Personal richtig entwickeln
Hochschulen müssen bei der Personalentwicklung zunehmend Rücksicht auf die Vielfalt beruflicher Abschlüsse und die akademische Karriere nehmen – und tun dies auch. Das ist so leicht nicht, denn es gilt, Beschäftigte nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für Karrieren außerhalb der Hochschule vorzubereiten. Welche Ansätze gibt es?
Standard an den Hochschulen in der Personalentwicklung (PE) sind Informationen zur beruflichen Entwicklung sowie individuelle Beratung für Tätigkeiten in verschiedenen Branchen oder für die akademische Karriere (Mentoring und Coaching). Überbrückungsfinanzierungen zwischen Projekten oder Qualifizierungsphasen können vielerorts beantragt werden, es gibt Hilfe bei Drittmittelanträgen. Hochschulen verfügen über ein Spektrum an Weiterbildungsangeboten. Die Themen reichen von der Entwicklung von Lehrkompetenzen über Sozial-, Kommunikations- und Führungskompetenzen bis zu Zeit-, Selbst- und Projektmanagement. Viele Hochschulen veranstalten Karrieremessen, verfügen über Gründerzentren und beraten beim Schritt in die Selbstständigkeit.
Auffällig ist der Trend zu Zertifikatsprogrammen
Neben diesen Standards treten innovative Maßnahmen hervor, von denen einige im Sinne von Anregungen genannt seien.
- Die Universität Bremen hat verschiedene Fonds aufgelegt, in denen sich Beschäftigte und externe Personen um Stellen mit unterschiedlichen Laufzeiten und ggf. auch Sachmitteln bewerben können. Finanziert werden die Fonds aus dem Zukunftskonzept. An der TU Dresden gibt es ein internes Stipendienprogramm für Nachwuchswissenschaftlerinnen.
- Hochschulen reagieren auf einen großen Bedarf an Vernetzung unter den jüngeren Wissenschaftlern und stellen einen Rahmen bereit, der von der Zielgruppe zu gestalten und verwalten ist. Solche Angebote sind das KHYS¬Netzwerk (Karlsruhe House of Young Scientists) in Karlsruhe, der Young Faculty Club in Köln und das Netzwerk des promovierten wissenschaftlichen Nachwuchses in Aachen. Die TUM Tenure Track Academy oder die Karriereentwicklung für Postdocs an der Uni Potsdam machen ein fachübergreifendes Qualifizierungsangebot. Exzellenzcluster bilden Netzwerke, z. B. in Kiel mit einer online-Plattform für Postdocs.
- Auffällig ist der Trend zu Zertifikatsprogrammen, in denen u. a. Führungs- und Managementkompetenzen vermittelt werden. Die Universität Mannheim hat im Programm CAMPUS_LEAD Trainingsmodule für Beschäftigte mit Führungsverantwortung aufgelegt. Die RWTH Aachen bietet Lehrgänge an zu den Themen „Führen“ und „Lehren und Forschen“, Konstanz hat den Zertifikatslehrgang „Führung, Management, Wissenstransfer“ im Angebot, Mainz den Kurs „Management von Studium und Lehre“. Zertifiziert ist auch das Qualifizierungsprogramm „Entwicklung und Management von Forschungsprojekten“ der Universitäten Kassel und Marburg. Viele Universitäten ermöglichen die Teilnahme an einem Lehrgang für „Hochschuldidaktische Qualifizierung“ mit den Zentren für Hochschuldidaktik.
- Manche Fachhochschulen bemühen sich um den Aufbau eines akademischen Mittelbaus. Die FH Köln erhielt als erste deutsche Hochschule das EU-Gütesiegel „HR Excellence in Research“. Die Hochschule Ostwestfalen verabschiedete ein PE-Konzept. Es entwirft Berufswege für promovierendes und promoviertes Personal, das sein Karriereziel nicht in der Professur sieht.
- Nur ausnahmsweise wird die eigene Personalentwicklung zu einem Forschungsgegenstand, so z. B. an beiden Münchner Universitäten oder in Mainz. Damit besteht die Chance, die Wirkung von Maßnahmen zu evaluieren und mit knappen Mitteln sorgsam umzugehen.
- Manchmal verpassen hochqualifizierte Personen den günstigsten Zeitpunkt für einen Wechsel in einen anderen Arbeitsmarktsektor, auch weil Vorgesetzte ihre Motivation für das laufende Projekt, die fast abgeschlossene Habilitation, erhalten wollen. Wenn sich die Hoffnung auf einen Ruf oder eine Weiterbeschäftigung nicht erfüllt, ist es in fortgeschrittenem Alter ohne Erfahrungen sehr schwierig, außerhalb der Hochschule eine qualifikationsadäquate Beschäftigung zu finden. Das ZWM in Speyer bietet den Workshop „Wege aus der Wissenschaft“ mit dem Ziel an, Teilnehmern und Teilnehmerinnen neue berufliche Perspektiven und möglichst sogar einen Arbeitsplatz zu vermitteln.
- Die Wege aus der Wissenschaft führen manchmal ins Wissenschaftsmanagement. Dort haben sich Lehrgänge, Schulungen und Weiterbildungsstudiengänge (z. B. Speyer, Osnabrück, Oldenburg, Ulm) entwickelt, die sich sehr guter Nachfrage erfreuen. Die Professionalität dieses Leistungsbereichs hat sich dadurch deutlich gesteigert. Offensichtlich gelang den Personalentwicklern durch Vernetzungsformate, Tagungen und Publikationen ein großer Professionalisierungsschritt.
- In einigen Hochschulen hat die Personalentwicklung eine dauerhafte Struktur erhalten. Beispiele sind das Center for Leadership and Peoplemanagement der LMU München, das Center for Professional Leadership der RWTH Aachen, das Academic Staff Development in Konstanz, das KHYS am KIT, das Academic Staff Development in Konstanz oder das Zentrum für Promovierende und promovierte Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler in Osnabrück. In Mainz, Göttingen oder Mannheim übernimmt die Verantwortung für Personalentwicklung die Zentralverwaltung, mancherorts verantworten das die Graduiertenzentren wie etwa an der Uni Oldenburg, der TU Dresden und der Uni Potsdam. In einigen Fällen bilden Hochschulen Verbunde für die Personalentwicklung, wie zum Beispiel das ScienceCareerNet Ruhr der Universitäten Bochum, Dortmund und Duisburg-Essen.
Blinde Flecken und künftige Besonderheiten
Nicht verschwiegen werden sollte bei den positiven Befunden, dass es auch Lücken bei den Personalentwicklungsanstrengungen der Hochschulen gibt. Nur selten wird der Bedarf an PE-Maßnahmen in einem Mitarbeitergespräch mit dem oder der Vorgesetzten ermittelt und von der Personalplanung einer größeren Arbeitseinheit abgeleitet. Zumeist sind die Teilnehmer aus eigenem Antrieb unterwegs. Kaum eine Hochschule formuliert ihre künftigen Erwartungen an das Kompetenzprofil in bestimmten Stellenkategorien. Eine Rückbindung von Personal- und Organisationsentwicklung ist die Ausnahme.
Angesichts der überwiegend befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter könnte man erwarten, dass die Startphase der Neuzugänge, die professionelle Gestaltung der zahlreichen Rekrutierungen oder Maßnahmen, um den Wissensverlust beim Weggang von Personal zu kompensieren, im Fokus stehen. Doch es werden vor allem die Abflüsse von Personal unterstützt. Hochschulen können sich offenbar leicht mit neuen Kräften versorgen und müssen Fehlentscheidungen oder Führungsfehler selten ausbaden.
Die Beschäftigten hingegen müssen die Hochschule nach wenigen Jahren verlassen. Man will ihnen helfen, damit es für sie gut oder überhaupt weitergeht. Doch handelt es sich dabei um die am höchsten qualifizierten Fachkräfte, zumeist schon im vierten Lebensjahrzehnt, auf dem Arbeitsmarkt herrscht Vollbeschäftigung für sie. Das Hauptproblem ist der innerakademische Arbeitsmarkt, für den es einen großen Überhang an Bewerbern und Bewerberinnen sowie zu wenige Dauerstellen, Aufstiegschancen und Professuren gibt. Die Drittmittelabhängigkeit der Forschung ist eine der Ursachen dafür.
An den Hochschulen fühlt sich oft niemand für den Mittelbau zuständig
Nicht für alle Beschäftigten sind Hochschulen eine Durchlaufstation. Dennoch sind die ca. 30.000 unbefristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter und Lehrkräfte für besondere Aufgaben in der Personalentwicklung häufig ein blinder Fleck. Obwohl dieser Mittelbau für Kontinuität sorgt, fühlt sich oft niemand für sie zuständig: Keiner führt Mitarbeitergespräche, gibt Feedback, motiviert, ermöglicht Entwicklung und leistet Karriereberatung. Und nur ausnahmsweise schreiben Hochschulen ihre Dauerstellen zur unbefristeten Besetzung öffentlich aus, sodass sich Wechsel- und Aufstiegsmöglichkeiten für diese Personalgruppe ergeben. Hier kann noch vieles verbessert werden.
Unterbelichtet ist die Führungsaufgabe der Hochschullehrer. Das hat Folgen für die Mitarbeiterführung, die mehr ist als die Betreuung von Qualifikationsarbeiten und die auch das Unterstützungspersonal und Wissenschaftsmanagement betreffen sollte. Die wenigsten Professoren nehmen aus eigenem Antrieb Personalentwicklungsmaßnahmen in Anspruch. Das hängt auch mit ihrem Lebensalter zusammen. Sie erwarten, dass sie sich sämtliche Fähigkeiten, die für Lehre, Organisation, Verwaltung, Führung erforderlich sind, durch Selbstlernprozesse und informellen Erfahrungsaustausch aneignen können. Die Hochschulen scheinen diese Erwartung zu teilen, denn nur selten wird für diesen Personenkreis ein Angebot vorgehalten – und wenn, wird es keineswegs auch immer angenommen.
An einigen Hochschulen macht man Neuberufenen in Form individueller Coachings Startangebote, vorrangig zur Lehrqualifikation. Vorreiterin ist die Universität Mainz. Sie bietet nicht nur ein Workshop-Programm für Neuberufene und Schulungen für neugewählte Dekane an, sondern auch Module, die auf Führungsaufgaben in Wissenschaft, Wissenschaftsmanagement, technische Unterstützung und Verwaltung gerichtet sind. Die Universität hat zudem Führungsleitlinien entwickelt, mit denen Personal¬ und Organisationsentwicklung verbunden werden können.
Fortbildungen zur Vorbereitung auf die Leitung einer Fakultät oder Hochschule werden nur zurückhaltend angenommen. Der CHE-Hochschulkurs für neue Dekane leidet nicht an Überbuchung. Der Kurs „Führung als Chance“ mit einem Erfahrungsaustausch und Angeboten zur Kompetenzerweiterung von HRK und CHE wird überwiegend von weiblichen Führungskräften in Anspruch genommen. Dabei könnten die Hochschulen durch geschultes Leitungspersonal ihre Autonomiespielräume professioneller ausfüllen.
PE-Konzepte als Wettbewerbschancen
Wenn Personalentwicklung von strategischer Bedeutung sein soll, braucht sie ein Konzept, das mehr ist als die Summe von Einzelmaßnahmen. Einige Hochschulen haben mittlerweile ganzheitliche PE-Konzepte verabschiedet. Ein Vorreiter ist die Universität Konstanz mit dem „Konstanzer Kodex“. Nicht alle Konzepte sind bereits öffentlich zugänglich oder bei der HRK eingereicht, obwohl sich alle Mitgliedshochschulen auf Orientierungsrahmen für den wissenschaftlichen Nachwuchs verpflichtet haben. Etliche Konzepte befinden sich im unverzichtbaren internen Abstimmungsprozess mit den Gremien, der für die Akzeptanz wichtig ist. Die Professoren und Professorinnen müssen erkennen, welche Vorteile Personalentwicklung für den Arbeitsalltag hat, sonst wird sie nicht stattfinden.
Um Wissenschaft als Beruf attraktiver zu machen, stellt der Bund innerhalb von zehn Jahren eine Milliarde Euro bereit. Grundlage sind Empfehlungen des Wissenschaftsrats zu Karrierezielen und -wegen an Universitäten aus dem Juli des vorigen Jahres, in denen nicht nur eine Veränderung der Personalstruktur durch 7500 zusätzliche Professuren und ähnlich viele Dauerstellen für wissenschaftliches Personal gefordert wurde, sondern auch die Hochschulen zu eigenen Konzepten für akademische Personalentwicklung in die Pflicht genommen werden sollen. Vermutlich wird ein Wettbewerb um die besten Personalentwicklungskonzepte starten, Karriereförderung wird in vielen Förderprogrammen eine Rolle spielen.
Was der Standard ist, liegt offen zutage. Ihn zu überbieten, sind die Hochschulen herausgefordert. Es mag der Beruhigung der Akteure in diesem Feld dienen: Personalentwicklung als Konzept kann zwar kopiert werden, nicht aber als gelebte Praxis. Und genau auf die kommt es an.
Fazit
Fazit
Hochschulen kümmern sich zunehmend um Personalentwicklung. Künftig wird das zu einem Profilmerkmal besonders aktiver Einrichtungen werden. Dies wird ihnen Vorteile bei der Rekrutierung und im Wettbewerb um Drittmittel verschaffen.
Downloadlinks
Downloadlinks
Broschüren des Universitätsverbandes zur Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses:
www.uniwind.org/publikationen
Der Konstanzer Kodex der Universität Konstanz:
www.uni-konstanz.de/nachwuchskodex
Die WR-Empfehlungen zu den Karrierezielen:
www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/4009-14.pdf
DUZ Magazin 08/2015 vom 24.07.2015