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Warum gute Chefs auf Tratsch hören

Der kurze Austausch am Kaffeeautomat, der Zuruf auf dem Gang. Informelle Gespräche und Klatsch können das Arbeitsklima fördern, aber auch stören. Wie kriegen Chefs mit, was getratscht wird?

Es geschah am helllichten Tag. Genauer gesagt an einem Mittwochvormittag im April, kurz vor dem Start des Sommersemesters. Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte, Dekan der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften an der Uni Duisburg-Essen, bittet zur Flurfunk-Party. Andere würden die Aktion vielleicht gestelzt Fakultätsbegrüßungsfeier nennen und damit unwillkürlich  eine Idee torpedieren, die so einfach wie gut ist: Niemand schafft es, diesen speziellen Informationskanal zum Verstummen zu bringen. Es ist besser, ihn offensiv zu fördern.
So wie Karl-Rudolf Korte mit seiner Flurfunk-Party.

„Flurfunk ist doch was ganz Normales, Menschen unterhalten sich eben“

„Flurfunk ist doch was ganz Normales, Menschen unterhalten sich eben“, sagt Prof. Dr. Lothar Rolke. Er lehrt Betriebswirtschaft und Unternehmenskommunikation an der Fachhochschule Mainz und weiß:  Was heute in sozialen Medien heiß diskutiert wird, ist für den Flurfunk oft schon kalter Kaffee. Es gibt keinen Informationskanal, der seine Rezipienten so zuverlässig erreicht wie er. Er ist an der Kaffeetheke zu empfangen, an der Türschwelle, im Aufzug und in der Tiefgarage. Überall dort, wo sich Beschäftigte begegnen. „Ich kann Kommunikation nicht unterbinden, aber ich kann gezielt intervenieren. Dafür sorgen, dass eine positive Kommunikationskultur entsteht“, sagt Rolke.

Frank-Peter Kaup, Personalratsvorsitzender an der Universität Münster, tut genau das: „Wir nehmen die Informationen ernst und versuchen, die entscheidenden Botschaften auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu untersuchen.“ Das ist gar nicht so leicht, denn das Flurfunk-Programm bietet jede Menge Ausschuss. „Wer mit wem, also der Regenbogenpresse-Anteil, interessiert uns nicht. Aber bei Hinweisen wie ‚da läuft was schief‘, da haken wir gezielt nach“, sagt Kaup. Bitter nötig ist das nicht zuletzt, weil der Flurfunk nicht konstruktiv ist. Er bietet keine Lösungsansätze. „Das ist eigentlich sehr schade, dass diese Dimension völlig ausgeblendet ist“, sagt Kaup. Den meisten Arbeitgebern ist die Mund-zu-Mund-Propaganda denn auch ein Dorn im Auge. Sie stören sich am Getuschel, dabei ist es nichts weiter als ein Signal für mangelhafte Kommunikation.

Claudia Mast: „Gute Chefs und Chefinnen haben das Ohr an der Gerüchteküche“

„Der Flurfunk lebt von Defiziten – zum Beispiel von nicht beantworteten Fragen, unglaubwürdigen Antworten, unklaren Aussagen, beliebigen Hinweisen, missverständlichen Erklärungen und Andeutungen oder einem unentschlossenen Taktieren“, erklärt Dr. Claudia Mast, Professorin für Kommunikationswissenschaft und Journalistik an der Universität Hohenheim (Stuttgart). „Gute Chefs oder Chefinnen haben zwar das Ohr an der Gerüchteküche, dämmen sie aber in ihrem Verantwortungsbereich ein durch eine offensive, ehrliche und kontinuierliche Kommunikation“, sagt Mast. Genauso sieht das  ihr Mainzer Kollege, Lothar Rolke: „Vorgesetzte sollten Offenheit und Transparenz pflegen.“ Sie sollten das Gespräch suchen, und zwar nicht nur im eigenen Büro, auch in der Mensa, am Kaffeeautomaten. „Gerade dann, wenn harte Entscheidungen anstehen, wie Entlassungen oder Umstrukturierungen, muss eine offene Kommunikationspolitik stattfinden“, rät Rolke.

In Phasen wie diesen zeigt der Flurfunk seine zerstörerische Seite. Gerüchte können das Betriebsklima gefährden, negative Vorurteile gegenüber Projekten und Vorhaben, aber auch gegenüber Personen verstärken. In jedem Fall aber kostet informelle Kommunikation jede Menge Zeit und Energie. „Sie kann zum richtigen Zeitfresser werden, wenn in zahllosen informellen Gesprächen und Kontakten mühsam ein Mosaik-Bild zusammengesetzt werden muss“, erklärt Mast. Doch gibt es eben auch die andere Seite: In gut eingespielten Netzwerken kann informelle Komunikation äußerst leistungsfähig sein. Aktive Netzwerker profitieren davon. Und am Ende auch die Organisation. Tratschen schafft Gemeinschaft.

In aller Kürze

In aller Kürze

Der beste Nährboden der informellen Kommunikation ist eine mangelhafte Information. Intransparentes Handeln befördert den Flurfunk zusätzlich. Wenn die Personalabteilung beispielsweise Vorstellungsgespräche führt und die Stelle trotzdem nicht binnen zwei Monaten besetzt ist, hat der Flurfunk reichlich Stoff.

Der Nutzen eines florierenden Informationsnetzwerks liegt in einer erhöhten Kooperationsbereitschaft der Beschäftigten. Flurfunk kann die Zusammenarbeit fördern und helfen, Probleme und Aufgaben schneller zu bewältigen. Je besser der informelle Kommunikationsfluss ist, umso höher ist die Zufriedenheit mit der formellen Kommunikation.

Die Gefahr bei der informellen Kommunikation liegt darin, dass sie den Betriebsfrieden stören kann und vertrauliche Informationen streut. Daraus können Gerüchte entstehen, die wiederum der Diffamierung von Arbeitskollegen dienen können. Tratsch kann ein Instrument von Mobbing sein und bis hin zur üblen Nachrede und Verleumdung reichen.

Die Bedeutung des Flurfunks ist in keinem Fall zu unterschätzen. Dies zeigt nicht zuletzt die Doktorarbeit von Vanessa von Thenen Menna Barreto, vorgelegt an der Freien Universität Berlin am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie. In der Arbeit geht die Wissenschaftlerin der Frage nach, wie relevant informelle Kommunikation für lernende Organisationen sein kann. In der Dissertation ist das Thema umfassend und umsichtig auch mit Hilfe eigener Datenerhebungen aufbereitet worden. Die Arbeit steht kostenlos zum Download im Internet bereit.

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