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Studierende beim Lernen begleiten

Vorlesungen und Seminare sind nur ein Teil des Studiums. Studierende bereiten Lehrveranstaltungen nach, bilden Lerngruppen, um Prüfungen vorzubereiten, eignen sich Wissen an. Doch selbst dann sind Dozierende nicht außen vor. Erfahren Sie hier, wie Sie Selbstlernphasen Ihrer Studierenden initiieren und begleiten können.

Die Fähigkeit, selbstständig und selbstorganisiert zu lernen, ist die Voraussetzung für ein Studium an Hochschulen. Zugleich aber ist es Ziel des kompetenzorientierten Studiums (siehe Fußnote 1), diese Fähigkeit zu verbessern. Die Hochschule soll den Studierenden helfen, den Übergang von schulischem zu studentischem Lernen und zu beruflichem und wissenschaftlichem Handeln zu bewältigen. Lehrende können Studierende dabei unterstützen, indem sie Selbstlernphasen bewusst einsetzen und begleiten. Unter der Bezeichnung „Selbststudium“ sind solche Selbstlernphasen in Abgrenzung von Präsenzzeiten integraler Bestandteil der Curricula.

Norbert Landwehr und Elisabeth Müller unterscheiden zwischen drei Arten des Selbststudiums (2). Das „freie Selbststudium“ aus eigenem Interesse meint Selbstlernaktivitäten, die sich auf nicht im Curriculum vorgeschriebene und auch nicht prüfungsrelevante Themen richten. Im „individuellen Selbststudium“ orientieren sich die Studierenden an den Themen und Inhalten der Lehrveranstaltung, bereiten diese aber eigenverantwortlich auf, zum Beispiel in selbstorganisierten Lerngruppen.

Als dritten Typ nennen Landwehr und Müller das „begleitete Selbststudium“. Es unterscheidet sich vom freien und vom individuellen Selbststudium dadurch, dass Sie es als Lehrende durch Arbeitsaufträge und Lernaufgaben initiieren, begleiten und beraten. Solche begleiteten Selbstlernphasen lassen sich in unterschiedlichen Formaten realisieren und mit der Präsenzzeit verzahnen. Die Möglichkeiten reichen dabei von regelmäßigen Aufgaben für die Zeit zwischen den Sitzungen (nach dem Modell von „Hausaufgaben“) bis hin zu umfangreichen Projekten, die von den Studierenden begleitend zur Lehrveranstaltung bearbeitet werden (zum Beispiel durch „forschendes Lernen“).

Vor allem zu Beginn des Studiums wird Lernen von den Studierenden häufig als bloßes Üben verstanden – indem sie bereits bekannte Inhalte wiederholen und nachvollziehen. Lernaufgaben, die vor allem auf Wiederholungen abzielen, untermauern dieses Verständnis. Sie ermöglichen es den Studierenden als Rezipierende und Reproduzierende des Wissens in einer Art Konsumentenhaltung zu verharren.

Durch begleitete Selbstlernphasen, die ein hohes (und variierendes) Maß an selbstverantwortlicher Aktivität aufweisen, wird der bloße Konsum des Wissens verwehrt. Wiederholen und Reproduzieren sind als Lernstrategien unabdingbar, aber Selbstlernen meint eben mehr: das Lernen zu lernen, sich weitere Lernstrategien (3) anzueignen und bewusst einzusetzen, um selbstgeleitet Wissen zu erschließen und im weiteren Verlauf des Studiums selbst neues Wissen zu generieren. Dazu ist es nötig, dass die Lernenden ihre Lernprozesse zielgerichtet planen, überwachen und regulieren und sich zum Lernen motivieren (4). Denn dass alles Lernen letztlich Selbstlernen ist, meint auch: Wir alle lernen auf individuellen Wegen und mit individueller Motivationsintensität. Lehrende haben auf dieses Lernen des Lernens großen Einfluss und können es durch geplante Selbstlernaktivitäten unterstützen.

Selbstlernphasen motivieren dazu, sich interessengeleitet, autonom und vor allem selbstverantwortlich mit den Inhalten der Lehrveranstaltung auseinanderzusetzen. Doch sind sie deshalb noch lange keine Selbstläufer. Den Lehrenden kommt die Aufgabe zu, die Selbstlernphasen zu gestalten und ihre Studierenden dabei zu begleiten.

Selbstlernaktivitäten planen und veranlassen

Bei der Planung und Vorbereitung von Selbstlernaktivitäten sollten Sie sich von den intendierten Lernzielen leiten lassen. Aber nicht nur die Lernziele sind ausschlaggebend, sondern vor allem die Wege, wie die Studierenden die Ziele erreichen können.

Bestimmen Sie in einem ersten Schritt, welche Themen und Aspekte sich die Studierenden selbstverantwortlich und selbstorganisiert erarbeiten können. In einem zweiten Schritt planen Sie die jeweiligen Lernaktivitäten der Studierenden. Achten Sie von Anfang an darauf, wie Sie die Selbstlernaktivitäten mit der Präsenzzeit verzahnen. In den Lehrveranstaltungen kann etwa das grundlegende Wissen erarbeitet werden, das die Studierenden für die Selbstlernaktivitäten benötigen.

Eine zentrale Bedeutung kommt beim begleiteten Selbststudium den Arbeitsaufträgen zu. Sie sollen den Lernprozessen der Studierenden Orientierung geben und Motivationsanreize schaffen. Vermeiden Sie daher wiederkehrende und wenig zielgerichtete Arbeitsaufträge: „Lesen Sie den Text bis zur nächsten Sitzung“ – das mag auf den ersten Blick eine klar formulierte Aufgabe sein, motiviert aber nicht zwangsläufig. Die­se Aufgabenstellung lässt außerdem viel Interpretationsspielraum: Sollen die Studierenden den Text nur oberflächlich erfassen, detailliert durcharbeiten oder gar exzerpieren? Gerade zu Beginn des Studiums ist es wichtig, Kriterien an die Hand zu bekommen, die zeigen, wann ein Arbeitsauftrag als erledigt gelten kann. Bedenken Sie bei der Planung bereits, wie die Ergebnisse später präsentiert werden können, um anhand dieser Kriterien Rückmeldungen geben zu können.
Formulieren Sie deshalb Arbeitsaufträge, die komplexe und relevante Problemstellungen enthalten, Bezüge zu späteren Tätigkeitsfeldern aufweisen oder an die Lebenswelt der Studierenden anschließen, um Lernanreize zu schaffen. Die Studierenden sollten durch die Arbeitsaufträge möglichst unterschiedliche Perspektiven und Rollen einnehmen können. Gerade in Lern­ und Arbeitsgruppen können die einzelnen Studierenden so verschiedene Zugänge wählen und an eigene Präferenzen und Interessen anschließen.

Eine besondere Herausforderung ist es, Aufgaben zu gestalten, die einerseits schwierig und komplex genug sind, um das Lernen anzuregen – und andererseits nicht als unlösbar erscheinen. Bauen Sie auf dem jeweiligen Vorwissen auf und steigern Sie langsam den Schwierigkeitsgrad. So können die Studierenden ihren Lernstand überprüfen und ihr Leistungsniveau kontinuierlich erhöhen. Wenn Sie durch unterschiedliche Aufgabenstellungen den Studierenden zudem Wahlmöglichkeiten eröffnen, ist die Chance größer, viele Lernende mit ihren individuellen Interessen und Fähigkeiten zu erreichen und zu motivieren.

Selbstlernaktivitäten begleiten und beraten

Eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Begleitung von Selbstlernaktivitäten ist zugleich eine der größten Herausforderungen für die Lehrenden: Verantwortung abzugeben und den Studierenden zuzutrauen, individuell, selbstgesteuert und selbstorganisiert zu lernen. Die Verantwortung der Lehrenden liegt darin, die Selbstlernaktivitäten angemessen zu begleiten und zu beraten. Denn eigenverantwortliche Lernaktivitäten sind nicht ohne Risiko: Es können sich beispielsweise Wissenslücken ergeben, die die Studierenden selbst nicht identifizieren können. Oder es schleichen sich Fehler ein, die unerkannt bleiben. Gerade bei längeren Selbstlernphasen ist es daher wichtig, Zwischenergebnisse einzufordern, diese zu überprüfen und Rückmeldungen zu geben.

Die Herausforderung für Lehrende: Verantwortung abzugeben

Aus der Sicht der Expertin oder des Experten kann es schwerfallen, sich die Schwierigkeiten der Lernenden zu vergegenwärtigen. Das, was für Lehrende sofort einleuchtend erscheint, kann die Lernenden vor große Herausforderungen stellen. Umso wichtiger ist es, dass die Studierenden die Möglichkeit bekommen, sich mit ihren Schwierigkeiten an die Lehrenden zu wenden und in einer fehlerfreundlichen und wertschätzenden Atmosphäre bei der Bewältigung der Schwierigkeiten unterstützt zu werden. Als Beraterinnen und Berater studentischen Lernens können Sie individuelle Möglichkeiten und Wege aufzeigen, wie die Studierenden die komplexen Anforderungen des Studiums und der jeweiligen Disziplin bewältigen können. Bei Ihren Rückmeldungen sollten Sie sich von dem Prinzip leiten lassen: so viel Hilfe wie nötig, so wenig wie möglich. Was vielen Studierenden Schwierigkeiten bereitet, können Sie in der Präsenzzeit noch einmal aufgreifen und vertiefen, ggf. wiederholen und üben. Hier können dann möglicherweise die Studierenden, die die Aufgabe gut bewältigt haben, den Kommilitoninnen und Kommilitonen auf Peer­Ebene Unterstützung geben.

Selbstlernaktivitäten reflektieren und auswerten

Indem Sie schon bei der Einführung in die Selbstlernaufgaben zusammen mit den Studierenden Ziele und Meilensteine für das Lernen festlegen und im weiteren Verlauf auch die Lernprozesse gemeinsam reflektieren, geben Sie den Lernenden die Möglichkeit, ihre Lernprozesse planen, überwachen und regulieren zu können und ihre Lernkompetenz zu erweitern. Dafür brauchen die Studierenden zum Abgleich der Selbst­ und Fremdeinschätzung des Lernstands auch Ihr Feedback zu den Lernergebnissen, das ihnen Orientierungshilfen bei der individuellen Kompetenzentwicklung bietet. Rückmeldungen zu den Ergebnissen und zum Arbeitsprozess markieren so den Abschluss der Selbstlernphasen. Sichten Sie die Ergebnisse wenn möglich gemeinsam mit den Studierenden. Reflektieren Sie auch überfachliche Kompetenzen, die für die Lernergebnisse eine Rolle spielen, wie beispielsweise Kommunikationsfertigkeiten, die Lernplanung oder die Arbeit im Team.

Die Bewertung sollte nach transparenten Erfolgskriterien erfolgen. In einem ersten Schritt können Sie die Studierenden nach einer Selbsteinschätzung fragen. Das hilft ihnen, den Blick für die eigenen Fähigkeiten und Leistungen zu schärfen. Hier empfiehlt es sich, wieder die Kommilitoninnen und Kommilitonen mit einzubeziehen und Rückmeldungen auf Peer­Ebene zu ermöglichen. Ein Ausblick auf die nächsten Schritte und Stufen des Lernprozesses rundet die Selbstlernphasen ab und setzt neue Ziele für die studentische Kompetenzentwicklung.

Wenn Studierende ihre Lernleistungen in diesem Sinne als relevant für die eigene Entwicklung und sich selbst als autonome und kompetente Handelnde erfahren, wird dies sicherlich ein Motivationsanreiz für die weiteren Schritte im Studium sein. Die wertschätzende und konstruktive Rückmeldung der Lehrenden trägt wesentlich zu nachhaltigen Lernprozessen bei.

Fazit

Insbesondere um nachhaltige Lernprozesse anzuregen, die auf der eigenständigen Auseinandersetzung mit dem Wissen und der individuellen Konstruktion von Wissensstrukturen beruhen, sind freie und begleitete Selbstlernaktivitäten notwendig. Die gemeinsame Arbeit mit den Studierenden und die Begleitung beim Aufbau und bei der Entwicklung dieser komplexen Wissensstrukturen erfordert einen veränderten Blick der Dozierenden auf die eigene Rolle in der Lehre: als Begleitende und Beratende studentischen Lernens.


___________
Fußnoten
1) Schaper, Niklas (2013): Kompetenzen lehren. duz  MAGAZIN 03/2014, S. 73ff.
2) Landwehr, Norbert/Müller, Elisabeth (2008): Begleitetes Selbststudium. Didaktische Grundlagen und Umsetzungshilfen, Bern, S. 16ff.
3) Wild, Klaus-Peter/Wild, Elke (2002): Jeder lernt auf seine Weise … Individuelle Lernstrategien und Hochschullehre. In: Behrendt, Brigitte/Voss, Hans-Peter/Wildt, Johannes (Hrsg.): Neues Handbuch Hochschullehre, Berlin, Griffmarke A.2.1.
4) Ambrose, Susan A. et al. (2010): How Learning Works. Seven Research-Based Principles for Smart Teaching, San Francisco, S. 188ff.

Tipps zur Umsetzung

Tipps zur Umsetzung

  • Beziehen Sie Lerntagebücher in Ihre Lehre ein, in denen die Studierenden die Planung und den Verlauf ihrer Lernprozesse und -ergebnisse begleitend dokumentieren und reflektieren.
  • Achten Sie darauf, dass Ihr Konzept aus einem Guss ist: Verzahnen Sie Selbstlern- und Präsenzzeiten, indem Sie die Lernaktivitäten der Studierenden ausgehend von den Lehrzielen für beide Phasen planen und aufeinander abstimmen.
  • Nutzen Sie Peer-Feedback: Lassen Sie die Studierenden einander gegenseitig Rückmeldungen geben. Es vertieft die Lernergebnisse und schult die Fähigkeit, kritisch zu prüfen. Und es entlastet Sie als Dozentinnen und Dozenten.
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