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Eine „Kernaufgabe“

Die Helmholtz-Gemeinschaft setzt beim Wettlauf um die besten Köpfe auf ein systematisches Talentmanagement, das alle Alters- und Statusgruppen berücksichtigt. Die Standards, die sie dabei setzt, sollen der gesamten deutschen Wissenschaftscommunity zugutekommen – so Helmholtz-Managerin Dr. Stephanie Dittmer.

duz: Frau Dr. Dittmer, der Begriff „Talentmanagement“ wird im Wissenschaftskontext immer salonfähiger – auch dank Ihrer Aktivitäten bei Helmholtz: Warum reicht es nicht mehr, einfach von „Personalmanagement“ zu sprechen?

Dittmer: Mit dem Begriff „Personalmanagement“ wird meist das Gesamtspektrum der Personalarbeit einer Organisation impliziert. Wir konzentrieren uns jedoch besonders auf das strategische Talentmanagement. Wenn wir in der Helmholtz-Gemeinschaft über Talentmanagement sprechen, dann geht es meistens um strategische personalpolitische Maßnahmen, die wir ergreifen, um Schlüsselpositionen und -funktionen in unserer Organisation richtig und vorausschauend zu besetzen. Talentmanagement ist für uns ein strategisches Instrument, mit dem man die Ziele einer Organisation realisiert.

„Talentmanagement ist für uns ein strategisches Instrument, um eigene Ziele zu realisieren“

duz: Warum ist Talentmanagement bei Ihnen ganz oben bei der Geschäftsführung angesiedelt?

Dittmer: Talentmanagement ist ein Thema, das sowohl die Helmholtz-Gemeinschaft als Ganzes als auch jedes einzelne Helmholtz-Zentrum bewegt. Es geht uns darum, für die Wissenschaft und das Management Wege aufzuzeigen, wohin sich die Helmholtz-Gemeinschaft entwickelt, welche Themen sie besetzt und welche Personen dafür gebraucht werden. Oder andersrum gefragt: Welche Köpfe braucht man im Nachwuchssegment oder für den Senior-Scientist-Bereich und wie können kritische Positionen im Management, die für die Organisationsentwicklung sehr wichtig sind, mit den richtigen Personen besetzt werden? Hinzu kommt der für Helmholtz wichtige Bereich des technisch administrativen Personals. Wir wollen sicherstellen, dass wir über hochqualifizierte Kräfte verfügen, die unsere komplexen Projekte aufsetzen und durchführen und unsere Infrastrukturen kompetent betreuen können.

duz: Was alles impliziert ein strategisches Talentmanagement?

Dittmer: Zunächst sollte sich eine wissenschaftliche Institution fragen, wohin sie sich entwickeln möchte, welches Profil sie sich geben will und wo ihre Schwerpunkte liegen sollen. In unserem Sektor sind die Menschen und ihr Wissen die wichtigste Ressource. Dementsprechend sollte sich eine Wissenschaftsorganisation darüber im Klaren sein, wie sie mit dieser Ressource umgehen will und welche Human­Ressource­Strategie sie anwenden will, um ihre Organisationsziele zu erreichen. Dazu gehört unter anderem auch, für unterschiedliche Zielgruppen, wie etwa die Gruppe der Postdocs, adäquate Rekrutierungs­, Bindungs­ und Rückkehrstrategien zu entwickeln.

duz: Wer alles sollte beim strategischen Talentmanagement mit eingebunden werden?

Dittmer: Jede Führungskraft auf jeder Ebene sollte darüber nachdenken, welche Funktionen und Positionen für sie wichtig sind und wie sie die entsprechenden Kollegen ansprechen, entwickeln und fördern kann. Für die Leitungsebene ist es wichtig zu wissen, welche Zielgruppen angesprochen werden sollen und welcher „Employerbrand“ entwickelt werden sollte, um als Arbeitgeber attraktiv auf die jeweilige Zielgruppe zu wirken. Dazu sind auf der Funktionsebene der Personalentwicklung oder des Talentmanagements besonders qualifizierte Fachkräfte notwendig, die diese Ziele und Strategien in Programme umsetzen können, wie etwa Schulungsprogramme, in deren Folge bestimmte Standards der Mitarbeiterführung – darunter Zielvereinbarungsgespräche – implementiert werden.

„Wir wollen Führungskräfte stärken, selbst ein Talentmanagement-Modell zu entwickeln“

duz: Und wer sollte in einer Wissenschaftsorganisation die Prozesse des Talentmanagements steuern und kontrollieren – und wie gestaltet sich das konkret bei Helmholtz? 

Dittmer: Jede Führungskraft sollte zunächst einmal für sich selber ein eigenes Feedbacksystem entwickeln und sich überlegen, ob ihre Führung wirksam ist, wie neue Mitarbeiter rekrutiert werden können und wie man den Nachwuchs entwickelt und an sich bindet. Das gilt für die Ebene der Administration ebenso wie für die Forschung. Ganz entscheidend ist, dass die oberste Führungsebene – bei Helmholtz die Vorstände der Zentren und der Präsident – dem Talentmanagement eine hohe Priorität einräumt. Innerhalb der Zentren wird der Prozess von Personalentwicklern und Talentmanagern unterstützt, die entsprechende Tools zur Verfügung stellen und einen Teil der Qualitätssicherung und Evaluation übernehmen. Wichtig ist aber auf jeden Fall: Jede einzelne Führungskraft ist gefragt, Verantwortung für das Talentmanagement und die Entwicklung ihrer Mitarbeiter zu übernehmen. Bei Helmholtz können alle Führungskräfte die vielfältigen Angebote der Helmholtz-Akademie nutzen, damit sie den Umgang mit Standards und Tools aus dem Talentmanagement lernen. In den Helmholtz-Zentren gibt es zudem Angebote mit einer viel höheren Verbindlichkeit für alle Mitarbeiter. Die Personalabteilungen in den Zentren arbeiten zum Teil mit sehr ausgefeilten Systemen, die das Talentmanagement der jeweiligen Leitung unterstützen

duz: Wo fängt für Sie bei Helmholtz Talentmanagement an und wo hört es auf?

Dittmer: Im weiteren Sinne fängt bei uns die Frühförderung von Talenten beim Haus der kleinen Forscher oder den Schülerlaboren an. Wir verfolgen hier einen ganzheitlichen Ansatz und schauen dabei auf alle Zielgruppen in unserer Gesellschaft. Wir wollen schon frühzeitig eine Bindung entwickeln und Interesse an unseren Themen wecken. Betrachten wir das Talentmanagement im engeren Sinne, wo es um die Besetzung kritischer Positionen geht, dann bezieht es sich auf unsere Organisation, auf die Zentren und auf unsere Gemeinschaft in allen kritischen Phasen einer beruflichen Entwicklung. Es geht darum zu entscheiden, welche Positionen jetzt in den Fokus der Betrachtung rücken und wo wir uns als Wissenschaftsorganisation zukünftig platzieren werden. Wir denken also nicht nur darüber nach, was braucht der einzelne Leistungsträger in der Organisation heute, sondern auch, wo muss er in fünf Jahren stehen, welche Qualifizierungsangebote und Ressourcen sind dafür notwendig und welche Herausforderungen müssen wir antizipieren. Dazu benötigen wir einen Entwicklungsplan im Bereich der Talente. Und wie groß der Zeitraum ist, den wir voraussehen müssen, hängt wiederum von dem jeweiligen Mitarbeiter und Arbeitsbereich ab. Es gibt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die denken in sehr großen Sprüngen. Bei anderen wiederum sind die Innovationen engmaschig. Zudem gibt es viele schnelle und kleine Veränderungen, auf die wir als große Wissenschaftsorganisation reagieren müssen.

duz: Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang Ihre Angebote für Senior Researcher und die Gruppe 50plus?

Dittmer: Mit der Helmholtz-Professur für bereits emeritierte Wissenschaftler bieten wir dieser Zielgruppe die Möglichkeit, sich bei adäquater hoher Produktivität auch weiterhin in die Wissenschaft beziehungsweise Wissenschaftsorganisation einzubringen. Und auch die einzelnen Helmholtz-Zentren verfolgen verschiedene Modelle und Strategien, um diese wichtige Gruppe zu halten und einzubinden. Angesichts der demografischen Entwicklung wird dies künftig noch intensiver in Angriff genommen werden. Zugleich richtet sich die Helmholtz-Akademie für Führungskräfte nicht nur an Nachwuchskräfte, sondern auch an etablierte Forscher und Manager in Wissenschaft und Verwaltung. Denn viele verantwortungsvolle Positionen werden in der Regel erst nach dem 50. Lebensjahr übernommen. Mit maßgeschneiderten Angeboten versuchen wir, diesen Personenkreis auf seine neuen Aufgaben vorzubereiten. Dazu zählen zum Beispiel unsere Qualifizierungsangebote, wie man als leitender Wissenschaftler eine Strategie für ein Institut entwickelt, oder wie man sich als Dekan positioniert, oder wie man sich – im Sinne von Jobenrichment – auf seinen nächsten Karrieresprung vorbereitet.

duz: Inwieweit berücksichtigen Sie aktuelle Tendenzen, wie die Flüchtlingswelle?

Dittmer: Auf die Flüchtlingswelle hat unser Präsident umgehend mit einem Aufruf an die Zentren reagiert und finanzielle Unterstützung bereitgestellt, um Wissenschaftler aus Krisengebieten zu integrieren. Zugleich ermöglichen wir jungen Flüchtlingen, die noch ganz am Anfang ihres Berufsweges stehen – zum Beispiel in den Laboren unserer Zentren –, erste Schritt in die Arbeitswelt. Diese Initiative baut auf einer Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit und mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf.

duz: Talentmanagement zu etablieren ist ein aufwendiger Prozess. Ist es tatsächlich für jede Wissenschaftseinrichtung sinnvoll, dies aktiv zu betreiben?

Dittmer: Talentmanagement einzuführen ist eine Führungsaufgabe, die der jeweiligen Leitung einer Universität oder außeruniversitären Einrichtung obliegt. Wir haben in der Wissenschaft als starkes Paradigma die akademische Entwicklung vom Studierenden bis hin zum Professor als klassischen Karriereweg. Aber es gibt innerhalb und außerhalb der Wissenschaft sehr unterschiedliche Karrierewege. Das bedeutet wiederum für eine Wissenschaftsorganisation, dass sie eine Personalstrategie entwickeln sollte, die attraktiv und transparent ist. Schließlich steht jeder Doktorand und Postdoc vor der großen Frage, wo stehe ich und wie soll es weitergehen. Und auch aus volkswirtschaftlichen Gründen ist es wichtig, diesen Gruppen nachhaltige Angebote zu unterbreiten. Denn viele Nachwuchskräfte verweilen zu lange auf unsicheren Positionen, die irgendwann enden oder durch Dauerbefristungen unhaltbare Verhältnisse kreieren. Deswegen ist es für alle Wissenschaftseinrichtungen extrem wichtig, sich ernsthaft mit dieser Thematik auseinanderzusetzen und Standards für das eigene Talentmanagement zu definieren. Solch ein Prozess muss auf der Führungsebene angestoßen und dann auf allen Ebenen aufgegriffen und weiterentwickelt werden. Die Helmholtz-Akademie als organisationsübergreifendes Angebot kann die Universitäten und Wissenschaftseinrichtungen bei dieser wichtigen Aufgabe mit Angeboten von der Personalführung bis hin zur Strategieentwicklung unterstützen.

duz: Ist Helmholtz mit seiner Akademie eine Art Thinktank für Führungskräfte, die Talentmanagement an Forschungsinstituten und Hochschulen einführen möchten?

Dittmer: Dies ist sicherlich noch Zukunftsmusik. Aber wir möchten und können einen Beitrag dazu leisten. Talente für die Wissenschaft zu entdecken, zu gewinnen, zu entwickeln und auch zu halten ist eine der großen Herausforderungen in den nächsten Jahren und nicht jede Wissenschaftsinstitution muss hier das Rad neu erfinden. Wir können – gemeinsam mit den Universitäten – daran arbeiten, tragfähige, den jeweiligen Bedarfen angemessene Lösungen zu entwickeln. Unser Ansatz ist es, die Führungskräfte darin zu stärken, selbst ein adäquates Modell für ihre Wissenschaftsorganisation zu entwerfen – und nicht etwa Modelle nach dem Motto zu vermitteln „one size fits all“. All denjenigen, die Anregungen und den Austausch suchen, um ihr Talentmanagement voranzubringen, stehen wir gerne als Ansprech- und Sparringspartner mit Rat und Tat zur Seite.

duz: Hat das Talentmanagement dazu geführt, dass Helmholtz als Arbeitgeber attraktiver geworden ist?

Dittmer: Ja! Einer der Gründe: Bei den Nachwuchswissenschaftlern besteht ein hoher Bedarf an Klarheit, Definition und Transparenz bezüglich der Erwartungen und Ziele einer Organisation an sie und ihre Arbeit. Sie benötigen und erwarten institutionelle Unterstützung, um die eigene Karriere als Postdoc, Nachwuchsgruppenleiter oder Manager im Wissenschaftssystem zu planen und zu verfolgen. Die positiven Rückmeldungen auch seitens externer Teilnehmer unserer Akademie belegen, dass der Bedarf nach Talentförderung und Hilfe zur Selbsthilfe zurzeit sehr groß ist. Außerdem können wir als Arbeitgeber so glaubhaft vermitteln, dass wir unsere Mitarbeiter und ihre Karrierewünsche ernst nehmen und für sie sorgen. Oder anders gesagt: Keine Organisation kann es sich heute mehr leisten, das Thema Talentmanagement dem Zufall zu überlassen oder nur halbherzig zu betreiben.

duz: Im Herbst 2016 werden Sie einen eigenen Talentmanagement-Blog freischalten. Wer ist die Zielgruppe und welche Ziele verfolgen Sie damit?

Dittmer: Unsere Zielgruppe umfasst all diejenigen, die von dieser Thematik betroffen sind – sprich sowohl die unmittelbaren Nutznießer der Maßnahmen als auch diejenigen, die in den Wissenschaftseinrichtungen für die Förderung von Talenten und Karriereentwicklung zuständig sind. Wir möchten mit dem Blog über alle relevanten Aspekte des Talentmanagements informieren, den Austausch und die Vernetzung initiieren und natürlich auch, dass unser Engagement und unsere Expertise in diesem Bereich sichtbar wird. Wir sprechen mit dem Blog neben den direkt Betroffenen auch erfahrene Wissenschaftler und Manager an, die wir als Experten einbinden – zum Beispiel im Rahmen von Interviews, Portraits, Chats und anderen Formen des gegenseitigen Austauschs. Eines unserer Ziele ist, die Wissenschaftscommunity – auf eine sehr offene Art und Weise – für Themen miteinander ins Gespräch zu bringen, die sonst eher im Verborgenen behandelt werden, wie zum Beispiel: „Ich habe ein Führungsproblem. Ich muss mein Institut umstrukturieren. Ich habe keine adäquate Konfliktmanagement-Strategie – wer verfügt über entsprechende Erfahrungen und kann mit mir Problemlösungen diskutieren?“ Auch hier wollen wir uns als Arbeitgeber positionieren und zeigen, dass die Wissenschaft insgesamt und Helmholtz insbesondere attraktive Arbeitgeber sind.

Das Interview führte Veronika Renkes.

Dr. Stephanie Dittmer

Dr. Stephanie Dittmer ist seit 2006 in der Geschäftsstelle der Helmholtz-Gemeinschaft in Berlin tätig, zunächst als Referentin für Forschungspolitik und Strategieentwicklung. Seit Juli 2008 leitet die Soziologin den Bereich Strategie und ist für Administration und strategische Ausrichtung des Impuls- und Vernetzungsfonds des Präsidenten, die Helmholtz-Akademie und den Aufbau des Talentmanagements zuständig. Die Bedarfe von Universitäten kennt die Wissenschaftsmanagerin aus ihrer Zeit als persönliche Referentin des Präsidenten der Universität Göttingen.
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