Der Lehre den richtigen Raum
Wie Räumlichkeiten für Lehrveranstaltungen ausgestattet sind, entscheidet mit über den Erfolg der Lehre. Deshalb sollte der Wahl des passenden Raumes mehr Beachtung als bisher geschenkt werden. Worauf Sie bei der Gestaltung der Lehre in unterschiedlichen Räumen achten sollten, erfahren Sie hier.
Bei der Beschäftigung mit Lehrräumen fällt auf, dass sich der überwiegende Teil der Literatur auf schulische Lern- und Lehrräume bezieht. Im Zusammenhang mit schulischen Settings wird die Wirkung von Lehrräumen umfassend diskutiert. Aber die Gestaltung von Räumen beeinflusst nicht nur das Lernverhalten von Kindern und Jugendlichen, sondern in vergleichbarer Weise auch das von erwachsenen Lernenden. Daher erscheint es sinnvoll und notwendig, sich auch an Hochschulen mit der Frage auseinanderzusetzen, wie Lehrräume effektiv genutzt werden können. Bei der Planung von Lehrveranstaltungen gerät dieser Aspekt meist in den Hintergrund. In der Regel werden Zeiten, Phasen, Lernziele, Inhalte, Methoden und Materialien berücksichtigt, während der Raum bei der Vorbereitung von Lehrveranstaltungen eher wenig Beachtung erfährt.
Die Gestaltung von Räumen beeinflusst das Lernverhalten von erwachsenen Lernenden
Im Allgemeinen beeinflussen Räume menschliches Handeln. Die deutsche Soziologieprofessorin Dr. Martina Löw definiert Raum als „relationale (An)Ordnung von Körpern, welche unaufhörlich in Bewegung sind, wodurch sich die (An)Ordnung selbst ständig verändert“(1). Räume können so gestaltet werden, dass sie Handlungen ermöglichen oder aber begrenzen. Im Hinblick auf Lehrräume bedeutet dies, dass sie Einfluss auf Lehren und Lernen haben und das Lernen fördern, erschweren oder gar verhindern können. „Lernräume sind Orte, wo Lehren und Lernen positiv aufeinander treffen (2).“
Je nach Lehrmethode sind Raum und Ausstattung unterschiedlich
Je nach Lehrmethode sind der erforderliche Raum und die benötigte Ausstattung unterschiedlich. Während diese bei Gliederungstechniken wie dem Mindmapping, der Diskussionsform Murmelgruppe oder der kooperativen Lernmethode Think-Pair-Share eher beliebig sind, sind eine feste Bestuhlung für eine Kleingruppenarbeit oder ein sehr kleiner Raum für eine Posterausstellung eher ungeeignet (zu den unterschiedlichen Methoden siehe Waldherr/Walter) (3).
Analog verhält es sich mit dem Verhältnis von Raumtypus und Lehrformaten: Je nach Raumtypus fallen die Lehrformate unterschiedlich aus. Neben einem klassischen Seminarraum und einem Hörsaal kann zwischen dem Raum im Freien, außergewöhnlichen Innenräumen wie zum Beispiel real nachgebauten Praxisräumen wie einem Gerichtssaal oder einem Krankenzimmer sowie einem virtuellem Raum unterschieden werden. Bei einem Seminarraum steht die Nutzung etwa für Seminare, Übungen, Planspiele oder Simulationen im Vordergrund, während ein Vermittlungsraum wie zum Beispiel ein klassischer Hörsaal durch eine optimale mediale Ausstattung gekennzeichnet ist. Reale Praxisräume, wie nachgebaute Gerichtssäle oder Krankenzimmer, werden als Handlungsraum bezeichnet und eignen sich für Simulationen. Im Freiraum finden Exkursionen statt, bei deren Planung und bei der Auswahl von Exkursionsorten Sie didaktische Aspekte wie die Studierenden- und Problemorientierung zugrunde legen sollten. Das Lernen im Internet erfolgt im virtuellen Raum, der unterschiedliche Varianten des E-Learning erlaubt. Dazu zählen etwa Simulationen, Videokonferenzen oder Lernplattformen.
An dieser Kategorisierung, die nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, lässt sich erkennen, dass die Gestaltung der Lehre von der Eigenschaft eines Lehrraumes abhängig ist. Findet die Lehre beispielsweise in realen Praxisräumen statt, kann das Gelernte unmittelbar angewendet werden. Hingegen eignet sich ein Vermittlungsraum, um die klassische Vorlesung zu halten. Achten Sie also bei der Vorbereitung Ihrer Lehrveranstaltungen darauf, in welchem Lehrraum die Veranstaltungen stattfinden. Genauso, wie nicht jede Methode für jedes Lernziel zweckdienlich ist, ist auch nicht jeder Lehrraum für jede Form der Lehre geeignet. Je nach Lehrmethode benötigen Sie einen bestimmten Raum und eine besondere Ausstattung, wobei es selbstverständlich Lehrmethoden wie die Think-Pair-Share gibt, die Sie beispielsweise sowohl im Hörsaal als auch im Seminarraum anwenden können.
Lehre in außergewöhnlichen Lehrräumen
Ungewöhnliche Lehrräume erleichtern es, den Bezug zur Berufspraxis herzustellen. Sie ermöglichen zudem, das theoretisch erlernte Wissen unmittelbar anzuwenden. Die Ruhr-Universität Bochum (RUB) hat beispielsweise an der Juristischen Fakultät ein Gerichtslabor aufgebaut, in dem Gerichtsverhandlungen nachgestellt werden können. Ein Projektbüro Bauen und Umwelt simuliert ein Großraumbüro, in dem für angehende Ingenieure zwölf Arbeitsplätze zur Verfügung stehen (4).
Die Besonderheiten dieser Räume bieten eine optimale Ergänzung zur klassischen Wissensvermittlung. Die Lehrinhalte werden nicht mehr lediglich einer fachsystematischen Logik folgend erarbeitet, sondern es können zudem Lerngegenstände aus der Perspektive der Handlungspraxis erschlossen werden. Dadurch wird zum einen die Lernmotivation der Studierenden erhöht, zum anderen werden unterschiedliche Lerntypen angemessen angesprochen. In den Lehrräumen wird den Studierenden die Arbeitswelt nähergebracht, sie erlernen Schlüsselkompetenzen für den späteren Beruf und vertiefen ihr fachliches Wissen.
In den unterschiedlichen Lehrräumen, das heißt etwa in außergewöhnlichen Innenräumen, im Freiraum, im virtuellen Raum sowie in konventionellen Räumen, gestaltet sich die Vorbereitung von Lehrveranstaltungen sehr verschieden. Während Sie bei Lehrveranstaltungen, die im Freien stattfinden, Aspekte wie Arbeitssicherheit, Witterung oder das didaktische Material, das dorthin transportiert werden muss, bedenken müssen, birgt der konventionelle Hörsaal die Vorteile der klaren Struktur und besseren Planbarkeit. Sie müssen also keine besonderen Umstände wie beispielsweise die Witterung berücksichtigen.
Darüber hinaus bietet ein klassischer Hörsaal oder Seminarraum den Studierenden wenig Ablenkung im Vergleich zur Lehre im Freien oder zu außergewöhnlichen Lehrräumen. Hier müssen sich die Studierenden in der Regel zunächst einmal orientieren und auf die Andersartigkeit einstellen. Es kann also etwas chaotischer vor sich gehen, sodass Sie klare Regeln für den Ablauf einer Lehrveranstaltung im Freiraum festlegen sollten. Diese sind im konventionellen Raum in der Regel bekannt.
Lehre in konventionellen Lehrräumen
Die oben aufgeführten Besonderheiten der Lehre in außergewöhnlichen Räumen wie beispielsweise der erleichterte Bezug zur Berufspraxis können aber auch in konventionellen Räumen hergestellt werden. So ist es auch in einem klassischen Hörsaal oder im Seminarraum durchaus möglich, berufspraktische Kompetenzen zu fördern und innovative Wege in der Lehre zu gehen. Ein Lehrender der Ingenieurwissenschaften der RUB nutzt den klassischen Hörsaal zum Beispiel zur Veranstaltung eines Wettbewerbs unter den Studierenden. Dazu werden die Studierenden zu Beginn der Veranstaltung in Gruppen eingeteilt (in diesem Fall 10 Gruppen à 10 Studierende), wobei jede Gruppe ein Team eines Ingenieurbüros darstellt. Sie erhalten einen Kundenauftrag, den es in den Gruppen zu bearbeiten gilt. Das Ziel ist, am Ende der Veranstaltung den Zuschlag dafür zu bekommen. Der Lehrende dient dabei als Lernbegleiter, beantwortet Fragen und berät die Studierenden.
Wie weiter oben erwähnt, ist ein fest bestuhlter Hörsaal prinzipiell weniger geeignet für die Methode der Kleingruppenarbeit. Daher sollten Sie in diesem Beispiel darauf achten, dass der Hörsaal über einen Mittelgang und nicht nur über zwei Außengänge an den Seiten verfügt. Das erleichtert Studierenden die Kommunikation mit der Lehrperson. Das Beispiel zeigt, dass die Lehre auch mit großen Studierendengruppen in gewöhnlichen Räumen innovativ gestaltet werden kann.
Im Allgemeinen sollten Sie bei der Vorbereitung einer besonderen Lehrveranstaltung in einem gewöhnlichen Lehrraum die Erwartungen der Studierenden antizipieren: Genauso wie Studierende in einem außergewöhnlichen Lehrraum auch außergewöhnliche beziehungsweise eine etwas andere Lehre erwarten, erwarten sie bei Betreten eines Hörsaals eine klassische Vorlesung. In der Regel betreten sie den Hörsaal deshalb mit einer eher passiven Haltung. Daher sollten Sie zu Beginn der Veranstaltung darauf hinweisen, dass die Sitzung anders verlaufen wird als erwartet, und sich auf eventuell auftretende Irritationen unter den Studierenden einstellen. Nutzen Sie diesen Überraschungseffekt, um Studierende für die Mitarbeit zu aktivieren.
Fazit
Räumlichen Settings kommt neben Inhalten, Zeit und Methoden im Rahmen der Lehre eine wichtige Bedeutung zu. Lehrräume, sowohl in den vier Wänden als auch im freien Gelände, wirken auf die Lehre ein und können zu einem didaktisch relevanten Faktor werden, den Lehrende beachten sollten.
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Fußnoten:
1) Vgl. Löw, Martina (2001): Raumsoziologie, Frankfurt a. M., S. 131
2) Vgl. Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Freiburg 2008/2.
3) Vgl. Waldherr, Franz; Walter, Claudia (2009): didaktisch und praktisch: Ideen und Methoden für die Hochschullehre. Stuttgart.
4) Weitere Beispiele aus der Ruhr-Universität Bochum finden Sie unter www.uv.ruhr-uni-bochum.de/ifb/archiv/lehrlounge/tagung.html
Raum korreliert mit Methode
Raum korreliert mit Methode
Räume beeinflussen menschliches Handeln. Für Lehrräume bedeutet dies, dass sie Einfluss auf Lehren und Lernen haben. Sie können das Lernen fördern, erschweren oder verhindern. In Abhängigkeit von der Lehrmethode sind der Raum und die dafür notwendige Ausstattung unterschiedlich.
Tipp: Achten Sie bei der Vorbereitung Ihrer Lehrveranstaltungen darauf, in welchen Lehrräumen diese stattfinden. Nicht jeder Raum ist für alle Formen der Lehre geeignet. Je nach Lehrmethode brauchen Sie einen bestimmten Raum und eine besondere Ausstattung.
Tipp: Antizipieren Sie die Erwartungen der Studierenden: In einem außergewöhnlichen Lehrraum erwarten diese auch eine besondere Lehre, in Hörsälen dagegen eher eine klassische Vorlesung. Weisen Sie die Studierenden zu Beginn der Veranstaltung gegebenenfalls auf die Lehrmethode hin.
DUZ Magazin 03/2015 vom 20.02.2015