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Weltweit verfolgt

Wissenschaft will weltoffen sein, doch nicht überall treffen Forscher auf ein Umfeld, das genau das erlaubt. Vielerorts werden sie unter Druck gesetzt, verfolgt, getötet. Darüber berichtet das internationale Netzwerk "Scholars at Risk" und appelliert an Hochschulen, den Verfolgten zu helfen.

In Moskau kann das Verfassen eines Artikels gefährlich werden: 2014 kritisierte Professor Dr. Andrej Subow in einer Tageszeitung Russlands Vorgehen im Ukraine-Konflikt: „Wir dürfen uns nicht so verhalten wie einst die Deutschen, die den Versprechen von Goebbels und Hitler glaubten.“ Kurz danach war Subow seinen Job am Staatlichen Institut für internationale Beziehungen los. Er habe „unpassende und beleidigende historische Analogien“ formuliert, erklärte sein Institut.

333 Angriffe auf Hochschulmitarbeiter und Studierende innerhalb von vier Jahren

Ähnliche Verhältnisse herrschen in der Türkei, in Kuba oder China. In anderen Ländern gibt es noch brutalere Attacken. Sie häufen sich seit Jahren, wie der im Juni veröffentlichte Bericht des Netzwerks „Scholars at Risk“ (SAR) deutlich macht. Von Januar 2011 bis Mai 2015, so schreiben die Autoren, gab es in 65 Ländern 333 Angriffe auf Hochschulmitarbeiter und Studenten. 111 waren besonders brutal: Tötungen, Gewaltanwendungen, Verschleppungen. 67 Inhaftierungen wurden gezählt, 47 Verfolgungen, ohne dass ein justiziables Vergehen vorlag.

Die Härte, mit der gegen Gelehrte vorgegangen wird, korrespondiert häufig mit der politischen Situation im Land: Für weltweites Entsetzen sorgte in diesem Jahr der Angriff der somalischen Al-Schabaab-Milizen auf ein College in Kenia, bei dem 147 Menschen starben. Im pakistanischen Quetta jagten 2013 islamistische Extremisten an einer Frauen-Uni einen Bus in die Luft, 14 Studentinnen starben. In Mexiko wurden Anfang des Jahres 43 Studenten für tot erklärt, die nach Protesten von der Polizei verschleppt und offenbar an Verbrecherbanden übergeben wurden. Auch in Syrien und Iran kann von freier wissenschaftlicher Betätigung kaum die Rede sein.

Manchmal wird subtiler vorgegangen, indem kritische Wissenschaftler unter vorgeschobenen Gründen aus dem Job gedrängt werden. 37 solcher Fälle hat SAR dokumentiert. Viele Fälle, so vermuten die SAR-Experten, gelangen gar nicht erst in ihre Statistik, weil sie aus Angst vor weiteren Repressalien nicht gemeldet werden.

Bescheidenes Engagement in Deutschland

„Angriffe häufen sich in beunruhigender Weise“, bilanziert SAR-Exekutivdirektor Robert Quinn. Um dagegen anzugehen, appelliert „Scholars at Risk“ an Hochschulen, gefährdeten Akademikern durch einen Gastaufenthalt die Möglichkeiten zu bieten, ihre Forschung fortzusetzen. Mehr als 350 Hochschulen weltweit beteiligen sich, etwa 400 Wissenschaftler haben so im Ausland zeitweilig Schutz erfahren .

Nur in Deutschland ist das Engagement bescheiden: Auf der SAR-Mitgliedsliste finden sich neben der FU Berlin das Bard College und die International Psychoanalytic University, zwei private Berliner Hochschulen. Dr. Stefan Rummel, der sich in der FU um die seit 2011 laufende Zusammenarbeit mit „Scholars at Risk“ kümmert, fürchtet, dass viele Hochschulen die finanzielle Anstrengung scheuen. Eine halbe Million Euro hat die FU bis 2017 in ihrem Haushalt für das Programm eingestellt.

Rummel wirbt unermüdlich um Engagement. Dennoch gerate auch die FU mit derzeit fünf aufgenommenen Forschern an ihre Grenzen: „Sie brauchen einen Arbeits- oder Laborplatz, einen Betreuer.“ Viele der Anwärter stammten aus den Sozial- und Politikwissenschaften, befassten sich mit Iranistik oder Islamwissenschaften – Fächer, in denen Stellen rar sind. Doch dass sich das Engagement lohne, sehe er immer wieder im persönlichen Kontakt mit den Betroffenen. „Die sind so dankbar, dass sie hier endlich die Möglichkeit haben, durchzuatmen“, sagt Stefan Rummel.

Scholars at Risk

Scholars at Risk

Das in New York ansässige internationale Netzwerk Scholars at Risk (SAR) setzt sich für Wissenschaftler ein, die aufgrund ihrer Meinungsäußerungen und Forschungsarbeiten bedroht und verfolgt werden. Sie erfahren Unterstützung durch Gastaufenthalte in SAR-Mitgliedshochschulen.

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