nein. Dass wir uns von der Promotion verabschieden, steht auf keinen Fall zur Debatte; und Lehrerfahrung ist für Vermittler von Wissen unerlässlich. Die Anwendungsorientierung wiederum ist DAS Alleinstellungsmerkmal der Hochschulen – wenn unsere Professoren nicht aus der Praxis kommen, können wir diese nicht glaubwürdig vermitteln. Insofern: Drei Jahre sind das Minimum; viel lieber sind uns Bewerber mit mehrjähriger Praxis­erfahrung.

duz: Der Hochschullehrerbund etwa sagt: Ohne Promotionsrecht werden wir nie genug Nachwuchs finden.

Zaby: Ich bin kein kompromissloser Verfechter des Promotionsrechts. Aber: Was wir dringend brauchen, ist ein gleichberechtigter Zugang zur Promotion, für Studierende wie für Lehrende. Wenn wir das mit kooperativen Graduiertenkollegs hinbekommen oder auch mit funktionierenden Kooperationen zwischen Fachhochschulen und Universitäten auf Augenhöhe, sind wir einen großen Schritt weiter. Wenn nicht, sehe ich das wie die Kollegen: Dann muss das Promotionsrecht her.

duz: Was spricht dagegen, es einzufordern?

Zaby: Um Promotionen zu betreuen, brauchen Sie entsprechende Strukturen. An diesen fehlt es den Fachhochschulen noch weitgehend – was nicht zuletzt an der Ausstattung der Professuren liegt. Unsere Professoren arbeiten, anders als die universitären, ohne Mitarbeiter, auch ohne wissenschaftlichen Mittelbau. Wie aber soll ein einzelner Professor mit 18 Stunden Lehrverpflichtung, dem Doppelten, was an einer Universität verpflichtend ist, noch Promovierende betreuen? Der Anspruch an ihn wäre sehr hoch.

duz: Was tun die Fachhochschulen selbst für die Nachwuchsgewinnung, neben der Formulierung von Forderungen an die Politik?

Zaby: Wir müssen sichtbarer werden, den Karriereweg FH-Professur in die Wahrnehmung der Öffentlichkeit rücken. Als UAS7 (Allianz von sieben führenden „Universities of Applied Sciences“ in Deutschland) planen wir eine Informationskampagne, die im März kommenden Jahres in Münster beginnt. Durch Promotionskollegs und -stipendien, finanziert aus Mitteln der Länder, versuchen wir, Nachwuchswissenschaftler mittelfristig zu binden. Wir informieren auch im Ausland auf großen Bildungsmessen über das Modell Fachhochschule, mittlerweile übrigens ein deutscher Exportschlager. Wir wollen deutsche Wissenschaftler zurückholen. Eine Fachhochschul-Professur ist eine echte Alternative und hat für Praktiker mit wissenschaftlichen Ambitionen und umgekehrt viele Vorzüge.

Das Interview führte Jeanette Goddar.

Empfehlungen des Wissenschaftsrats

Empfehlungen des Wissenschaftsrats

Aus Januar wurde Oktober – aber nun sind sie da: Die Empfehlungen zur Personalgewinnung und -entwicklung an Fachhochschulen des Wissenschaftsrates. An ihnen hat das höchste bildungspolitische Gremium mehr als eineinhalb Jahre gearbeitet

  • Im Kern fordert das Gutachten einen Anteil attraktiverer Professuren sowie kooperative Qualifizierungsmodelle in Zusammenarbeit mit Unternehmen.
  • Das bewährte Profil des Typs Fachhochschule, das der Versorgung der Unternehmen und Einrichtungen mit qualifizierten Fachkräften dient, soll gestärkt­ werden.
  • Die gestiegene Nachfrage nach grundständigen und weiterbildenden Präsenz­ und Fernstudienangeboten erfordert neue Curricula und neue Lehrformate.
  • Die wissenschaftliche und zugleich anwendungsbezogene Lehre soll als im Vordergrund stehende Aufgabe der Fachhochschulen ganz überwiegend von Professorinnen und Professoren geleistet werden, die über eine qualifizierte außerhochschulische Berufspraxis verfügen.
  • Frühe und kontinuierliche Begleitung potenzieller Kandidatinnen und Kandidaten für eine Professur, Steigerung der Attraktivität des Stellen­ und Aufgabenprofils der Fachhochschulprofessur und flexible Ausgestaltung der Professur.
  • In stärkerem Umfang als bisher sogenannte Schwerpunktprofessuren ausweisen.

Download: www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/5637-16.pdf

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