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„Man muss nicht einmal gut lügen“

Es ist leicht, jemanden zu überführen, der in Geschäftsgesprächen lügt, sagt Prof. Dr. Jack Nasher von der Münchener Business School. Der Wirtschaftspsychologe erklärt, wie es geht – und was man davon hat.

duz: Herr Nasher, Sie gehen davon aus, dass wir in Verhandlungen ständig belogen werden.

Nasher: Viele Gesprächspartner lügen vielleicht nicht direkt, aber sie sagen nicht alles, informieren ihr Gegenüber nicht über die Alternativen, die neben ihrem Angebot möglich wären. Der Prof verheimlicht, dass er mit einer weiteren Hochschule im Gespräch ist, die aber noch weniger Personal und Geld geben will als diese. Der Rektor teilt dem Prof nicht mit, dass die Finanzierung auf wackeligen Füßen steht. Jeder meint, wenn er mit offenen Karten spielt, weniger herausschlagen zu können. Und pokert.

duz: Dem anderen auf den Leim zu gehen, kann teuer sein, sagen Sie. 

Nasher: Durchschaut man nicht, dass jemand nur versucht, den Preis zu treiben, zahlt man meist mehr, als angemessen oder nötig ist.

duz: Aber gehört dieses Spiel mit der Wahrheit nicht zum Handeln dazu?

Nasher: Es ist normal, zu lügen. Man muss die Sache aber beim Namen nennen. Wenn mein Englisch nicht wirklich verhandlungssicher ist, ich das aber angebe. Oder: Wenn ich erkläre, mich in Spieltheorie gut auszukennen, aber tatsächlich wenig Ahnung davon habe, ist das eben eine Lüge.

duz: Und wie entlarvt man das nun?

Nasher: Was haben Sie selbst bei Ihrer letzten Lüge gefühlt? In der Regel sind das Angst und Schuld. Und beide Gefühle kann man bei seinem Gegenüber schnell ausmachen, wenn es keinen Grund – außer eben der Lüge – für eine solche Reaktion gibt. Eigentlich muss man da nur auf seine Intuition hören. Es gibt aber auch ganz klare Anzeichen dafür. Bei Angst werden die Augen groß, die Mundwinkel ziehen sich nach hinten, die Stimmlage wird höher, man fängt an zu stottern, wiederholt sich. Schuldgefühle wiederum sind mit einem schlechten Gewissen verbunden und damit, dass man sich von einer Tat distanzieren will. Das sieht dann so ähnlich aus, als sei man traurig: Die Augen blicken ins Leere, die Mundwinkel gehen nach unten.

duz: Dieses Wissen kann ich doch auch gut nutzen, um besser zu lügen.

Nasher: Stimmt. Aber in der Regel muss ich nicht einmal gut lügen. Wir Menschen sind sowieso nicht gut darin, Unwahrheiten aufzudecken. Männer sind da oft zu wenig feinfühlig, Frauen zu entgegenkommend.

duz: Zu welchen speziellen Fragetechniken raten Sie?

Nasher: Professionelle Vernehmer der Polizei und der Geheimdienste nutzen in Verhören sogenannte Köderfragen: Sie gaukeln ihrem Gegenüber vor, etwas zu wissen, was ihnen gar nicht bekannt ist. Spielt nun der Rektor etwa darauf an, mit dem Kanzler der Hochschule gut bekannt zu sein, die dem Prof das angeblich so hervorragende Angebot vorgelegt hat, verunsichert er sein Gegenüber – das dann eher mit der Sprache herausrückt.

Die Fragen stellte Marion Koch.

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