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Exzellent durchschnittlich

Stipendien gibt es für die Besten der Besten. Und neuerdings auch für ausgewiesene Durchschnittsstudenten und Anti-Streber. Absurd? Absolut. Da könnte man auch gleich bessere Studienbedingungen für alle schaffen, meint Medienprofessor Klaus Arnold.

 

Sie sind Geschäftsführer einer Stiftung, Unternehmer oder vielleicht der Präsident einer Hochschule und wollen Stipendien ausschreiben? Natürlich geht es Ihnen um die besten Köpfe. Die Bewerber sollen hervorragende Leistungen aufweisen, hochbegabt sein, neben den üblichen Standardsprachen zumindest Chinesisch sprechen und sozial engagiert sein.

Gähn! Wie langweilig. In Deutschland gibt es mehr als tausend Fördermöglichkeiten für Studentinnen und Studenten. Viele kleine Stiftungen finden nicht mal genügend Bewerber. Wenn Sie mit Ihrem Laden also irgendwie auffallen wollen, müssen Sie sich schon etwas Besseres einfallen lassen. Der Trend bei den Stipendien geht nämlich in eine ganz andere Richtung: Kreativität ist gefragt!

Die Wittener Initiative für transparente Studienförderung, die im Internet das Stipendiensuchportal „myStipendium.de“ betreibt, macht es vor: Zusammen mit der Stiftung „Eurocentres“ hat sie ein Stipendium für Durchschnittsstudierende ausgeschrieben. Angesichts der Horden von karrierebewussten Hochleistern ist der Normalo oder die Normala ja schon wieder irgendwie interessant. Aber auch wer nicht überzeugend rüberbringen kann, dass an ihm wirklich nichts Besonderes ist, darf hoffen: Ein Stipendium für den witzigsten Nebenjob? Ein Stipendium für den pickligen Nerd mit dicken Brillengläsern? Gibt es alles.

Aus Sicht des Universitätsdozenten ist das eine erfreuliche Entwicklung: Wer will schon in seinen Seminaren nur diese Streber aus Akademikerhaushalten, die den Kurs mit ihrer Besserwisserei nerven und diese perfekten Hausarbeiten schreiben, an denen man fast gar nichts kritisieren kann. Nein, da müssen ganz andere Typen gefördert werden! Was ist in Zeiten des Turbo-Karriere-Studiums zum Beispiel aus dem Studenten  geworden, der seine Unizeit vor allem dazu nutzt, sich in den klassischen Disziplinen Wein, Weib & Gesang fortzubilden? Der kommt zwar nie zu Seminaren, die vor 16 Uhr beginnen, und schläft zumeist gleich ein, hat aber eine vorbildliche Life-Work-Balance vorzuweisen und bereichert zudem das soziale Leben zwischen Unipartys und örtlicher Kneipenszene. Schade, dass es bisher keine Freunde-des-Caipirinhas-Stiftung gibt, die Stipendien für Party-Studierende ausschreibt! Vielleicht wäre das etwas für die Brauereien. Das Stipendium besteht dann aus einer Kiste Bier pro Woche und einem Semester am Ibiza-Clubbing-College inklusive Flug, Unterbringung und Kursgebühren.

Ist das Party-Stipendium ausgelaufen, wird es ja vielleicht etwas mit dem Stipendium für Langzeitstudierende. Nein, nicht mit dem Ziel, dass das Studium nun möglichst bald beendet werden soll. Ganz im Gegenteil. Für jedes Semester, das länger studiert wird, gibt´s einen Bonus. Für die Dozenten hat das den Vorteil, dass sie sich nicht ständig neue Namen merken müssen, und eine wirklich nachhaltige Ausbildung kann schon mal etwas länger dauern. Oder vielleicht ein Stipendium für Immobilität? Einen Schüleraustausch, Au-Pair-Aufenthalte, ein Erasmussemester und Erfahrungen bei einem Entwicklungshilfeprojekt in Afrika hat ja mittlerweile jeder vorzuweisen. Dabei ist es in unserer globalisierten Bildungswelt doch eine viele größere Leistung, immer am gleichen Ort gewesen zu sein. Das sind einmalige und authentische Typen, die muss doch jemand fördern!

Angesichts der Situation an unseren Universitäten müssen wir aber vielleicht in eine ganz andere Richtung denken. Wie sieht es denn bei uns so aus? Die Hörsäle sind überfüllt, die Gebäude schimmeln, die Decken hängen runter, das Mensa-Essen schmeckt nicht und überhaupt regnet es jeden Tag. Deshalb schlage ich ein Stipendium für die leidensfähigsten Studierenden vor. Wer dieses Stipendium bekommen will, müsste dann diverse Prüfungen bewältigen. Zum Beispiel könnte man einen Wettlauf veranstalten, bei dem es darum geht, ein bestimmtes Buch in der Bibliothek zu ergattern. Oder die Kandidaten müssten zwei Stunden mit 60 Leuten in einem miefigen Seminarraum für 20 Personen aushalten, ohne in Ohnmacht zu fallen. Und was beinhaltet dieses Stipendium? Ganz einfach: Gute Studienbedingungen, wie sie eigentlich allen Studentinnen und Studenten zustehen sollten.

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