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Die Liquidität steuern

Ein adäquates Rücklagenmanagement an Hochschulen ist notwendig, um auch in Zukunft trotz geringerer Grundfinanzierung finanziell flüssig zu bleiben. Wie es funktionieren kann, aber auch welche Gefahren lauern, wird anhand des sogenannten Liquiditätsmodells Hochschulen erläutert.

 

Die Diskussion um eine bedarfsgerechte Hochschulfinanzierung wird in den nächsten Jahren in Anbetracht der geplanten Schuldenbremse und auslaufender Finanzierungsprogramme, wie zum Beispiel dem Hochschulpakt 2020, an Intensität zunehmen. Ein Blick in konkrete Hochschulhaushalte zeigt in aller Deutlichkeit die Abhängigkeit der Hochschulen von zeitlich befristeten Sonderprogrammen. Diese wirken sich strukturell in den Hochschulen aus, zum Beispiel bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen.

Diskussion um Hochschulfinanzierung

Die heftige Debatte um eine ausreichende Grundfinanzierung der Hochschulen ist in jüngster Zeit um eine neue Argumentationslinie angereichert worden: die Liquidität und die Rücklagen der Hochschulen. Noch im vergangenen Jahrzehnt wurde die Einführung von Globalhaushalten an Hochschulen gerade mit dem Argument verfolgt, eine systematische Finanzplanung ohne kamerale Restriktionen aufzubauen, heißt, ohne im sogenannten Dezemberfieber am Ende des Jahres die noch nicht verbrauchten Mittel auszugeben.

Nun wird stichtagsbezogen der Kassenbestand der Hochschulen unter der Überschrift „Rücklagenbildung“ ins Visier genommen. In den gestiegenen Finanzbeständen der Hochschulen sehen Landesrechnungshöfe und Ministerien einen vermeintlichen Widerspruch zu den Forderungen nach zusätzlichen Geldern zur Bewältigung der stetig steigenden Studierendenzahlen. So wurden beispielsweise die im Jahr 2010 vorgenommenen Kürzungen der Hochschulbudgets im Bundesland Hessen mit dem Hinweis auf die Höhe der bestehenden Rücklagen beschlossen. Den Hochschulen wird der Vorwurf gemacht, die zusätzlich zur Verfügung gestellten Mittel den Studierenden gewissermaßen vorzuenthalten.

Liquiditätspolster anlegen

Diese Auffassung verkennt, dass Hochschulen innerhalb der ihnen im Rahmen der Hochschulautonomie überlassenen Handlungsspielräume auch in finanzieller Hinsicht unabhängig planen und zielgerecht agieren. Als Konsequenz aus der nahezu flächendeckend erfolgten Einführung von Globalhaushalten und der Möglichkeit zur Übertragung von nicht verausgabten Haushaltsmitteln in Folgeperioden stellen Hochschulen mehrjährige Finanzplanungen an, die insbesondere die langfristige Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit zum Gegenstand haben (siehe Fußnote 1). Dabei ist den Planungen immanent, finanzielle Vorsorge für Zahlungsverpflichtungen der Zukunft zu schaffen und dafür liquide Mittel zurückzuhalten und anzusparen. Schließlich haben Hochschulen nur begrenzte Möglichkeiten, zusätzliche eigene Einnahmen zu erwirtschaften. Finanzielle Vorsorge kann daher nur über das Anlegen von Liquiditätspolstern erfolgen (2).

Hauptziele der Liquiditätssteuerung

Im hochschulischen Umfeld gilt es, die Zahlungsfähigkeit bei gleichzeitiger Realisation von strategischen Maßnahmen, zum Beispiel im Rahmen des Hochschulentwicklungsplans, zu sichern. Dies soll durch laufende Koordination von Einzahlungen und Auszahlungen auch mittelfristig erfüllt werden. Nebenaspekte sind unter anderen die Optimierung von Geldanlageerträgen, die Minimierung von Finanzierungskosten und die Maximierung von Skontoerträgen. Die dafür erforderliche Finanzplanung wird zusätzlich durch den Umstand erschwert, dass bislang nur in einem sehr eingeschränkten Umfang Erfahrungswerte bereitstehen, die bei der Einschätzung der kurzfristig benötigten Liquiditätsbestände helfen können.

Das Liquiditätsmodell Hochschulen

Planerischen Unabwägbarkeiten wird im sogenannten Liquiditätsmodell Hochschulen Rechnung getragen (3). Das Modell versucht, einen Überblick über die bestehenden Liquiditätsbestände nach Mittelherkunft und die hochschulstrategische Planungsperspektive zu geben und stellt die beiden Wertgrößen gegenüber. Die vorhandenen Liquiditätsbestände werden dabei zunächst statisch betrachtet und hinsichtlich ihrer Zusammensetzung an einem bestimmten Stichtag analysiert. Eine dezidierte Betrachtung der auf den Hochschulkonten vorgehaltenen Liquidität ist insofern wichtig, um keine zweckgebundenen Mittel zu verplanen.

Gebundene Mittel

Tatsächlich entfällt regelmäßig der größte Teil der liquiden Mittel innerhalb einer Hochschule auf gebundene Mittel (4). Zu diesen gehören unter anderen Drittmittel, die zur Vorfinanzierung bestimmter Projekte vereinnahmt wurden, Landeszuweisungen aus dem Hochschulpakt, die ebenfalls nur für bestimmte Zwecke verwendet werden dürfen und bei Verfehlung des Förderziels sogar unter dem Vorbehalt einer Rückzahlungsverpflichtung stehen, sowie Studienbeiträge beziehungsweise ersatzweise bereitgestellte Mittel. Letztlich reduzieren sich die frei verwendbaren Finanzmittel weitgehend auf die Landeszuschüsse für den laufenden Betrieb (Grundfinanzierung).

Daneben stehen in geringem Umfang Drittmittelreste zur Verfügung, die den dezentral budgetierenden Lehrstühlen flexible Handlungsmöglichkeiten bieten, um beispielsweise Vertragsverlängerungen von befristetem Personal zu finanzieren. Dabei können sich die relativ geringen Drittmittelreste einzelner Lehrstühle zwar hochschulweit auf eine nennenswerte Größenordnung summieren. Für eine übergeordnete strategische Finanzplanung sind sie jedoch weitgehend zu vernachlässigen.

Potenzielle Ausgaben

Dagegen lassen sich bei prospektiver Betrachtung der zukünftigen Zahlungsverpflichtungen zahlreiche potenzielle Geldmittelabflüsse antizipieren, die weit über die ohnehin anfallenden Auszahlungen für Personal und Sachmittel hinausgehen. Finanzielle Verpflichtungen ergeben sich aufgrund von:

  • Baumaßnahmen, zum Beispiel mit einem Eigenteil von sechs Prozent an den Maßnahmen des Hochschulmodernisierungsprogramms in Nordrhein-Westfalen, oder deren Vorfinanzierung,
  • höheren Flächenbedarfen aufgrund der steigenden Studierendenzahlen, häufig gedeckt nur durch zusätzliche Immobilienanmietungen mit langfristigen Mietverträgen,
  • Vorfinanzierung von Drittmittelprojekten,
  • in Bleibeverhandlungen mit Professoren zugesagte Mittel und Investitionen,
  • Umsetzung eigener strategischer Projekte, die beispielsweise Teil von Zielvereinbarungen mit dem Landesministerium sind, der Optimierung von internen Abläufen dienen, zum Beispiel  der Einführung von ERP-Software (Enterprise-Resource-Planning) oder der wissenschaftlichen Profilbildung,
  • inhärenten Risiken, die bei Schadenseintritt liquiditätswirksam werden können.

Angesichts der organisatorischen Größe und Komplexität einer Hochschule erscheint es daher geboten, ein adäquates Risikomanagementsystem zu etablieren (5) und finanzielle Vorsorge für etwaige Risikofälle zu schaffen.

Bestand liquider Mittel

Wenngleich das Liquiditätsmodell Hochschulen nicht zuletzt aufgrund der statischen Liquiditätsbetrachtung zu einem fixen Betrachtungsstichtag anfällig für erhebliche Schwankungen ist, weil zum Beispiel die Überweisung der Personalausgaben durch die Besoldungsämter das Bild von einem auf den anderen Tag massiv verzerren kann, werden die Finanzbedarfe den Bestand an liquiden Mitteln zumeist deutlich übersteigen. Der Deckungsgrad der hochschul-strategischen Planungsperspektive durch vorhandene Liquidität gibt somit Aufschluss darüber, in welchem Umfang den Hochschulen Mittel für investive und strategische Maßnahmen zur Verfügung stehen.

Gefahren des Modells

Die Gegenüberstellung von liquiden Mitteln auf der einen Seite und finanziellen Verpflichtungen auf der anderen Seite ist hier nicht im Sinne einer bilanziellen Darstellung als Auszug aus einer kaufmännischen Bilanz zu verstehen. Dies versteht sich schon deswegen, weil verschiedene Elemente des Liquiditätsmodells grundsätzlich nicht bilanzierungsfähig sind, zum Beispiel Berufungszusagen.

Lösungsansätze

Aufgrund der Gefahr, dass die liquiden Mittel bei den häufig ungeübteren Bilanzlesern in Ministerien, Rechnungshöfen und Parlamenten im Sinne von kameralen Haushaltsresten als frei verfügbare Gelder angesehen werden und zu ungewollten Begehrlichkeiten führen, gibt es Bestrebungen, die Zweckbindung dieser Mittel in den kaufmännischen Abschlüssen auch bilanziell kenntlich zu machen. In Nordrhein-Westfalen ist dies durch die Bilanzierungsmöglichkeit zweckgebundener Rücklagen vorgesehen.

Fazit

Das Vorhandensein von Liquiditätsreserven kann als Indiz dafür gewertet werden, dass die Hochschulen die ihnen im Rahmen der Hochschulautonomie übertragenen finanzplanerischen Pflichten angenommen und einen verantwortungsbewussten Umgang mit den global zugeteilten Budgets trotz fehlender Erfahrungswerte bewiesen haben.

Aus den Liquiditätsbeständen kann zusammenfassend nicht abgeleitet werden, dass keine Unterfinanzierung besteht. Tatsächlich decken in der Praxis die Reserven zumeist nur einen Bruchteil der Verpflichtungen. Umso wichtiger ist eine umfassende Liquiditätssteuerung im Rahmen eines Liquiditäts- und auch Risikomanagements. Darüber hinaus ist eine permanente rollierende Liquiditätsplanung notwendig, mit der Veränderungen im Finanzmittelbestand kontinuierlich verfolgt werden können. Wie hoch im Einzelfall konkret Investitionen, Reserven und Ausgaben sein sollten, kann nur durch sachnahe Vor-Ort-Entscheidungen und nicht durch zentrale staatliche Planung entschieden werden. Daher ist ein strategisch ausgerichtetes Liquiditätsmanagement unbedingt erforderlich, um die strategischen Ziele der Hochschule als Ganzes, aber auch der dezentral budgetierten Leistungseinheiten bis auf die Ebene der einzelnen Professur mit den jeweilig rational begründbaren Liquiditätserfordernissen abzugleichen.

Das Liquiditätsmanagement an Hochschulen ist auf einem gutem Weg, es sind vorbildliche Ansätze vorhanden. Durch den Aufbau eines Liquiditäts- und Risikomanagements können die Hochschulen gegenüber den Ländern zukünftig die Notwendigkeit ausreichender Liquidität wesentlich transparenter dokumentieren und verdeutlichen.

___________________

Fußnoten:
1) Güttner, A.; Manthe, R. (2014): Risikomanagement? Rücklagenmanagement und Finanzplanung an deutschen Hochschulen. Gütersloh, S. 7ff.
2) Breithecker, V.; Goch, M. (2011): Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung von Hochschulen. In: Breithecker, V.; Lickfett, U. (Hrsg.): Handbuch Hochschulrechnungslegung. Berlin, S. 281-302
3) Ambrosy, R.; Heinemann, S.: Grundüberlegungen zu einem strategischen Liquiditätsmodell für Hochschulen. In: Breithecker et.al., S. 419-446
4) Berthold, C.; Manthe, R.; Stuckrad, T. (2013): Reste- und Rücklagenmanagement der Universitäten des Landes Baden-Württemberg. Gütersloh, S. 3
5) Dembeck, H.; Heinemann, S.: Auf dem Weg zu einem hochschulischen Risikomanagement. In: Breithecker et al., S. 477-529

Downloads, Begriffserklärung, Ziel

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Begriffsklärung
In der Terminologie der Kameralistik werden Liquiditätsmittel aus nicht verausgabten Finanzmitteln gemeinhin als Rücklagen bezeichnet, die finanzplanerische Disposition als Rücklagenmanagement. Um den Begriff von der Verwendung im kaufmännischen Rechnungswesen abzugrenzen, ist besser von Liquiditätssteuerung zu sprechen.

Ziel
Das Liquiditätsmanagement sucht den Ausgleich zwischen strategischen Investitionsprogrammen, einer angemessenen Reserve sowie dem täglichen Ein- und Auszahlungsrhythmus.

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