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Die Chance heißt PR

Seit Wochen diskutieren Experten und Praktiker mittlerweile über Standards für die Wissenschaftskommunikation. Stopp, sagt ein PR-Wissenschaftler jetzt, die Mühen sind widersinnig, die Debatte vernebelt das eigentliche Problem. Ein Zwischenruf.

 

Als eifriger duz-Leser habe ich mich gefreut über den Schwerpunkt Wissenschaftskommunikation (duz MAGAZIN 07/2014, S. 24ff.) – denn damit hat die Redaktion etwas getan, was viele der Kollegen, die sich in Akademien und Stiftungen jetzt mit den Regeln und Maßstäben guter Wissenschaftskommunikation beschäftigen, offenbar nicht getan haben: sich umschauen, was es alles schon gibt. Und dabei sind einige der Vorschläge (siehe Kasten rechts) natürlich bestimmt gut, wobei mir selbst das Sanktions-Prinzip ebenso unsympathisch ist wie der Pranger. Vor allem die Ansätze des Siggener Kreises sind bedenkenswert, weil sie unvoreingenommen und pragmatisch wirken. Einige Vorschläge, die in der Diskussion gemacht werden, sehen aber entweder von der Realität ab oder wählen einen falschen Ausgangspunkt. Auf einige dieser Missverständnisse möchte ich (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) eingehen.

1.  Ausgangspunkt muss die Verpflichtung der Wissenschaft auf Öffentlichkeit sein. Wissenschaft ist immer für „Andere“, wie der Züricher Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Mike S. Schäfer schreibt. Öffentlichkeit (auch während der Laufzeit eines Projektes) ist damit Pflicht und nicht verhandelbar. Und das gilt umso mehr, wenn öffentliche Förderungen genutzt werden. Statt nur Zwischenberichte zur Mittelverwendung einzufordern, sollten Drittmittelgeber die Kommunikation der (Zwischen-)Ergebnisse gleich zur Bedingung ihrer Förderung machen. Sich verständlich zu machen und für den Nutzen der eigenen Forschung argumentieren zu lernen, wird damit zur Aufgabe aller Forscher. Das trägt dazu bei, dass sie selbst sich stärker in Beziehung zur Gesellschaft setzen und ermöglicht dieser zumindest in Ansätzen, nachzuvollziehen, was Anliegen und Inhalt der Forschungsarbeit sind.

2.  Kommunikatoren, die vom Siggener Kreis zutreffend als Manager und Lotsen der Wissenschaftskommunikation beschrieben werden, fristen in der Stellungnahme der Akademien eher ein Schattendasein. Stattdessen schaut man auf die immer kleiner werdende Zahl der Journalisten und beklagt das langsame Verschwinden des gehobenen Wissenschaftsjournalismus – ganz so, als ließe sich der Trend der medialen Entwicklung dadurch umkehren, dass der Gesetzgeber und Stiftungen Förderprogramme für Wissenschaftsjournalisten aufsetzen. Das ist kurzsichtig. Viel eher sollte man – wie bereits viele Unternehmen heute – die Kommunikationskompetenz der einzelnen Hochschulen und Fachbereiche stärken. Vereinzelt wird das auch schon getan (etwa in den Exzellenz-Clustern). Es braucht Experten für die Produktion von Bewegtbild, für die Visualisierung von Erkenntnissen und Forschungsergebnissen. Diese Fachkommunikatoren können in Zusammenarbeit mit den Kommunikationsabteilungen der Hochschulen und Forschungseinrichtungen im täglichen „Doing“ dafür sorgen, dass die Produktion der Materialien im Geist guter wissenschaftlicher Praxis geschieht. Trotzdem ist das natürlich PR, also Öffentlichkeitsarbeit.

3.  Das bessere Argument überzeugt nicht von allein; es braucht die gute Darstellung, es braucht Kontext, es braucht (bewegte) Bilder und Emotion – mit einem Wort: Storytelling und Inszenierung. Hervorragende Kommunikationskompetenz wird immer mehr darüber entscheiden, ob ein Projekt weiterhin Förderung erhält. Und damit ist nicht der ungewollte „Hype“ (von dem gern die Rede ist) das Problem, sondern die mangelnde Kommunikationskompetenz der Wissenschaft! Ein zentrales Science Media Center macht Sinn, aber nur als Ausbildungs- und Anlaufstelle für die Wissenschaft und für Forschende,  nicht für Journalisten. Die Vertreter der Medien selbst sind professionell genug und haben auch genügend Standards (wie etwa den Passus über unangemessene Medizinberichterstattung im Pressekodex). In einer Zeit, in der die massenmediale Berichterstattung aber flächendeckend auf Unterhaltungsorientierung und Boulevardisierung umstellt, befreit das den Wissenschaftsbetrieb nicht von der Pflicht, die Vorprodukte beispielsweise für Redaktionen, Blogger, Bürgerjournalisten so aufzubereiten, dass diese mit dem gelieferten Material möglichst gut arbeiten können. Auch das ist Öffentlichkeitsarbeit, die die Wissenschaft leisten sollte und von der sie profitiert.

4.  Anreizsysteme für gute Kommunikation zu schaffen (wie Preise und Leuchttürme), ist wichtig und sinnvoll. Noch wichtiger aber ist, die Kommunikation zum integralen Bestandteil jedes Forschungsprojekts zu machen. Und das nicht nur aus legitimatorischen Gründen, sondern auch, um die Öffentlichkeit ernsthaft an der Wissensproduktion teilnehmen zu lassen und sie in den Dialog einzubeziehen. Das geht nicht ohne professionelle Kommunikationsangebote. So lange es aber so ist, dass mir auf einem Kongress auf meine Aufforderung, die im Vortrag erörterten Ergebnisse auch für Praktiker aufzubereiten, eine Kollegin entgegenhalten kann, sie brauche die ganze Zeit für das Erstellen der Beiträge für renommierte Wissenschaftsfachjournale, an denen sie gemessen werde – so lange stellen wir uns selbst Hindernisse auf den Weg hin zu einer guten Wissenschaftskommunikation! Wenn gute Kommunikation nicht auch innerhalb der jeweiligen Hochschuladministration und innerhalb der jeweiligen wisenschaftlichen Fachgemeinschaft Anerkennung genießt und Förderung erfährt, brauchen wir uns auch nicht über externe (sekundäre) Anreize zu unterhalten. Die Etablierung eines Siegels „gute Wissenschaftskommunikation“ wirkt da fast schon unfreiwillig komisch.

5.  Die Rolle der Kommunikation, also die Außendarstellung, für den Erfolg einer Organisation ist – vor allem im Profit-Sektor – in den vergangenen 20 Jahren immer stärker reflektiert worden. Die wissenschaftliche Modellbildung hat hier ebenso starke Fortschritte gemacht, wie die empirische Forschung in einer Vielzahl von Fällen den Nachweis erbracht hat, dass zum Beispiel eine gute Reputation positiv auf die Unterstützungs- und Handlungsbereitschaft wirkt. Bei Studiengangreformen wurden immer mehr Kommunikations-Professuren eingerichtet (etwa in der Sozialen Arbeit, der Oecotrophologie, dem Gesundheitsmanagement), weil sich auch hier die Relevanz der Kommunikationskompetenz für den Erfolg des Gesamtprojektes erwiesen hat. Auch die derzeitige Aufmerksamkeit für die Wissenschaftskommunikation und die Einrichtung spezialisierter Professuren sind dafür Belege. Dass sich Wissenschaftsorganisationen erst jetzt für den Stellenwert der Kommunikation interessieren und diesen diskutieren, ist also eine sehr späte Entwicklung. Ganz so, als habe man das Thema über Jahrzehnte vergessen. Man kann nur dazu auffordern, von allen, die schon weiter sind, zu lernen, statt das Rad wieder neu zu erfinden (wonach es grade aussieht).

6.  In diesem Zusammenhang kann die Kommunikationswissenschaft insgesamt, aber spezifisch auch die wissenschaftliche Erforschung der Public Relations, einen wichtigen Beitrag leisten. Doch das scheint bisher kaum der Fall. Mein Eindruck ist, dass man sich nur einseitig auf den Journalismus (als früheren Hauptansprechpartner) stützt und die PR-Praxis mit der PR-Wissenschaft verwechselt (beziehungsweise in einen Topf wirft). Statt sich mit der Medienrealität auseinanderzusetzen, mit Corporate Publishing und Corporate Social Networks, mit Stakeholdermanagement und der Rolle der Kommunikation beim Lernen in der Organisation, mit der Rolle rhetorischer Verfahren und neuer Technologie (wie es die PR-Forschung tut), pflegt man ein antiquiertes Bild von PR-Wissenschaft (und PR-Praxis – verstanden als reine Medienarbeit). Wenn man das tut, übersieht man nämlich, dass die PR die Freundin und eine enorme Chance für die Wissenschaft ist. Sie kann dabei helfen, die Regeln der modernen Mediengesellschaft zu verstehen und zu beherrschen. Denn ändern wird die Wissenschaft sie nicht.

Links

Links

Zur Gestaltung der Kommunikation zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und den Medien. Empfehlungen der Akademien:
http://tinyurl.com/p5ewxs2

Positionspapier des Siggener Kreises zur Wissenschaftskommunikation:
http://tinyurl.com/puwjr6v

Kommunikationskodex des Deutschen Rats für Public Relations:
http://tinyurl.com/ltjewsr

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