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Publizieren Spitzen-Unis mehr?

Im Wettbewerb um die Fördermillionen aus der Exzellenzinitiative ist mit dem Antragsschluss am 1. September der nächste Meilenstein erreicht. Der Stichtag gilt auch für die neun Unis, die schon Geld bekommen, um ihre Zukunftskonzepte umzusetzen. Haben sich die Investitionen gelohnt? Eine bibliometrische Erhebung.

Bund und Länder haben 2005 die Exzellenzinitiative gestartet, um „den Wissenschaftsstandort Deutschland nachhaltig zu stärken, seine internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und Spitzen im Universitäts- und Wissenschaftsbereich sichtbarer zu machen“. So steht es in der Präambel der Exzellenzvereinbarung. Zwischen 2006 und 2011 standen dafür 1,9 Milliarden Euro und damit eine Summe bereit, die größer ist als der Jahresetat der gesamten Max-Planck-Gesellschaft. Sind die Exzellenzmilliarden in den vergangenen Jahren gut angelegt worden?

Dieser Frage sollte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) nachgehen und gemeinsam mit dem Wissenschaftsrat einen Bericht über die nach diesem Programm durchgeführten Vorhaben erstellen. Der 2008 vorgelegte Bericht trägt klar den Charakter einer Zwischenbilanz, in dem vor allem das Auswahl- und Entscheidungsverfahren sowie die angestoßenen Initiativen und Prozesse dargestellt werden. Der Bericht gibt Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Exzellenzinitiative, ist aber nur in Ansätzen in der Lage, die tatsächlichen Auswirkungen der Förderung quantitativ zu erfassen. Wie könnte das erfolgen? In Interviews mit den Sprecherinnen und Sprechern der Exzellenzcluster sind die Zahl der Publikationen, Drittmitteleinnahmen und die Verstetigung der geschaffenen Strukturen als Erfolgsindikatoren identifiziert. Für die Förderlinie „Zukunftskonzepte“ sind derartige Kennwerte nicht benannt und erst recht nicht erhoben und ausgewertet worden.

Insgesamt neun Universitäten sind in den bisherigen zwei Entscheidungsrunden in diese Förderlinie aufgenommen worden: Die Rheinisch-Westfälisch Technische Hochschule Aachen (RWTH), die Freie Universität Berlin, die Universitäten in Freiburg, Göttingen, Heidelberg, Karlsruhe, Konstanz sowie die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und die Technische Universität München können sich derzeit mit dem Titel Exzellenzuniversität schmücken. Ob das auch nach den im Juni 2012 anstehenden Entscheidungen zur Exzellenzinitiative der Fall sein wird, ist ungewiss. Neben den bestehenden neun Exzellenzuniversitäten können sieben weitere Universitäten auf die Millionen aus der Eliteförderung rechnen, die sich zwischen 2012 und 2017 auf jährlich 142 Millionen Euro belaufen. Maximal zwölf Universitäten werden am Ende über die Förderlinie Geld erhalten. Es gibt also keinen „Bestandsschutz“.

Gerade für die dritte Förderlinie, die in besonderem Maße dem Ziel der Sichtbarmachung von Spitzenforschung verpflichtet ist, bietet sich die Zahl der Publikationen als ein möglicher Erfolgsindikator an. Die Erhebung von Publikationen hat sich weltweit als Kriterium für erfolgreiche wissenschaftliche Arbeit durchgesetzt. Zu beachten ist dabei allerdings, dass die Zahl der Publikationen stets nur ein Indikator unter mehreren sein sollte. Dennoch bildet deren Erhebung zumindest den Einstieg in die quantitative Evaluation.

Datenbasis und Vorgehen

Die Bibliometriegruppe des Forschungszentrums Jülich hat eine entspechende Erhebung für die bestehenden neun Exzellenz-Universitäten erstellt. Zur Erfassung der Veröffentlichungen wurde eine Analyse in der Zitationsdatenbank Web of Science durchgeführt. Die vom Medienkonzern Thomson Reuters betriebene Datenbank gehört zusammen mit der Datenbank Scopus des Verlags Elsevier zu den wichtigsten interdisziplinären Nachweisinstrumenten von Publikationen in Zeitschriften und Konferenzbänden weltweit. Die Abdeckung außerhalb der Natur- und Ingenieurwissenschaften hat sich in den vergangenen Jahren zwar verbessert, spiegelt aber weiterhin nicht die Publikationsleistung in den Sozial- und Geisteswissenschaften wider. Hauptursache dafür ist, dass in den buchorientierten Wissenschaften Konferenzbeiträge und Zeitschriftenartikel allein kein gutes Maß für die Publikationsleistung sind.

Bei der Analyse war festzustellen, dass die Publikationszahlen des Jahres 2010 in mehreren Fällen geringer ausfielen als im Jahr 2009. Mögliche Ursache ist, dass bei der Datenerhebung Anfang Mai 2011 noch nicht alle Publikationen des Jahres 2010 in die Datenbank eingepflegt waren. Im Weiteren wurden daher nur die Publikationen bis einschließlich 2009 berücksichtigt. Aufgrund des gewählten Anfangsjahres 2003 wurde somit ein Zeitraum von jeweils drei Jahren vor und drei Jahren nach dem Beginn der Exzellenzinitiative betrachtet. Angesichts der Dauer, die vom wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn bis zur veröffentlichten Arbeit vergeht, ist dies zwar knapp bemessen. Erste Trends lassen sich dennoch erkennen.

Als Ergebnis der Analyse in der Datenbank Web of Science ist zunächst festzustellen, dass sich die Publikationszahlen der einzelnen Hochschulen in ihrer absoluten Höhe deutlich unterscheiden. Die Werte der LMU München sind rund siebenmal höher als die der Universität Konstanz. Dies ist allerdings den unterschiedlichen Größen der Universitäten sowie der inhaltlichen Ausrichtung geschuldet.
Eine Methode zum Vergleich unterschiedlich strukturierter Einrichtungen ist die Betrachtung der relativen Veränderung der Publikationszahlen. Alle deutschen Hochschulen, die als Benchmark dienen sollen, haben zwischen 2003 und 2009 eine Steigerung der Publikationszahl von 35 Prozent zu verzeichnen. Die höchste Steigerungsrate weist mit 63 Prozent die Universität Heidelberg auf. Es folgen die RWTH Aachen (47 Prozent), danach LMU München sowie die Universitäten Göttingen, Freiburg und die Technische Universität München (44 Prozent, 42 Prozent, 41 Prozent beziehungsweise 39 Prozent). Mit einer Steigerung von 32 Prozent liegt die Universität Konstanz knapp unterhalb des Durchschnittswertes.

Deutlich niedriger liegen die FU Berlin und die Universität Karlsruhe. In diesen Fällen sind Sondereffekte zu berücksichtigen: 2003 fusionierte das Universitätsklinikum Benjamin Franklin der FU Berlin mit der Charité, weshalb Publikationen aus dem medizinischen Bereich (zeitverzögert) nicht mehr unter „FU Berlin“ publiziert werden. Kombiniert man die Veröffentlichungen von Charité und FU Berlin, so beträgt die Steigerung 40 Prozent. Im Fall Karlsruhe sah das für die Exzellenzinitiative entwickelte Zukunftskonzept die Fusion mit dem Forschungszentrum Karlsruhe zum Karlsruher Institut für Technologie (KIT) vor, welche inzwischen abgeschlossen ist. Deshalb müssen in den späteren Jahren auch Publikationen unter der neuen Bezeichnung sowie Publikationen, die noch unter dem Namen des Forschungszentrums erschienen sind, berücksichtigt werden. Dies macht allerdings den Vergleich mit den früheren Jahren problematisch, weil dort die Einrichtungen noch getrennt waren.

Solche Sondereffekte können zumindest teilweise kompensiert werden, wenn man die Publikationszahlen am Budget oder an der Zahl der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler normiert. Davon abgesehen sind Veröffentlichungen lediglich als Grundlage weiterer Auswertungen in Form disziplinspezifischer Vergleiche und von Normalisierungen anzusehen. Durch die Berücksichtigung von Zitationskennwerten ist schließlich auch eine Aussage über den Einfluss der wissenschaftlichen Arbeit möglich. Feldnormierung führt zu Größen wie dem „crown indicator“  und dem „J-Faktor“ , welche den Vergleich von Einrichtungen unterschiedlicher Größe und mit unterschiedlichem wissenschaftlichem Profil auch hinsichtlich der Rezeption ihrer Publikationen in der wissenschaftlichen Welt ermöglichen.

Fazit und Ausblick

Zusammenfassend lassen sich drei Thesen festhalten: So gilt die Zahl der Publikationen und insbesondere deren Entwicklung erstens als Indikator für die Produktivität und Sichtbarkeit wissenschaftlicher Einrichtungen. Zweitens liegt bei den meisten der neun geförderten Exzellenzuniversitäten der Zuwachs an Publikationen über der durchschnittlichen Steigerungsrate deutscher Hochschulen. Drittens ist für detailliertere Aussagen die Gruppierung nach Größe der Hochschulen und Zusammensetzung der Fachbereiche ebenso sinnvoll wie die Berücksichtigung von Zitationen.

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