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Süß und ungesund

Vom Pharmaunternehmen bis zum Getränkehersteller: Für viele Wissenschaftler gehört die Forschung mit der Wirtschaft zur Routine. Bedenken haben sie keine, sie wähnen sich gefeit gegen Einflussnahmen. Studien zeigen, dass sie sich täuschen.

Wer gern Cola trinkt, kann aufatmen – zumindest wenn man den Autoren eines Überblicksartikels folgt, der 2011 in der Fachzeitschrift „Obesity Reviews“ erschienen ist: Zuckerhaltige Getränke führten nicht automatisch zu Fettleibigkeit, folgern die Wissenschaftler. Pikantes Detail: Finanziert wurden die Autoren von Coca Cola und Pepsi.

Kein Einzelfall: Von der Lebensmittelindustrie finanzierte Studien kommen häufiger zu Ergebnissen, die sich mit den Interessen der Geldgeber decken. Das hat vor kurzem Prof. Dr. Matthias Schulze vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam gemeinsam mit spanischen Kollegen herausgefunden, als sie ihrer Fachcommunity auf die Finger schauten.

In Literaturdatenbanken recherchierten Schulze und seine Kollegen Überblicksarbeiten zum Zusammenhang von Limonadenkonsum und Übergewicht und sortierten die Artikel danach, ob die Forscher einen Industriesponsor angegeben hatten oder nicht. Die Ernährungswissenschaftler machten sich den Umstand zunutze, dass in den Gesundheitswissenschaften inzwischen viele Fachjournale von ihren Autoren verlangen, dass sie Interessenkonflikte offenlegen. 18 Artikel fanden sie, bei sechs Arbeiten waren die Autoren mit der Lebensmittelindustrie verbandelt. Den Hinweis auf den Sponsor entfernten Schulze und seine Kollegen und ließen zwei Wissenschaftler unabhängig voneinander den Tenor der Studie bewerten. Das Ergebnis: Von den sechs industriefinanzierten Arbeiten kamen fünf zu dem Schluss, dass zuckerhaltige Getränke nicht für Übergewicht verantwortlich zu machen seien. Bei den Studien unabhängiger Autoren ist das Bild umgekehrt: Zehn von zwölf Arbeiten stellen fest, dass Limonade, Cola und Co. Dickmacher sind.

Im Einzelfall kann man einem Forscher schwer nachweisen, dass seine Arbeit zum Gefälligkeitsdienst verkommt: Das Ergebnis hätte auch ohne die Finanzspritze so ausfallen können. In der Zusammenschau ergibt sich aber ein deutlich anderes Bild: Dass man mit Industriegeld unvoreingenommen nach der Wahrheit streben könnte, erscheint als Mär. Ernährungswissenschaftler Schulze drückt es vorsichtig aus: „Obwohl unsere Untersuchung nicht darauf ausgerichtet war, zu klären, welche Interpretation der verfügbaren Daten die richtige ist, stimmen uns die Ergebnisse doch bedenklich.“

Und nicht nur Soft-Drink-Hersteller verzerren mit ihrem Geld die Forschung: 2009 wertete die amerikanische Biologin Prof. Kristin Shrader-Frechette 30 Studien zu Nutzen und Risiken der Atomkraft aus und stellte fest, dass von der Atom-Lobby finanzierte Papiere die Kosten systematisch kleinrechneten. Gut belegt ist auch, dass Medikamentenstudien eher zugunsten eines Präparates ausfallen, wenn die Autoren von Pharmaunternehmen finanziert werden. Man kann befürchten, dass es dabei nicht um verstreute Ergebnisse geht, sondern um die Richtung ganzer Forschungszweige: Wissenschaftler der Uni Michigan haben vor einigen Jahren 1534 Krebsstudien durchgesehen. Bei fast jeder dritten hatten die Autoren Geld von Pharmafirmen bekommen.

Im schlimmsten Fall werden auf diese Weise Scheinkontroversen aufrechterhalten, die die Wissenschaft blockieren. Ende der 90er-Jahre wunderte sich die Medizinprofessorin Deborah E. Barnes von der University of California darüber, warum Überblicksarbeiten zum Passivrauchen immer noch zu derart widersprüchlichen Schlussfolgerungen kamen. Sie stellte fest: Weder die Qualität der Arbeit, noch der Ruf des Journals oder der Veröffentlichungszeitpunkt konnten die Unterschiede erklären. Ausschlaggebend war allein, ob der Autor Verbindungen zur Tabakindustrie hatte.

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