Der Plan von der Abschaffung des Privilegs
Seit den Plagiatsfällen steht die Qualität der Promotion und mit ihr die Universität in der Kritik. Ist das universitäre Privileg zur Verleihung des Doktorgrads noch zeitgemäß? Nein, findet Schleswig-Holsteins Wissenschaftsministerin Waltraud Wende. Sie will Fachhochschulen das Promotionsrecht geben und bohrt damit ein dickes Brett.
Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, kann sie stur sein wie ihr Norfolk Terrier Wolpino. Der lugt neugierig unter dem Schreibtisch seines Frauchens im Ministerium für Bildung und Wissenschaft in Kiel hervor. „Zwar ist er ein Dickkopf, aber er ist auch sehr kommunikativ und zu allen freundlich – das bin ich auch“, sagt Professorin Dr. Waltraud Wende. Eine Portion Selbstironie kann nicht schaden. Denn wenn Waltraud ‚Wara‘ Wende sich für ihre Überzeugung einsetzt, macht sie sich nicht nur Freunde: „Ich bin sicherlich nicht sehr angepasst.“
Plagiatsfälle könnten Plan stützen
Das haben mittlerweile nicht nur ihre Kollegen in den übrigen Wissenschaftsministerien von Bund und Ländern bemerkt, sondern auch die Rektoren und Präsidenten an Deutschlands Hochschulen. Wende will Fachhochschulen das Promotionsrecht geben. Ein Tabubruch. Angekündigt hat ihn die Kieler Ministerin bereits im vergangenen November (duzMagazin 01/2013, S. 24). Der Plan von der Abschaffung des universitären Promotionsprivilegs in Schleswig-Holstein ist zwar unabhängig von den Plagiatsfällen entstanden. Und doch könnten diese nun bei der Durchsetzung des Plans helfen. Nach dem Entzug des Doktortitels von Annette Schavan durch die Universität Düsseldorf steht die Qualität der Promotion und mit ihr die Universität in der Kritik. Ist die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses in den Händen der Universität wirklich alternativlos?
„Das Promotionsrecht allein für Universitäten ist ein alter Zopf.“
Die Frage steht für Wende noch nicht einmal im Vordergrund. Sie sieht die Sache ganz pragmatisch: „Das Promotionsrecht allein für Universitäten ist ein alter Zopf. Fachhochschulen sind anders, aber gleichwertig“, sagt die 55-Jährige, „in der Wirtschaft ist das längst angekommen, da verdienen Absolventen von Fachhochschulen längst nicht mehr weniger als Uni-Absolventen. Die Wirtschaft weiß um die hohe Qualität der angewandten Ausbildung an Fachhochschulen.“ Für das Land Schleswig-Holstein feilt Waltraud Wende nun also an einer Reform, die Anfang 2014 in die geplante Novellierung des Hochschulgesetzes einfließen soll. Was insbesondere die Universitäten davon halten, will die Ministerin in den kommenden Monaten auf Werbetour für ihre Idee und im Dialog mit den davon Betroffenen herausfinden. Bestenfalls kann sie dann Ende des Jahres einen Gesetzentwurf in den Landtag einbringen.
Die Veränderung plant Waltraud Wende, die in Schleswig-Holstein für drei Universitäten, vier Fachhochschulen (FHs) und zwei Kunsthochschulen zuständig ist, in drei Schritten: Erstens sollen forschungsstarke FH-Professoren auch an Unis berufen werden können, sodass sie damit automatisch das Promotionsrecht an der FH hätten. Zweitens sollen herausragende FH-Bereiche ein Promotionsrecht bekommen. Drittens will Wende ein Landesprogramm für Kooperationen auflegen, ähnlich den bestehenden bundesweiten Promotionskollegs.
Ersteres ist bereits für zwei FH-Professoren in Flensburg geschehen. Das hatte Wende durchgesetzt, als sie noch Präsidentin der Universität Flensburg war. „Es gibt einen Passus im Hochschulgesetz, den ich kreativ gelesen habe. Ich bin Germanistin, da lernt man interpretieren“, sagt sie. Jedoch betont sie, dass grundsätzlich die Qualitätssicherung im Auge behalten werden müsse – gerade im Zusammenhang der Aberkennung des Doktortitels von Annette Schavan und ihrem Rücktritt als Bundesbildungsministerin Anfang Februar.
Aus ihrer Erfahrung als Professorin an der niederländischen Universität Groningen weiß Waltraud Wende, dass Promotionsverfahren auch anders als in Deutschland ablaufen können: „In Groningen durfte ich meine Promovenden nur bis zur Fertigstellung der Arbeit betreuen, das Gutachten und die Bewertung der Leistung haben andere übernommen – aus der Fakultät und Externe.“ Das möchte sie auch in Schleswig-Holstein einführen, „auch wenn der Aufschrei riesig sein wird. Wir müssen etwas mehr zur Qualitätssicherung tun.“
„Status ist ihr relativ egal. Frau Wende ist ein nicht hierarchisch denkender Mensch.“
Was Waltraud Wende als Ministerin fordert, ist für frühere berufliche Weggefährten keine Überraschung. „Es ist die Weiterentwicklung dessen, was sie schon als Präsidentin der Universität Flensburg vertreten und erreicht hat“, sagt Prof. Dr. Stephan Panther. Er ist an der Uni Flensburg Professor für Internationale und Institutionelle Ökonomie und war zur Zeit Wendes Vizepräsident im Bereich Forschung und Internationales. „Status ist ihr relativ egal. Frau Wende ist ein nicht hierarchisch denkender Mensch“, sagt er. Stets bemüht um gute Hochschullehre, sei sie immer schon FH-freundlich gewesen.
Nähe zu FHs gesucht
Deshalb war Waltraud Wende als Präsidentin von Oktober 2010 bis Juni 2012 an der Uni Flensburg die gute und enge Zusammenarbeit mit der Fachhochschule auf dem gemeinsamen Campus sehr wichtig. Sie sorgte nicht nur für die Zweitberufung von zwei FH-Professoren an die Uni. „Sie ist neugierig und hat sich von Beginn an für die Fachhochschule, ihr Potenzial und ihre Leistungen interessiert“, sagt Prof. Dr. Herbert Zickfeld, Präsident der FH Flensburg. „Zusammen haben wir Gräben zugeschüttet, die jahrelang zwischen Fachhochschule und Universität lagen“, sagt er. Dazu gehörten gemeinsame Präsidiumssitzungen sowie eine erste gemeinsame „Campus-Welt“ als ein Tag der offenen Tür.
Wie Waltraud Wende für eine Sache kämpft, von der sie überzeugt ist, lässt sich an ihrem Einsatz für den Erhalt der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Flensburg sehen. „Sie kam in einer sehr unruhigen Zeit, die Wirtschaftswissenschaften wollte man auslaufen lassen. Gleich nach ihrer Wahl, noch bevor sie offiziell als Präsidentin im Amt war, hat sie sich unsere Ideen zum Ausbau der Mittelstandsforschung angehört, war überzeugt und hat uns entscheidend unterstützt“, erinnert sich Prof. Dr. Thomas Behrends vom Internationalen Institut für Management und ökonomische Bildung der Uni Flensburg. Zusammen mit der FH Flensburg ist damals das Dr. Werner Jackstädt-Zentrum für Unternehmertum und Mittelstand gegründet worden und somit die wirtschaftswissenschaftliche Kompetenz am Standort erhalten geblieben – auch dank dem Einsatz von Wende, die die Kompetenz und das Potenzial der Fachrichtung gesehen hat.
„Sie ist eine Überzeugungstäterin“, sagt Herbert Zickfeld, „sie lebt intensiv ihre Ideale und Überzeugungen.“ Dabei sei Wara Wende „mutig, selbstbewusst und impulsiv“. Manchmal wolle sie auch mit dem Kopf durch die Wand, was sie das eine oder andere Mal sicherlich auch in die Bredouille bringe. Doch dass sie mit der Brechstange nichts erreicht, weiß Waltraud Wende nur zu gut. „Von oben herab Anweisungen zu geben, bringt gar nichts, das weiß ich aus eigener Erfahrung an der Hochschule“, sagt sie. Man könne nur etwas erreichen, wenn alle davon überzeugt sind und an einem Strang ziehen.
Sie scheut keine Diskussionen
Als Ministerin wird sie deshalb intensiv den Dialog mit den Institutionen suchen – vor allem in Sachen Promotionsrecht. „Sie weiß zwar, was sie will. Doch sie ist ein sehr streitbarer und konfliktfähiger Mensch“, sagt Panther, „sie hört zu, lässt andere Argumente gelten und sich gegebenenfalls von anderen Meinungen überzeugen.“ Zickfeld bestätigt: „Sie ist sachorientiert und immer fair.“ Ihr großer Vorteil als Politikerin sei, dass sie die andere Seite kenne. „Ich weiß auch um die sensiblen Stellen an Hochschulen“, sagt Wende. Als Beispiel nennt sie den Vorschlag des Wissenschaftsrates, flächendeckend alle Fächer aller Hochschulen zu evaluieren. „Das kostet viel Geld. Dabei wissen die Hochschulen doch, wo ihre Stärken und Schwächen liegen, das muss nicht evaluiert werden. Vielmehr sollte man mit gesundem Menschenverstand handeln und nicht mitlaufen, nur weil es grad im Trend ist und alle es wie ein Mantra wiederholen. Manchmal muss man auch dagegen sein, wenn man von etwas anderem überzeugt ist.“ Auch als Ministerin vertritt Waltraud Wende konsequent ihre Meinung.
Waltraud ‚Wara‘ Wende
Waltraud ‚Wara‘ Wende
Geboren 1957 in Nordrhein-Westfalen, studierte Waltraud Wende Allgemeine Literaturwissenschaft, Germanistik, Geschichte, Pädagogik und Soziologie an der Universität-Gesamthochschule Siegen. Dort promovierte sie 1989. 1994 folgte die Habilitation zur Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaftlerin. Schon ihr Name verrät Unkonventionelles: Irgendwann fand sie Waltraud zu altmodisch. Also nennt sie sich Wara. Sie lehrte an den Universitäten in Witten/Herdecke, Kassel und Mainz. Von 2000 bis 2010 war sie Professorin für Literatur und Kultur der deutschsprachigen Gebiete an der Rijksuniversiteit Groningen. Im Oktober 2010 wurde sie zur Präsidentin der Universität Flensburg gewählt. Seit Juni 2012 ist die Parteilose Bildungs- und Wissenschaftsministerin Schleswig-Holsteins.
DUZ Magazin 04/2013 vom 22.03.2013