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„Kaum Forschung betrieben“

Auf Empfehlung des Senats der Leibniz-Gemeinschaft und auf Beschluss der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz verliert die Fachbibliothek ZB MED in Köln Ende 2016 ihren Status als Leibniz-Informationszentrum für Lebenswissenschaften.

Prof. Dr. Hans Spada, Vorsitzender des Leibniz-Senatsausschusses für Evaluierung, erläutert im duz-Interview die Gründe – und wie es weitergehen könnte mit der Einrichtung.

duz: Die ZB MED gilt als wichtige Anlaufstelle für Informations- und Volltextversorgung in der Medizin und den anderen Lebenswissenschaften. Bei der Evaluierung kam jedoch auch heraus, dass viele Mediziner die Angebote der ZB MED wenig nutzen. Sind die Dienstleistungen nicht zeitgemäß?

Spada: Genau das ist der Punkt: Mediziner recherchieren nach eigenen Angaben zum Beispiel lieber in internationalen Meta-Datenbanken wie PubMed. Die Einnahmen der ZB MED aus der klassischen Volltextversorgung sind von vier Millionen Euro im Jahr 2004 auf nur noch 900 000 Euro im Jahr 2014 gesunken. Um mit dem veränderten Informationsverhalten und -bedürfnis der jüngeren Wissenschaftler­ und Studierendengeneration Schritt halten zu können, ist es jedoch zwingend erforderlich, im Bereich der Informationstechnologie zu forschen, den Weg zur Volldigitalisierung weiter zu beschreiten und neue Formate zu entwickeln. In der ZB MED wurde in den vergangenen Jahren aber kaum Forschung betrieben und es wurden auch keine Drittmittel für wissenschaftliche Projekte akquiriert.

duz: Und wie sieht es mit einer Anbindung oder mit gemeinsamen Projekten an einer Universität aus?

Spada: Diese Nähe fehlt bislang. Es ist aber unverzichtbar, in Kooperation mit beispielsweise Medieninformatikern zu arbeiten und so auch den forschenden Nachwuchs an die ZB MED zu holen. Eines der größten Versäumnisse ist aus Sicht des Senats der Leibniz-Gemeinschaft deshalb, dass die vom Bund und vom Land Nordrhein-Westfalen ab 2014 bereit gestellten Mittel für eine Professur im Bereich der Informationstechnologie sowie für mehrere Doktorandenstellen bislang nicht genutzt wurden und noch niemand eingestellt wurde.

duz: Ist die ZB MED nicht gut in der Community verankert?

Spada: Als Leibniz-Institution hat die ZB MED sich auch auf anderen Gebieten zu wenig um Kooperationen bemüht. Wie wichtig diese sind, zeigen zwei Beispiele: Es ist der ZB MED nicht gelungen, ihr Open-Access-Portal Publisso für einen größeren Kreis von Wissenschaftlern attraktiv zu machen. Nur wenige publizieren dort, weil es von den meisten Fachkollegen nicht als relevante Plattform wahrgenommen wird. Hier wäre es sinnvoll, umfassende Lösungen deutschland- oder sogar europaweit anzustreben. Auch im Bereich der Lizenzen, etwa für die Nutzung von Zeitschriften, wäre eine Zusammenarbeit essenziell. Denn nur große Zusammenschlüsse haben die Chance, günstige Bedingungen für die Verträge auszuhandeln.

duz: Die ZB MED kündigte Nachbesserung an …

Spada: Bislang fehlt aber eine schlüssige Strategie auf längere Sicht. Ein eigenständiges Forschungskonzept, auf dessen Grundlage moderne Fachinformations-Services angeboten werden können, liegt nicht vor.

duz: Gibt es einen Weg zurück in die Leibniz-Gemeinschaft?

Spada: Ja, diese Möglichkeit besteht, wenn der Transformationsprozess der ZB MED hin zu einem modernen Fachinformationszentrum tatsächlich baldmöglichst eingeleitet und erfolgreich umgesetzt wird. Die ZB MED erhält erst einmal auslaufend drei weitere Jahre lang Zuwendungen in reduziertem Umfang. Es könnte zudem einen Personalwechsel in der Leitung geben. Anders als derzeit noch würde die neue ZB-MED-Leitung dann zugleich eine Professur an einer Universität innehaben.

duz: Welche Chancen eröffnen sich darüber?

Spada: Über Professuren wäre die ZB MED besser mit der angewandten Forschung verbunden und könnte dem wissenschaftlichen Nachwuchs einen Rahmen bieten. In diesem Fall sehe ich gute Möglichkeiten für eine moderne Ausrichtung und für neue, drittmittelfinanzierte Forschungsprojekte. Da die Leitung dann auch in die Lehre eingebunden sein würde, könnten daraus wechselseitige positive Impulse erwachsen, auch was den wissenschaftlichen Nachwuchs anbelangt.

duz: In den kommenden drei Jahren geht es um alles …

Spada: Es gibt in der Leibniz-Gemeinschaft viele Beispiele, die zeigen, dass eine Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler, der solche Dinge mit Engagement und Kompetenz angeht, sehr viel bewirken kann und dass aus einem Institut im Niedergang etwas Neues erwachsen kann.

Das Interview führte Mareike Knoke.


Prof. Dr. Hans Spada
ist Vorsitzender des Senatsausschusses für Evaluierung in der Leibniz-Gemeinschaft. Dieser begutachtet die Leibniz-Einrichtungen und berät den Senat in allen die Evaluierung betreffenden Belangen. Spada lehrt und forscht seit 1980 als Professor für Allgemeine Psychologie an der Universität Freiburg.

 

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