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Tutoren betreuen mit System

Einst als Nachhilfebetrieb ohne weitere didaktische Vorbereitung unterschätzt, sind Tutorien heute mit ihren Lehr-, Beratungs- und Begleitfunktionen ein Gradmesser für gute Lehre. Je besser die Tutorien, desto einfacher die Lernprozesse für jüngere Studierende. Erfahren Sie hier, wie Sie Ihre Tutorenbetreuung optimieren können.

Unter dem Sammelbegriff Tutorien geschehen an Hochschulen diverse Lehr- und Lernaktivitäten: Von Übungsgruppen mit 20 bis 100 (!) Studierenden bis hin zu Lerncoaching mit acht bis zwölf Studierenden existieren vielerlei Tutorienformate. Mit ihnen wird meist das Ziel verfolgt, bei gleichem Einsatz von Lehrendenressourcen die jeweilige Lernbetreuung zu verdichten.

Für die Gestaltung der Tutorenbetreuung hilft es, sich über den Begriff  Tutor und das entsprechende Rollenbild klar zu werden. Der Begriff Tutor (von lat. tueri = Sorge tragen, ins Auge fassen) enthält Rollenanteile, die über ein rein fachliches Überwachen von Wissen und Schritten zu seiner Verarbeitung hinausgehen. (siehe Fußnote 1)

An Hochschulen wird der Begriff Tutor in allerlei Varianten verwendet. Tutor/innen fungieren als Lernberater/innen für jüngere Semester, um sie bei der Einübung wissenschaftlicher Arbeitstechniken zu begleiten; sie nehmen sich internationaler Studierender an, um ihnen die erste Zeit in neuer Umgebung und Lernkultur am Campus zu erleichtern; sie beraten Studierende bei der Erstellung ihres ersten Stundenplans und empfehlen Studienstrategien zur Vorbereitung auf wichtige Leistungsschritte. (2)

Unabhängig von der Variante des Tutoreneinsatzes qualifizieren oder beraten Tutor/innen andere Studierende in der Verantwortung des jeweiligen Faches/Studiengangs und damit in der Verantwortung der jeweils zuständigen Lehrenden zu einem studiengangrelevanten Thema.

Alles, was in den Tutorien an Lehrpraxis geschieht, bleibt in Ihrer didaktischen Verantwortung!

Folgende Steuerungsfunktionen der Lehrenden sind entscheidend für den Erfolg der Tutorien:

Schaffen Sie für Ihre Tutor/innen einen didaktischen Handlungsraum. In der eigenständigen Durchführung von Tutorien ohne Ihre Anwesenheit obliegt die Veranstaltungsleitung zwar den Tutorinnen und Tutoren. Dies impliziert eine hohe Verantwortung in der Gestaltung des Lernprozesses – einer der Gründe für eine gute Betreuung der Tutor/innen. Aber: Alles, was in den Tutorien an Lehrpraxis geschieht, bleibt in Ihrer didaktischen Verantwortung!

Finden Sie das richtige Maß dafür, dass Ihre Tutor/innen in ihrer Rolle möglichst autonom handeln und auch Fehler machen können, und dass sie gleichzeitig vor Überforderung geschützt sind. Die Vorbereitung und konkrete Durchführung der Tutorien erfordert anschließende Reflexion: das Initiieren von Lernaktivitäten, die Auswertung der studentischen Lernprozesse, der Umgang mit gruppendynamischen Konflikten – strukturieren Sie das gemeinsam! Wenn Tutor/innen ihre Rolle verbindlich wahrnehmen und für gute Rahmenbedingungen ihrer Tutorien sorgen können, wird das eine prägende Erfahrung sein. (3) Die übergreifende Verantwortung für das Gelingen liegt aber letztlich bei Ihnen. Behalten Sie deshalb auch den tutoriellen Lernprozess systematisch im Blick.

Wenn Ihre Tutorenbetreuung auf einem integrierten Theorie-Praxis-Konzept beruht, sind Tutor/innen für die Vorbereitung und Durchführung ihrer Arbeit gut gerüstet.

Theorie
Besprechen und bearbeiten Sie mit Ihren Tutor/innen gemeinsam die Lehrziele/learning outcomes der Lehrveranstaltung. Davon hängen Interventionen der Tutoren ab, wie a) die gezielte Unterstützung von Strategien der studentischen Informationsverarbeitung (4), das heißt zum Beispiel zum Umgang mit großen Mengen neuer Lerninhalte, b) die Durchführung und Anleitung sach- und personengerechter Lernkontrollen, das heißt die Einschätzung und Regulierung von Lernprozessen, und c) die Methoden zur Gestaltung lernförderlicher Arrangements.

Diskutieren und üben Sie die Anwendung dieser Methoden mit Fallbeispielen. Jeweils vor Beginn, in der Mitte und zum Ende des Semesters verwenden Sie dazu zum Beispiel das Format der Kollegialen Beratung (mehr dazu  im Kasten auf Seite 71 rechts). Sie übernehmen in der Beratungssitzung die Rolle des/der erfahreneren Kolleg/in. Nehmen Sie sich die Zeit dazu. Lehren, auch als Tutor/in, ist voraussetzungsvoll!

Praxis
In einer zum Beispiel wöchentlichen Durchführung der Tutorien erleben die Tutor/innen, wie die mit Ihnen entwickelten Konzepte Anwendung finden und machen dort Erfahrungen, die wiederum reflektiert werden müssen. Daher:

Reflexion
a) Lassen Sie Ihre Tutor/innen schriftliche Verlaufsberichte über die begleiteten studentischen Lerngruppen und deren Lernprozesse verfassen. Verteilen Sie dazu einen Leitfaden (5), der die theoretischen und praktischen Bestandteile des Programms miteinander verschränkt (siehe dazu auch Kasten auf Seite 70 links).

Tutorinnen und Tutoren lernen während einer solchen gut betreuten aktiven Phase unter anderem:

  • in einer Lerngruppe komplexe, fachlich umgrenzte Inhalte zu erklären,
  • die Lern- beziehungsweise Arbeitsgruppe zu moderieren und
  • eigene Lernprozesse sowie lernbezogene Entwicklungen anderer Personen einzuschätzen und darzustellen.

Ermöglichen Sie Ihren Tutorinnen und Tutoren als Studierende in der Dozentenrolle unter dem Motto „Lernen durch Lehren“ eine wichtige Erfahrung. Intensivieren Sie die Betreuung Ihrer Tutor/innen und damit die Lernprozesse aller Beteiligten – inklusive Ihrer eigenen.

Für eine zielgruppenorientierte Planung und Gestaltung studentischer Lernprozesse ist Ihre unverstellte, nicht restriktive und neugierige Haltung als verantwortlich Lehrende/r gegenüber den didaktischen Erfahrungen und Erfolgen Ihrer Tutor/innen Voraussetzung.

Netzwerken für eine qualifizierte Tutorienarbeit

Gelingt diese Verbindung zwischen Ihnen und den Tutor/innen, bietet dieser abgestimmte Prozess eine große Chance, das Lernen Ihrer Studierenden zu intensivieren. Parallel kann die eigene Lehre im Austausch mit den Tutor/innen in der Kollegialen Beratung Impulse bekommen. Lehre macht besonders dann Freude, wenn Sie das Lernen der Studierenden in den Mittelpunkt stellt!
Das Netzwerk Tutorienarbeit an Hochschulen bietet Austausch für Personen an, die mit ihrem Tun die Rahmenbedingungen der Tutorienarbeit entwickeln. Vierzig Hochschulen und Universitäten sind im Dialog, um die Bedeutung von Tutorien und die gute Ausbildung und Betreuung zu stärken. Schon kurz nach seiner Gründung im Jahr 2009 war das Netzwerk bundesweit gut aufgestellt und aktiv – ein Zeichen, dass in die Qualität von Tutorienarbeit als wertvolle Ergänzung der Hochschullehre nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch Zeit und Geld investiert wird.

Kontakt zum Netzwerk Tutorienarbeit : www.tutorienarbeit.de

_________
Fußnoten
1) Koch-Priewe, B./Szczyrba, B. (2006): Qualität in großen Vorlesungen. Kompetenzorientierung durch veränderte Leistungsnachweistypen und tutorielle Lernbegleitung. In: Behrendt, B./Voss, H.-P./Wildt, J. (Hrsg.): Neues Handbuch Hochschullehre, Berlin, Griffmarke F5.5.
2) Jokanovic, M./Szczyrba, B. (2012): Tutorienarbeit an Hochschulen – Professionalisierung der Lehre ‚bottom up’. In: Behrendt, B./Szczyrba, B./Wildt, J. (Hrsg.): Neues Handbuch Hochschullehre, Berlin, Griffmarke F 6.8.
3) Reis, O./Szczyrba, B. (2008): Wer lehrt, der lernt – Studentische Lernprozesse in einem Multiplikatoren-Projekt. In: Journal Hochschuldidaktik, 19. Jg. Nr. 2, S. 11-14.
4) Wild, E./Wildt, K.-P. (2002): Jeder lernt auf seine Weise … Individuelle Lernstrategien und Hochschullehre. In: Behrendt, B./Voss, H.-P./Wildt, J. (Hrsg.): Neues Handbuch Hochschullehre, Berlin, Griffmarke A.2.1.
5) Reimpell, M./Szczyrba, B. (2007): Studierende als Dozierende – Kompetenzentwicklung durch ein Tutorenzertifizierungsprogramm. In: Behrendt, B./Voss, H.-P./Wildt, J. (Hrsg.): Neues Handbuch Hochschullehre, Berlin, Griffmarke F6.4.

Das Ziel

Das Ziel

Die Arbeit von Tutorinnen und Tutoren zeigt sich als nicht mehr verzichtbar.

Durch Einbindung in curriculare Rahmen werden Lehrende entlastet.

Gleichzeitig erhalten Studierende, die an Tutorien teilnehmen, die Gelegenheit, sich in einem nicht hierarchischen Verhältnis mit ihren Lernproblemen auseinanderzusetzen. TutorInnen erfahren sich so als quantitativ und qualitativ wichtige Stütze der Hochschullehre.

Handlungstipp

Die übergreifende Verantwortung für das Gelingen liegt bei Ihnen. Behalten Sie deshalb den tutoriellen Lernprozess systematisch im Blick.

Lesen Sie stichprobenartig die Verlaufsberichte Ihrer Tutoren und gestalten Sie entlang kritischer Themen Beratungstreffen. Das wird Sie entlasten!

Fazit

Bindung der Studierenden an ihren Studienort, entlastete Lehrende, erfolgreichere Studierende, kompetente Lernbegleiter/innen: durch gut betreute Tutorien!

Lehrende, die Tutorien zur Verbesserung der Lehr-/Lernsituationen und zur Verdichtung der Lernbetreuung einsetzen, sollten auch didaktische Qualifizierungen für Tutorien bei der hochschuldidaktischen Einheit ihrer Hochschule/Universität anfragen und nutzen.

Der Tutorienverlaufsbericht – ein Leitfaden

Der Tutorienverlaufsbericht – ein Leitfaden

BAUSTEIN 1  Rahmen des Tutoriums (Teilnehmerzahl, Raumsituation, Häufigkeit, Lehrziele – abgeleitet aus Ihren Semesterzielen, Verbindlichkeit)

BAUSTEIN 2  Tutorienzusammensetzung (Studiengänge, Fächer, Semester, Lernerverschiedenheit)

BAUSTEIN 3  Verlauf von drei Treffen in Abfolge (Vorbereitung, Verständigung über Inhalte und Aktivitäten, Einstieg in die konkrete Arbeit, Lösungsfindung, Erfolgskontrolle, Zusammenfassung, Feedback, Abschluss, Ausblick auf das nächste Tutorientreffen)

BAUSTEIN 4  Methoden/Techniken (zur Motivation, zum Regulieren der Gruppendynamik, zur Anregung von Lernstrategien, zum Geben von Feedback)

BAUSTEIN 5  Tutoren-Verhalten (begleitend, lenkend, motivierend, konfrontierend)

BAUSTEIN 6  Ergebnisse der Treffen in der Gesamtsicht (Erfolge, Zielerreichung, Abweichung vom Ziel, Gründe dafür)

Phasen im Treffen

Handout Kollegiale Beratung

Phasen im Treffen

1  Rollenverteilung
Moderation / Protokoll / Falleinbringer/in

2  Spontanbericht
Worum geht es? Verständnisfragen durch Gruppe

3  Schlüsselfrage
Was möchte der Falleinbringer von den Kolleg/innen erfahren?

4  Methodenwahl für die Beratung
Brainstorming, Verlaufskurve, Hypthesenbildung, Pro-Kontra-Liste

5  Beratung
Gruppe berät, Falleinbringer hört zu

6  Abschluss
Dankeschön und Feedback an die Gruppe – was nimmt der Falleinbringer mit?

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