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Regeln auf der Bahn

Glückwunsch! Sie sind in der Führungsetage der Hochschule oder der Fakultät angekommen und freuen sich auf die Arbeit. Sie haben einen Masterplan in der Tasche und müssen jetzt eigentlich nur noch die Professorenschaft überzeugen. Nur? Eine kurze Anleitung zum Umgang mit Profs.

 

An der Universität ist es ein bisschen so wie im Heiligen Römischen Reich. Der Kaiser ist schwach und muss mit zahlreichen Kurfürsten und kleinen Königen klarkommen. Wer an der Institution Universität nicht alles mitbestimmen darf: Die Studierenden, die Mittelbauer, und – ach ja – die Verwaltung samt Personalrat ist auch noch da. Aber die mächtigste Gruppe sind zweifelsohne Ihre Kollegen, die Professoren.

Der Knigge ist nützlich für alle, die mit Profs zu tun haben

Wie bekommen Sie nun Ordnung in Ihren Laden? Wie gehen Sie als großer Herrscher mit Ihren nicht ganz so großen Herrschern um? Was Sie brauchen, ist ein Knigge, der die einzelnen Professorentypen und den Umgang mit ihnen erklärt. Und genau so etwas habe ich für Sie auf der Basis mehrjähriger streng wissenschaftlicher Studien erstellt. Der Knigge ist natürlich nicht nur für Präsidenten und Dekane nützlich, sondern für alle, die mit Professoren zu tun haben. Die Typen sind hier als Männer beschrieben, können aber selbstverständlich auch Frauen sein.

Der alte Hase Vor vielen Jahren hat er in Berlin gegen die Notstandsgesetze demonstriert, kannte gar Rudi Dutschke persönlich. Als er auf seine erste Professur für Politik- oder Sozialwissenschaften berufen worden ist, hat er zur jungen Garde gehört, die alles anders machen wollte. Jetzt ist er im postmodernen Mainstream angekommen und wartet auf seine Emeritierung. Das heißt aber nicht, dass er nur rumsitzt und die meiste Zeit des Jahres in seinem Ferienhaus in der Südtoskana verbringt. Nein – jetzt legt er noch mal richtig los. Gegen alles leistet er erstmal Widerstand – schon allein deshalb, um den Küken (siehe weiter unten) zu zeigen, wie der Hase so läuft. Seine kritischen Anmerkungen bei Sitzungen sind gefürchtet, da sie meistens zu ausgreifenden Grundsatzreferaten werden. Gerne haut der alte Hase auch in die Tasten, schreibt Protestbriefe und Resolutionen, mobilisiert die Kollegen oder gar die Studierenden und die Öffentlichkeit.

So geht man mit ihm um Bedanken Sie sich überschwänglich für die kritischen, aber wichtigen Anmerkungen des erfahrenen Kollegen. So zeigen Sie ihm, dass Sie ihn ernst nehmen. Mit etwas Glück müssen Sie sich dann nicht mit nachfolgenden Protestschreiben und demonstrierenden Studenten befassen. Ansonsten ist der alte Hase ein netter Kerl. Bringen Sie bei einem Glas Wein rüber, bedeuten Sie ihm, dass Sie im Herzen ja auch ein 68er sind und wenn Sie könnten, wie Sie wollten, dann würden Sie aber, aber hallo!

Der Drittmittelkönig Dekane oder Präsidenten – die sind für ihn wirklich nicht besonders wichtig. Denn er hat  viel mehr geschafft, er ist Spitze. Er hat nicht nur ein oder zwei popelige Drittmittelprojekte, in denen ein paar verkrachte Doktoranden auf halben Stellen vor sich hin wurschteln, sondern ein eigenes Forschungsinstitut mit zahlreichen Mitarbeitern aus aller Welt. Er hat Geld von der Europäischen Union und von der Industrie, leitet mindestens einen Sonderforschungsbereich und sitzt im deutschen Wissenschaftsrat. Der Ministerpräsident und die Bundeskanzlerin rufen regelmäßig bei ihm an. Wenn er den neuen Großrechner für 120 Millionen Euro nicht bekommt, droht er mit Abwanderung an eine andere Universität, nach Harvard, Stanford oder Yale.

So geht man mit ihm um Die Frage ist hier eher, wie geht er mit Ihnen um. Seien Sie froh, wenn er nett zu Ihnen ist und von dem vielen Drittmittelgeld etwas für die Fakultät oder die Uni abfällt. Wundern Sie sich nicht, wenn er statt des einheitsgrauen Schreibtisches mit Kunststoffplatte ein Design-Modell aus edlen Tropenhölzern in seinem hörsaalgroßen Büro stehen hat. Halten Sie ihn lieber bei Laune und spendieren ihm eine neue Ledersitzecke oder noch ein paar Mitarbeiter.

Wenn Sie nicht mit ihm fertig werden, werden Sie wie er

Der Mensa-Machiavelli Ihm ist nur eins wichtig – er selbst. Klar ist er erstmal freundlich, charmant, ja ein feiner Kerl. Aber geht es um seine Karriere, um größere oder auch nur ganz kleine Vorteile, verwandelt er sich in eine giftige Python. Er lästert, er verbreitet falsche Gerüchte, er hetzt auf, er lügt und betrügt. Er ist einfach wunderbar böse. Eine Woche vor der entscheidenden Sitzung versichert er dem Dekan, klar unterstütze er seine Pläne, eine neue Professur zu schaffen. Weil die neue Professur aber eine Konkurrenz für ihn bedeuten könnte, nutzt er die folgenden Tage, um per Telefon und E-Mail zu verbreiten, dass wohl alle für diese neue Professur bluten müssten und sie sowieso total überflüssig sei. „Und überhaupt“, raunt er ein paar Kollegen beim Essen in der Mensa zu, „ich glaube, der Dekan hat zurzeit andere Probleme, er wirkt immer so abwesend und manchmal hat er schon vormittags eine Fahne. Aber ich habe nichts gesagt.“ Bei der Sitzung stimmt die Mehrheit gegen den Dekan. Der ist somit blamiert und wird möglicherweise bald zu einem weiteren Professoren-Typus, dem Mobbing-Opfer.

So geht man mit ihm um Wenn Sie nicht mit ihm fertig werden, dann müssen Sie so werden wie er! Nur machen Sie es besser: Seien Sie noch hinterhältiger, bösartiger, arglistiger, gemeiner und perfider. Oder schmeißen Sie Ihren Dekan-Job einfach hin. Es gibt ja auch noch ein Leben außerhalb der Universität. Da draußen ist doch noch jemand, oder?

Das Phantom „Wir haben doch diesen Kollegen, Sie wissen schon, ich glaube ein Finnougrist, haben Sie den in letzter Zeit mal gesehen?“ Die Antwort auf diese Frage wird sicherlich ein „Nein“ sein. Denn keiner hat ihn in letzter Zeit oder im letzten Jahr gesehen. Das Phantom hat sich schon vor Jahren in einem entlegenen Seitengebäude einquartiert. Keiner weiß, wann oder ob er überhaupt jemals da ist. Zu Terminen erscheint er nicht. Wählt man seine Telefonnummer, hat man nur eine Sekretärin an der Leitung: „Ja, gerade eben war er noch da, heute kommt er aber nicht mehr rein und den Rest der Woche schaut es auch schlecht aus.“ Gibt es ihn überhaupt, lebt er noch? Manchmal erscheint tatsächlich ein Aufsatz von ihm oder Studenten berichten, Sie hätten in der Dämmerung einen Schatten um die Ecke biegen sehen, der ihm irgendwie ähnlich sah.

So geht man mit ihm um Kürzen Sie ihm die Sachmittel oder streichen Sie ihm eine Mitarbeiterstelle, dann werden Sie ihn sehr schnell kennenlernen.

Das Küken Beim Fußball kann man mit Anfang 40 nur noch bei den „Alten Herren“ spielen. In der Wissenschaft wird man in diesem Alter auf seine erste Professur berufen und ist eine junge, hoffnungsvolle Nachwuchskraft. Mit viel Elan geht das Professoren-Küken, das oft in der Form des jungdynamischen Gockels auftritt, an die Arbeit. Er weiß, er hat einen großen stolzen Kamm und kann es noch weit bringen. Die Studenten werden ihn lieben und vielleicht wird er eines Tages sogar ein Drittmittelkönig. Aber die Uni ist kein Bio-Bauernhof, sondern tendiert eher in Richtung Massentierhaltung. Und so versauert er schon bald bei der Korrektur von hunderten Bachelor¬ und Master-Arbeiten oder schlägt sich Tag für Tag mit obskuren Formularen und der Verwaltungs-Software herum. Der einst stolze Kamm wird schlaff und grau.

So geht man mit ihm um Nutzen Sie das Küken nicht zu sehr aus. Wenn Sie können, geben Sie ihm eine halbe Mitarbeiterstelle oben drauf oder investieren Sie zumindest in verständliche Software. Andernfalls kommt das Küken bald in eine Sinnkrise und redet nur noch über sein Burnout-Syndrom. Und Vorsicht! Wenn es ganz übel kommt, wandelt sich das Küken zum Phantom oder zum Mensa-Machiavelli.

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Ergänzungen zur Professoren-Typologie mit integrierter Umgangsformel sind schriftlich per E-Mail unter dem Betreff: Führungsknigge einzureichen. Kontakt: klaus.arnold@uni-trier.de

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