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Gestritten wird viel, und häufig geht es um scheinbare Kleinigkeiten. Aber offen ausgetragen werden Konflikte selten. Das ist auch unter Wissenschaftlern so. Doch eine Studie zeigt, dass sich immer mehr Hochschulen damit auseinandersetzen.

Wissenschaftler sind auch nur Menschen. Und wo Menschen zusammenkommen, wird über kurz oder lang gestritten. Eine Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, die jetzt erschienen ist (siehe Infokasten unten), zeigt, dass es unter Wissenschaftlern regelmäßig kracht. Mehr als die Hälfte (52,4 Prozent) der befragten Hochschulen schätzen die Konflikthäufigkeit an ihrer Institution als mittel ein, was mehrere Konflikte pro Monat bedeutet. Hochschulen sind also keineswegs Biotope eines friedlichen Miteinanders reflektierter Experten, wie es sich manch einer vorstellt.

Konfliktherde gibt es viele. Joachim Müller, Projektleiter für den Bereich Sicherheit und Gesundheit bei der HIS-Hochschulentwicklung im Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), zählt einige auf: „Das Spannungsfeld zwischen Lehre, Forschung und Verwaltung. Konkurrenzkämpfe zwischen Wissenschaftlern. Druck durch leistungsbezogene Besoldung sowie zunehmender Arbeitsdruck durch administrative Aufgaben, aus dem schnell Verteilungskonflikte entstehen. Mangelnde Wertschätzung und Hierarchie-Konflikte – etwa zwischen Doktoranden und Professoren.“

Ein Beispiel aus der Arbeitshölle

Wie Wissenschaftler einander ganz konkret den Arbeitsalltag zur Hölle machen können, zeigt folgende kleine Geschichte: Eine junge Fakultätsmanagerin ist sehr engagiert. Sie gestaltet die strategische Ausrichtung der Fakultät mit. Eigentlich ein super Job. Wenn da nicht dieser Professor wäre, der ihre Arbeit blockiert.
In seinem Büro an der Universität lässt er sich nur blicken, wenn Lehrveranstaltungen anstehen, und er ist selten bis nie erreichbar. Dringend braucht die Fakultätsleitung für ein Strategiepapier inhaltlichen Input, den nur dieser Professor liefern kann. Die Fakultätsmanagerin ist dafür zuständig, dass die Infos fließen. Aus Ärger wird bald Dauerfrust, schließlich Zorn auf den kommunikations- und kooperationsunwilligen Wissenschaftler. Was tun? Runterschlucken und durch – oder aus der Welt schaffen?

Die Kollegin möchte diesen Konflikt persönlich klären, doch der Professor reagiert  nicht. Hilfesuchend wendet sie sich an den Dekan. Der sagt: „Wenn der Kollege nicht will, kann ich leider wenig tun.“ Er selbst möchte sich nicht unbeliebt machen, indem er Druck auf einen Kollegen ausübt. Davon, mit dem Konfliktberater der Uni zu sprechen, rät der Dekan ab. Dass er gerne zum Vize-Präsidenten gewählt werden möchte, spielt vielleicht auch eine Rolle.

Gepflegte Feindschaft unterm Deckel

Es ist ein klassischer, langsam schwelender, nicht offen ausgetragener Konflikt, wie er sich vielerorts abspielen könnte. In der Hochschule kommen besondere Umstände hinzu, die eine Lösung schwierig machen (siehe auch duz MAGAZIN 09/2013 S. 21ff.). Ein Grund: Professoren sind zumeist niemandem weisungsgebunden. Außerdem: Mit Problemen nach außen, gar zu einem Konfliktberater zu gehen, ist „mit dem Habitus von Professoren, die sich selbst ja einer intellektuellen Elite zugehörig fühlen, kaum vereinbar“, sagt Dr. Sigrun Nickel, die im Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) unter anderem für den Bereich Hochschulgovernance und Karriereentwicklung zuständig ist. Gleichzeitig gebe es eine „Kultur der Konfliktvermeidung“. Der (Fakultäts-)Frieden soll an der Oberfläche gewahrt werden – alles andere würde Forschung und Lehre stören. Organisationssoziologin und Hochschulcoach Dr. Ute Symanski spricht in diesem Zusammenhang auch von „kollegialer Schonung“. Oder anders: Der Konflikt wird unter den Teppich gekehrt. Doch wie lassen sich speziell an Hochschulen dann Streite austragen?

Die Autoren der jetzt erschienenen Studie, Dr. Alfons Matheis, Professor für Kommunikation und Ethik an der Hochschule Trier, und Dr. Josef Hoormann, Mediator, Berater und Konfliktmanager, haben sich dem Thema erstmals quantitativ genähert. Sie verschickten Fragebögen und führten zudem Interviews mit Vertretern von zwei Universitäten und drei Fachhochschulen: Wie viele Hochschulen verfügen über feste Anlaufstellen für die Konfliktberatung? Wer kümmert sich darum? Welche Instrumente nutzen die Hochschulen zur Konfliktbewältigung? Und erreichen diese auch das wissenschaftliche Personal?

Die Autoren kommen zu dem Schluss: Ein besonderes akademisches Konfliktmanagement – im Vergleich etwa mit Wirtschaftsunternehmen – braucht es eigentlich nicht. Nur müssen die Instrumente der Konfliktberatung und -schlichtung der besonderen Situation von Wissenschaftlern angepasst werden.

„Hochschulen sind komplexe Organisationen besonderer Art“

Zwei Planeten? Nein, zwei Welten!

Denn: „Hochschulen sind komplexe Organisationen besonderer Art“, sagen die Autoren. Sie unterscheiden sich von Wirtschaftsunternehmen und anderen Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung allein schon durch die meist scharfe Trennung in den „Planeten Verwaltung“ und in den „Planeten Wissenschaft“. Und frei schwebend darüber oder daneben befinden sich eben die Professoren als „besondere Akteursgruppe mit hoher individueller Autonomie“.

Immerhin hat die Hälfte der an der Studie teilnehmenden Hochschulen entsprechende Regelungen oder Dienstvereinbarungen zum Umgang mit Konflikten am Arbeitsplatz bereits etabliert – an die Hochschullehrer allerdings meistens nicht gebunden sind. An der Universität Mainz gibt es deshalb beispielsweise Leadership-Leitlinien, die auf die besondere Verantwortung von Führungskräften Bezug nehmen. Und damit sind auch Professoren gemeint.

Offenbar erkennen immer mehr Hochschulleitungen, dass ignorierte Konflikte eskalieren und dann der gesamten Einrichtung schaden können. Denn speziell Hochschulen mit technisch-naturwissenschaftlichem Schwerpunkt befinden sich in hartem Konkurrenzkampf mit der Wirtschaft um exzellente Wissenschaftler. „Da die Wirtschaft oft deutlich höhere Gehälter zahlen kann, müssen wir als Universität auch mit sogenannten weichen Faktoren überzeugen – und dazu gehört ein offener und konstruktiver Umgang mit Konflikten, die den Arbeitsalltag beeinträchtigen könnten“, sagt etwa Dr. Bettina Buhlmann, Kanzlerin der Universität Stuttgart. Eine hochschul-interne Erhebung zu Fortbildungswünschen hätte zudem ergeben, dass sich 34 Prozent aller Beschäftigten Fortbildungen zum richtigen Umgang mit Konflikten wünschten.

Die Ansprechpartner für Konfliktberatung an Hochschulen sind vielfältig: Sie reichen von der Stabsstelle im Präsidialamt über den Personalrat, Ombudspersonen und Gleichstellungsbeauftragten bis hin zu sozialpsychologischen Beratungsstellen, Beauftragten für Arbeits- und Gesundheitsschutz, Konfliktlotsen und (externen) Mediatoren. An der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg beispielsweise gehören vier Konfliktlotsen – ein Vollzeitbeschäftigter, drei Ehrenamtliche aus allen Hochschulbereichen – zum Arbeitsschutz-, Konflikt- und Umweltmanagement. An der Universität Mainz wiederum erfüllt ein wissenschaftlicher Mitarbeiter, der mit zehn Stunden von seinen sonstigen Pflichten dafür abgeordnet ist, die Funktion des Konfliktberaters. Er ist in das Beratungsnetzwerk der Uni integriert, zu dem auch die Frauenbeauftragte und die psychotherapeutische Beratungsstelle gehören.

Entscheidend dabei ist: In ihrer Tätigkeit agieren die Konfliktberater weisungsunabhängig und arbeiten eng mit den Personalräten zusammen, an die sich ratsuchende Mitarbeiter oft als Erstes wenden. Das Angebot der Konfliktberatung wird laut Studie häufiger von Angestellten aus dem Verwaltungsbereich angenommen.

Tolles Angebot, aber nicht für mich

Von den Hochschulen kommt meist die Rückmeldung, dass Konfliktberatung zwar in Anspruch genommen werde, jedoch häufiger aus dem Verwaltungsbereich.
Und offenbar wollen nicht nur Professoren ihre Konflikte ungern nach außen tragen, auch Nachwuchswissenschaftler halten sich sehr oft damit zurück, berichten verschiedene Konfliktberater. Die Abhängigkeitsverhältnisse auf befristeten Stellen lassen sie den Druck lieber zwei, drei Jahre lang ertragen, als gegen ein belastendes Arbeitsklima etwas zu unternehmen – dem wissenschaftlichen Weiterkommen zuliebe.
Dagegen sind die Konfliktberater weitgehend machtlos. Die an der Uni Stutt¬gart zuständige MFT-Mitarbeiterin Pauline Vogel sagt: „Es gibt keine verpflichtende Dienstanweisung, die Mitarbeiter zur Konfliktbearbeitung zwingt. Das wäre eher kontraproduktiv – denn durch Zwang lassen sich Konflikte in der Regel nicht lösen.“

„Führungsqualität heißt auch, Konflikte nicht zu vertuschen“

Schlüsselrolle der Professoren

Ob Streits an Hochschulen – insbesondere mit beteiligten Professoren – erfolgreich aus der Welt geschafft werden, hängt für Helmuth Gramm, Konfliktberater an der HAW in Hamburg, auch viel an der Führungskompetenz der Professoren. „Sie sind im Grunde wie Ein-Mann-Unternehmen, die vor allem ihre fachliche Arbeit im Blick haben“, sagt er, „dass sie aber in ihrer Position Führungskompetenz benötigen, nehmen viele nicht wahr. Führungskompetenz bedeutet auch, Konflikte im Projekt-Team nicht unter den Teppich zu kehren und sich, wenn nötig, Unterstützung durch einen Konfliktlotsen zu holen.“

Da viele Konflikte durch die für Hochschulen typischen hierarchischen Binnenstrukturen verursacht werden, könnte es helfen, sich auszutauschen. Über 80 Prozent der Hochschulen in der aktuellen Studie signalisierten dafür großes Interesse. Dies spiegelt sich auch bei den Treffen des Netzwerks Konfliktmanagement und Mediation an Hochschulen wider, die die HIS-Hochschulentwicklung regelmäßig veranstaltet und an denen im Schnitt an die 50 Interessierte teilnehmen. Prof. Dr. Klaus Maas, Umweltinformatiker und Vertrauensperson für Konfliktfragen an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe, war auch dabei und sagt: „Ich finde es wichtig, sich überhaupt über das Thema offen austauschen zu können. Und zu sehen, wie Kollegen an anderen Hochschulen solche Situationen lösen, hilft mir sehr.“

Die Studie

Die Studie

Gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung haben Dr. Alfons Matheis, Professor für Kommunikation und Ethik an der Hochschule Trier, und Dr. Josef Hoormann, Mediator, Berater und Konfliktmanager, erstmals quantitativ untersucht, wie es um das Konfliktmanagement an deutschen Universitäten und Fachhochschulen bestellt ist. Von 240 kontaktierten Hochschulen haben gut ein Drittel die Fragen beantwortet, zum Beispiel: Wie viele Hochschulen verfügen über feste Anlaufstellen für die Konfliktberatung? Wer kümmert sich darum? Welche Instrumente nutzen die Hochschulen zur Konfliktbewältigung? Und erreichen diese auch das wissenschaftliche Personal? Zudem wurden Interviews mit Vertretern von zwei Unis und drei Fachhochschulen geführt.

Literatur/Buch: Josef Hoormann, Alfons Matheis: Konfliktmanagement in Hochschulen. Aspekte systematischer Konfliktbearbeitung in ausgewählten Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland; Verlag Detlev Reymann, Geisenheim 2014, 152 Seiten, 9,90 Euro

Wer oder was hilft

Wer oder was hilft

  • Ombudsperson bezeichnet eine Vertrauensperson. An Hochschulen sind dies zum Beispiel Ansprechpartner beim Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten. Sie sind aber auch die erste Anlaufstelle bei Konflikten am Arbeitsplatz. Wichtiges Merkmal: Eine Ombudsperson ist weisungsungebunden und neutral. 
  • Konfliktlotsen sind Beschäftigte – sowohl Wissenschaftler als auch Verwaltungsmitarbeiter – , die als Ansprechpartner bei Konflikten fungieren. Sie führen eine erste Konfliktanalyse durch, versuchen, den Konflikt in konstruktive Bahnen zu lenken, und vermitteln gegebenenfalls an weitere Stellen wie Suchtberatung, Einzel-Coaching oder Mediation. Konfliktlotsen agieren ebenfalls weisungsunabhängig.
  • Mediator bezeichnet eine neutrale Person, die geschult ist, Mediation anzuwenden – ein strukturiertes Verfahren, um gemeinsam mit den Konfliktparteien eine Einigung zu erarbeiten. Ziel einer Mediation ist eine Vereinbarung auf Augenhöhe zwischen den Streitparteien.
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