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Ein Geschenk der Götter

Sie verzaubern Menschen mit ihren Worten, treiben Projekte voran und drehen manchmal das ganz große Rad. Charismatische Führungspersönlichkeiten sind mit einer besonderen Gabe ausgestattet. Erlernen kann man die zwar nicht. Die eigene Ausstrahlung verbessern kann jedoch jeder.

Dem US-Präsidenten Barack Obama wird es ebenso nachgesagt, wie Mahatma Gandhi oder Mutter Teresa – dieses gewisse Etwas, das andere Menschen dazu bringt, sich in Massen um sie zu scharen. Auch im Arbeitsalltag tauchen diese charismatischen Typen ab und zu auf. Und viele Menschen hätten dann gern etwas von ihrer Aura. Denn sie treiben Dinge voran, begeistern mit bloßen Worten. Doch wie sie das machen, warum gerade sie diese Gabe besitzen, das ist nach wie vor ein Rätsel für die Wissenschaft. Charisma ist noch immer ein unbestimmtes Elixier. Geist gehört wohl dazu, Präsenz, Charme und Redekunst ebenso, auch Inszenierung und Egomanie, heißt es. Doch in einer Welt, in der die Ratio so viel zählt, ist eine nur schwer fassbare Gabe nicht vorgesehen. Erklärungsversuche immerhin gibt es – und auch die Hoffnung, dass jeder Mensch an der eigenen Ausstrahlung arbeiten kann.

Eine Annäherung an das Phänomen beginnt nahe dem Olymp. Dort haben charismatische Helden ihren Zweitwohnsitz in der Nähe der Götter. Charisma bedeutet seinem griechischen Ursprung nach „Gnadengabe“ oder eine „übernatürliche“, „übermenschliche“ oder zumindest „außeralltägliche“ Gabe, wie der Soziologe Max Weber definierte. Charisma wird demzufolge in die Wiege gelegt, als Geschenk der Götter. In der Antike sprach man großen Feldherren Charisma zu, weil sie mit ihrer Ausstrahlung, ihrer Redekunst ihre Truppen von Hügel zu Hügel, von Sieg zu Sieg, sogar in die Niederlage führen konnten. Charismatische Herrschaft gilt, so Weber, nur durch die soziale Anerkennung der Anhängerschaft. Sie kann aus Begeisterung oder Not geboren sein und ist eine ganz persönliche Hingabe an das Individuum. Doch Charisma kann erblassen, vor allem wenn die Erfolge ausbleiben.

Der Charismatiker ist empathisch und deshalb in der Lage, Mitmenschen emotional zu berühren

Zwei Seiten einer Eigenschaft

Man könne diese Eigenschaft nicht messen, aber sofort spüren, wenn sie da sei, meint der österreichische Psychologie-Professor Dr. Reinhard Haller. „Der Charismatiker ist überaus empathisch für andere und deshalb auch in der Lage, seine Mitmenschen emotional zu berühren.“ Es sei nichts Aufgesetzes an ihm, er sei authentisch, wie etwa Papst Franziskus. Charismatikern gelinge es, andere mitzureißen, auch weil sie sich den Menschen zuwenden und sich für sie interessieren.

Unter dem Deckmantel des Charismas könnten sich allerdings Egomanen und Narzissten verstecken, weiß Haller. Auch sie sind in der Lage, alle anderen zu überstrahlen. Letztlich interessierten diese sich jedoch nur für sich selbst, die anderen seien ihnen herzlich egal. Wie eitle Pfaue wollten sie bedingungslos bewundert werden, geplagt von allzu großer Bedürftigkeit, Ich-Schwäche und Selbstzweifel. Ein Charismatiker hingegen verfüge über echtes Selbstbewusstsein, werte andere Menschen auf und gebe ihnen das Gefühl, etwas ganz Besonderes zu sein.

Auf der politischen Bühne ist Charisma ein bekanntes Phänomen. Das meint die in Wales tätige Politikwissenschaftlerin Dr. Berit Bliesemann de Guevara. Die Stunde der Charismatiker könne vor allem in Krisenzeiten schlagen, wenn der Wunsch nach einer Lichtgestalt groß sei, sagt sie, nach einer Führungsperson, die Probleme löst oder Reformen vorantreibt. Schnell könne Charisma aber auch einen bitteren Beigeschmack bekommen: Dann erhält Charisma eine dunkle, destruktive Bedeutung, etwa wenn es Diktatoren wie Hitler zugeordnet wird. Häufig handelt es sich in solchen Fällen um eine Inszenierung, eine riesige Propaganda-Maschinerie rund um einen Führerkult.

Menschen bewegen

Auch in der Welt der Dienstwagen mit Chauffeur, der Wirtschaftsbosse und CEO´s spielt das Ideal des charismatischen Führers eine wichtige Rolle. „Ihm wird die Kraft zugeschrieben, Menschen zu bewegen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen“, beschreibt Professor Dr. Felix C. Brodbeck, Wirtschafts- und Organisationspsychologe von der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Obwohl die meisten Mitarbeiter den CEO nie zu Gesicht bekommen, erzähle man sich Geschichten, auch Heldengeschichten. In den Wirtschaftswissenschaften spreche man allerdings weniger von charismatischer Führung, sondern eher von transformativer Führung. „Sie zielt auf Veränderung ab, sie bewegt andere, sie stimuliert intellektuell, motiviert den Einzelnen zu besserer Performance“, sagt Brodbeck.

Diesen Führungspersonen sei auch daran gelegen, die individuellen Fähigkeiten von Mitarbeitern zu fördern. Darüber hinaus würden die Mitarbeiter innerlich von ihnen berührt, meint Brodbeck, und: „Es gibt die Sehnsucht nach Mutter- und Vaterfiguren, sich aufgehoben zu fühlen.“ Schon seit den 50er-Jahren spreche man von einer solchen mitarbeiterorientierten Führung. Ihr werde jedoch auch in neueren Studien hohe Effektivität prognostiziert.

Ausstrahlung verbessern

Müssen jetzt alle in Sack und Asche gehen, denen es der Herr nicht im Schlaf gegeben hat? In Deutschland komme man nicht sehr weit damit, nur Charisma zu verströmen, meint der Münchner Wissenschaftler Brodbeck. Eine deutsche Führungskraft müsse auch administrative Fähigkeiten besitzen, Probleme lösen – hier wirke das Ideal des preußischen Berufsbeamtentums des 19. Jahrhunderts nach.

Jeder kann an seiner Ausstrahlung arbeiten

Auch die gelernte Schauspielerin Reingard Gschaider aus Stuttgart hat Hoffnung für all diejenigen, die nicht von den Göttern bedacht sind. „Natürlich gibt es die Begnadeten und Begabten. Nicht jeder wird ein Kennedy, nicht jeder schafft beim Bergsteigen einen 8000er, sondern vielleicht nur einen 3000er“, sagt Gschaider, die Charisma-Trainings anbietet. „Man kann aber ein gewisses Körpervokabular lernen und an seiner Ausstrahlung arbeiten“, ermutigt sie.

Dazu gehöre zum Beispiel der gekonnte Auftritt vor anderen: „Halten Sie Blickkontakt zu Ihrem Gesprächspartner, stehen Sie aufrecht, sprechen Sie deutlich und mit Betonung“, rät Gschaider. Zu viele Bewegungen mit dem Kopf oder hektisches Fuchteln mit den Händen sei etwas für Komiker. Wer souverän und selbstsicher wirken wolle, müsse ruhige Gesten ausführen. „Scheuen Sie sich dabei nicht, Raum einzunehmen“, meint die Trainerin. So vermittle man den Eindruck eines Menschen, der nicht fremdbestimmt ist – und das wirke auf andere Menschen überzeugend.

Die innere Haltung

Um nach außen zu strahlen, komme es auch auf die innere Haltung an, meint Gschaider. Ein misanthropischer Gelehrter, der insgeheim denke „alles Idioten hier, denen ich etwas beibringen muss“, werde kaum die Gipfel der Ausstrahlungskraft erreichen. Für jede Führungskraft, die an ihrem Charisma arbeite, würden vielmehr die vier M‘s gelten: Man muss Menschen mögen. „Wer andere Menschen nur dazu benutzt, etwas zu erreichen, wird sie nie von sich überzeugen“, sagt Gschaider, „das merken die anderen nämlich sehr schnell.“ Vielmehr komme es darauf an, andere zu bewegen. Und das gehe nur mit einer von Empathie getragenen Grundeinstellung.

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