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Hochmut vor dem Fall

Egal, in welcher Branche: Im Beruf ist es gut, sich selbst möglichst realistisch einschätzen zu können. Das ist gar nicht so leicht, wie die Entscheidungsforschung lehrt. Klassiker des getrübten Blicks.

Mehrmals täglich treffen wir Entscheidungen. Zwei häufige Fehler, die wir dabei machen: Wir neigen einerseits allzu oft zur Selbstüberschätzung, andererseits greift selektive Wahrnehmung um sich und wir entscheiden aufgrund gefilterter Informationen. „Wir sind nicht nur blind, sondern oft auch blind dafür, dass wir blind sind für manche Informationen“, sagt Professorin Dr. Elisabeth Göbel, „so vertun viele die Chance, etwas zu verbessern.“ Die Wirtschaftswissenschaftlerin lehrt und forscht an der Universität Trier und erforscht Entscheidungen in Unternehmen. Dabei nimmt sie auch die Selbsteinschätzung sowie das Filtern von Informationen unter die Lupe – denn beide gehen Hand in Hand.

Grundsätzlich gilt: Obwohl Menschen Fehler machen, haben die meisten im Allgemeinen eine sehr hohe Meinung von ihren Fähigkeiten. Diese Tretmine lauert im Privatleben ebenso wie im Berufsalltag. Am Beispiel Eheschließungen wird es anschaulich: „Die Wahrscheinlichkeit einer Scheidung ist heutzutage relativ hoch. Das weiß eigentlich jeder. Trotzdem heiraten viele und nehmen an, dass ihre Ehe auf jeden Fall halten wird“, sagt Göbel. Aus der Selbstüberschätzung – meine Ehe scheitert doch niemals – resultiert also die selektive Wahrnehmung. „Harte statistische Daten werden gerne ignoriert“, sagt Göbel. Allerdings räumt die Wissenschaftlerin ein, dass die sogenannte Kompetenzillusion auch ihre guten Seiten haben kann. „Denn wie viele Projekte wären womöglich niemals angefangen worden und schließlich erfolgreich verlaufen, wenn man gewusst hätte, was alles schiefgehen kann“, sagt die Wissenschaftlerin.

„Wenn wir unsicher sind, nehmen wir häufig mentale Abkürzungen“

Dass wir unsere Entscheidungen eher selten rein rational treffen, bestätigt Dr. Birte Englich. Sie ist Professorin für Angewandte Sozialpsychologie und Entscheidungsforschung an der Universität zu Köln und hat unter anderem erforscht, welche mentalen Abkürzungen wir wählen, wenn wir in unseren Entscheidungen unsicher sind. Beispielsweise stehen drei Jobs zur Auswahl, auf die man sich bewerben kann. „Sicherlich wägen die meisten Menschen Vor- und Nachteile ab“, sagt Englich, „doch wenn eine Vorentscheidung für einen bestimmten Job getroffen ist, nehmen wir eher nur noch die Informationen wahr, die diese Vorentscheidung untermauern.“ Wir versteifen uns quasi auf diese eine Lieblingsposition. „Psychologen nennen das konfirmatorische Informationsverarbeitung“, sagt Englich. Wer das weiß, kann sich bewusst nochmals die jeweiligen Vor- und Nachteile der Alternativen ins Gedächtnis rufen, empfiehlt sie, um nicht in die Entscheidungsfalle für den vermeintlichen Lieblingsjob zu tappen. Elisabeth Göbel gibt den Tipp, eine Vertrauensperson mit ins Boot zu holen: „Der andere hat zwar auch seine blinden Flecken, aber in anderen Bereichen.“

Bevor wir uns also entscheiden, gilt es, so viele Informationen wie möglich vorab zu erhalten, sagt Göbel. Wer beispielsweise ein größeres Projekt plant, sollte sich so viele Daten wie möglich zu Kosten und Zeitplan vergleichbarer Projekte anschauen und erst dann Entscheidungen treffen. Zudem rät Elisabeth Göbel, bei Kosten und Zeit noch einen Aufschlag draufzulegen. Bei Personalentscheidungen ist ein gutes Mittel, Bewerbungen so weit wie möglich zu anonymisieren. „So muss man sich auf die Fakten konzentrieren und ist gezwungen, daraus seine Entscheidungen für oder gegen den Bewerber zu treffen, ohne sich durch Vorurteile, die jeder hat, ablenken zu lassen“, erläutert Göbel. Bei der eigenen Karriereplanung kann helfen, nicht nur den einen Weg zu sehen. „Auch für Änderungen sind wir oft blind“, sagt Elisabeth Göbel, „wir schränken uns dadurch viel zu sehr ein und lassen manche Alternative außer Acht.“

Ist erst einmal ein Beschluss gefasst, greift nicht selten noch einmal die Selbstüberschätzung. „Das hätte ich vorhersehen und anders entscheiden müssen“ ist eine  häufige Reaktion, wenn etwas schiefgegangen ist. „Wir dürfen nicht ignorieren, dass wir diese zusätzliche Information, dass etwas schiefgehen könnte, zum Zeitpunkt der Entscheidung gar nicht zur Verfügung hatten“, sagt Elisabeth Göbel. Doch es gibt Trost: Jeder habe grundsätzlich die Tendenz zur sogenannten Nachentscheidungsdissonanz, sagt Birte Englich, man trauert der nicht gewählten Alternative nach. Ihr Tipp: Die Sache möglichst bald endgültig abzuschließen und die getroffene Entscheidung anzunehmen.

Erkenne dich selbst

Erkenne dich selbst

Ich habe die freie Wahl – und kann mich nicht entscheiden. Schritte, die helfen können, zum Ziel zu gelangen:

Informationen sammeln
Sammeln Sie zu jeder Wahlmöglichkeit so viele Informationen wie möglich. Seien Sie dabei so objektiv wie möglich, denn es besteht die Gefahr, dass wir Informationen übersehen, weil unser Gehirn sie aufgrund unserer Erfahrungen und Vorurteile filtert.

Gedächtnis aktivieren
Erinnern Sie sich, ob und wann Sie in der Vergangenheit ähnliche Entscheidungen getroffen haben, und überlegen Sie, wie Sie damals entschieden haben.

Kollegen fragen
Wie würden sie sich entscheiden? Fragen Sie Kollegen – nach dem Motto: Vier Augen sehen mehr als zwei.

In die Zukunft blicken
Was könnte jeweils passieren? Versuchen Sie, alle Varianten durchzuspielen und mögliche Szenarien zu entwerfen.

Mindmap erstellen
Schwarz auf weiß sieht manches klarer aus. Machen Sie sich eine Liste mit allen Alternativen und führen Sie deren Vor- und Nachteile auf.

Internet: www.gedaechtnisbuero.de/Images/Entscheidungsmanagement.pdf

Buchtipp

Ja, nein, vielleicht

Es gibt Theorien, die beschreiben, wie ein rationaler Entscheider vorgehen sollte. Und es gibt welche, die beschreiben, wie Menschen tatsächlich Entscheidungen treffen. In ihrem Buch „Entscheidungen in Unternehmen“ verknüpft Dr. Elisabeth Göbel, Professorin an der Universität Trier, beide Zweige der Entscheidungslehre.

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