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Seltene Exemplare

Immer noch ist Teilzeitarbeit in Führungspositionen die Ausnahme, bestätigt eine neue Studie. Dabei kommen diejenigen, die sie praktizieren, gut klar.

Dr. Cornelius Richter ist ein seltenes Exemplar seiner Gattung: Er verlässt an zwei Tagen in der Woche spätestens um 14 Uhr seinen Arbeitsplatz, um sein Kind aus der Kita zu holen, und verbringt den Nachmittag auf dem Spielplatz. In seinem Job ist er jedoch verantwortlich für etwa 60 Personen und zugleich Vorstandsmitglied am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin – Richter ist einer von wenigen Teilzeit-Chefs in Deutschland.

„Die Führungskultur hängt immer noch stark mit der Präsenz zusammen“

Zwar arbeiten rund 65 Prozent der Führungskräfte in Wirtschaft und Wissenschaft flexibel, etwa im Homeoffice. Doch nur 15 Prozent sind in Teilzeit tätig, und nur 1,3 Prozent teilen sich ihre Führungsposition mit anderen. Dies hat die Umfrage Arbeiten 4.0 – Führen 4.0  unter knapp 800 Führungskräften ergeben, durchgeführt von der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) in Berlin und der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR), zusammen mit der Führungskräftevereinigung ULA (United Leaders Association). Zu groß ist die Angst der Vorgesetzten, an Einfluss zu verlieren: „Die Führungskultur hängt immer noch stark mit der Präsenz zusammen“, sagt der Sozialwissenschaftler Dr. Marc Gärtner von der HWR.

„Es sollte legitim sein, sich neben der Arbeit für andere Dinge zu interessieren“

Zwar wird die ständige Anwesenheit in der Wissenschaft nicht gefordert: Forschen und Schreiben richtet sich ja nicht nach Bürozeiten. Das Problem ist das Verringern von Arbeitszeit – obwohl das Teilzeit­ und Befristungsgesetz aus dem Jahr 2000 auch für Führungskräfte gilt. Viele befürchten wohl einen Karriereknick, wenn sie nicht demonstrieren, dass sie ihr Leben hauptsächlich der Wissenschaft widmen. Wer große Gruppen im Labor leitet, von dem wird auch erwartet, dass er stets erreichbar oder präsent ist. „Führungskräfte lassen auch gern mal nachts das Licht in ihrem Büro an“, sagt Gärtner, halb im Scherz. Immer im Einsatz, immer bereit: „Dieses Leitbild, nur für die Wissenschaft zu leben, sollte aufgebrochen werden“, sagt Susanne Kink, Soziologin am Institut für Geschlechtersoziologie und Gender Studies der Universität Graz und Workshopleiterin auf der Fachkonferenz Flexibles Arbeiten in der Führung der EAF und HWR. „Es sollte völlig legitim sein zu sagen, ich interessiere mich auch noch für weitere Aspekte des Lebens und engagiere mich auch für andere Dinge“, meint sie.

Doch um flexible Arbeitszeitmodelle mehr zu nutzen, fehlt es an Rollenvorbildern oder Unterstützung durch Vorgesetzte. Das gab in der Umfrage die Mehrheit der Führungskräfte an. Einiges liege jedoch auch an ihnen selbst; etwa der Hang zum Mikromanagement, bis ins kleinste Detail alles kontrollieren zu wollen. Cornelius Richter hat sich davon verabschiedet. Heute delegiert er mehr als früher, organisiert die Arbeit straffer und spricht mit den Mitarbeitern mehr ab. „Manche haben sogar den Eindruck, dass ich präsenter bin und schneller reagiere als vor drei Jahren, als ich schätzungsweise noch 130 Prozent gearbeitet habe“, sagt Richter.

Wird die Arbeit nur umverteilt, ist Missmut vorprogrammiert. Das ergaben Interviews mit Mitarbeitern von Führungskräften sowie ihren Vorgesetzten: „Die einen sind dann immer die Dienstleister für die Modelle, von denen sie selber nichts haben und von denen nur andere profitieren“, hieß es darin. Richter fügt hinzu: „Wenn die Mitarbeiter denken, dass sich der Chef ein schönes Leben macht und sie müssen das ausbaden, funktioniert das nicht.“ Er habe nur reduziert, weil zusätzliches Personal einen Teil der Arbeit auffing. Unter seiner Leitung steigen jetzt übrigens auch Teilzeitbeschäftigte auf. „Ich habe dabei gar nicht über die Teilzeit nachgedacht. Sie macht einfach einen guten Job“, sagt er zur Beförderung einer Mitarbeiterin.

Über die Studie

Über die Studie

Die Befragung Arbeiten 4.0 – Führen 4.0 von EAF, HWR und der Führungskräfte-Vereinigung ULA wurde im Rahmen des Forschungsprojekts Flexship durchgeführt. Ihre Ergebnisse wurden im März auf einer Fachkonferenz in Berlin präsentiert. Das Bundesforschungsministerium hat Flexship gefördert.

Ergebnisse der Studie

Was die Wissenschaftler über Flexibilität in Führungsjobs herausfanden:

Flexible Arbeitszeiten
In flexiblen Arbeitszeitmodellen arbeiten der Befragung von EAF und HWR zufolge 65,5 Prozent der Führungskräfte. 78,7 Prozent gaben an, dass ihre Arbeitgeber flexible Arbeitszeit anbieten. 85,5 Prozent hielten sie für geeignet, 2,9 Prozent für ungeeignet.

Homeoffice
Ganz oder teilweise von zu Hause aus arbeiteten 37,5 Prozent der befragten Führungskräfte. Bei 69,2 Prozent boten die Arbeitgeber Homeoffice an. 54,7 Prozent fanden es für ihre Tätigkeit geeignet und 19,4 Prozent ungeeignet.

Job-Sharing
Meist zwei Führungskräfte teilen sich eine Stelle: Nur 1,3 Prozent der befragten Führungskräfte nutzen diese Möglichkeit, bei 26,9 Prozent wurde sie vom Arbeitgeber angeboten. 24,2 Prozent fanden: geeignet und 41,5 Prozent sagten: ungeeignet.

Teilzeit
14,9 Prozent der befragten Führungskräfte arbeiten in Teilzeit, 82,1 Prozent hatten die Möglichkeit. 40,4 Prozent der Befragten fanden: geeignet und 31 Prozent: ungeeignet.

Elternzeit
14,3 Prozent haben Elternzeit in Anspruch genommen. 80,8 Prozent gaben an, dass sie vom Arbeitgeber angeboten wurde. 54,4 Prozent fanden sie geeignet und 15,4 Prozent ungeeignet.

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