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Eine Vorlesung digitalisiert und in Häppchen aufgeteilt ins Internet stellen – das kann jeder. E-Learning auf akademischem Niveau braucht aber mehr. Beispiele guter Online-Lehre gibt es, doch ein allgemein gültiges Modell ist nicht in Sicht.

Tsunami, Revolution, Hype – war in jüngster Vergangenheit von den Online-Kursen Moocs (Massive open online courses) die Rede, mussten stets Superlative her. Mittlerweile ist die Euphorie zumindest in Deutschland einem pragmatischen Realismus gewichen: Die Phase der Analyse und der Strategieentwicklung hat begonnen. Einen Aufschlag liefern der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), die am 27. November Experten aus Hochschulen, Politik und Wirtschaft zu einer Tagung in Berlin versammeln. Bereits der Titel der Konferenz, „Moocs and beyond – Chancen, Risiken und Folgen digitaler Bildungsangebote für die deutsche Hochschullandschaft“, macht klar: Es geht um mehr als nur um die kleinen Vorlesungshäppchen im Internet, die die Hochschulwelt in den vergangenen Monaten in Atem hielten. Es geht ums große Ganze, ums Thema E-Learning.

Moocs, die Initialzünder

Untermauert hat das CHE dies Ende Oktober in einem Arbeitspapier (duz EUROPA 09/2013, S. 12). Demnach sollten die Online-Kurse Initialzünder für weitreichende Umgestaltungen in der Lehre sein. „Moocs stellen nur eine besonders prominente Variante für digitale Wissensvermittlung dar“, sagt Julius David Friedrich, beim CHE verantwortlich für die Digitalisierung in den Hochschulen. Die Moocs hätten das Thema digitale Lehre in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Als ein Beispiel gilt die große mediale Aufmerksamkeit um den deutschen Online-Anbieter iversity, der Mitte Oktober die ersten von 25 Moocs freischaltete. In den ersten drei Wochen schrieben sich mehr als 220.000 Teilnehmer für die Kurse ein.

Die CHE¬Studie belegt einmal mehr,  dass die Hochschulen die Potenziale der Digitalisierung der Lehre noch nicht ausgeschöpft haben. „Der Einsatz digitaler Technologien würde es erleichtern, mit einer wachsenden und immer heterogeneren Studierendenschaft umzugehen“, sagt CHE-Geschäftsführer Dr. Jörg Dräger. Standardisierte Inhalte für Grundlagen- und Einführungskurse könnten die Effizienz der Lehrangebote erhöhen und Lernenden einen individuellen Lernweg ermöglichen.

Ein Beispiel, wie sich die Qualität der Lehre wirklich nachhaltig erhöhen lasse, ist aus Sicht des CHE-Experten Friedrich das Format „inverted classroom“. Dabei sind Vorlesungen vorab online verfügbar. Diese würden dann aber kombiniert mit einer im realen Hörsaal nachgelagerten Diskussion zwischen Professor und Studierenden über die Inhalte, die zuvor im Netz bereitgestellt wurden. Insgesamt ermögliche die Digitalisierung eine Reihe von neuen Lehrformaten, die zu einer besseren „Individualisierung und Adaption des Lehrwegs“ führen können, ist Friedrich überzeugt.

Neu ist das Thema digitale Lehre für die Hochschulen in Deutschland aber beileibe nicht. Seit vielen Jahren werden für den Einsatz in den Hörsälen entsprechende Instrumente täglich angewandt oder getestet (siehe duzMAGAZIN 2/2013, S. 8). Doch mit immer neuen Technologien ergeben sich im E-Learning auch permanent neue Möglichkeiten. Zum Arbeitsalltag gehören heute mobile Endgeräte, Social Media und Breitbandnetze. Hinzu kommt: „Die digital natives kommen ins studierfähige Alter“, betont Friedrich. In den Hochschulen sitzt nun eine Generation von Studierenden, die mit Internet und Computer aufgewachsen ist. Tafel, Kreide und stoisches Durcharbeiten von trockenen, seitenlangen Buchkapiteln gehören nicht zu ihren favorisierten und als effizient angesehenen Lernformaten.

Während die Diskussion zur Rolle der Moocs in Deutschland schon sehr weit fortgeschritten ist, steht auf europäischer Ebene derzeit noch die Sensibilisierungsphase an. Diesen Eindruck vermitteln zumindest Zahlen, die der beim Europäischen Dachverband der Universitäten EUA (European University Association) für Hochschulpolitik zuständige Referent Michael Gaebel bei einem Seminar der Academic Cooperation Association und der EUA im Oktober in Brüssel präsentierte. Demnach hat von 175 befragten EUA-Mitgliedshochschulen die Hälfte das Thema Moocs noch gar nicht diskutiert; einem Drittel war das Thema Moocs nicht bekannt. Aktuellen EUA-Zahlen aus dem Oktober zufolge boten Europas Hochschullehrer 345 Moocs an. Außerhalb Europas liegt die Anzahl der Kurse mit 760 deutlich höher.

Einen der zentralen, bislang noch ungeklärten Punkte sehen viele auch noch in der Qualitätssicherung beim Thema E-Learning. Die Organisation Efquel (European Foundation for Quality in E-Learning) lud dazu Experten aus ganz Europa Ende September zu einer Tagung ein. Die Bilanz: „Wir stehen noch ganz am Anfang, ein übergreifendes Verständnis zu haben, was gute Qualität und schlechte Praxis im E-Learning eigentlich sind“, sagt Efquel-Vorsitzender Prof. Dr. Ulf Daniel Ehlers. Beispielsweise seien die hohen Abbrecherquoten bei den Moocs kein Zeichen schlechter Qualität. Sie würden nicht wie traditionelle Kurse von Anfang bis Ende besucht, sondern oftmals nur sehr selektiv.

„Moocs gehen in die Breite, Spocs dagegen sind eher spezifisch.“

An den US-amerikanischen Elitehochschulen ist die Diskussion bereits ein Stückchen weiter. Das sagt Oliver Janoschka, Programmleiter Forschung, Transfer und Wissenschaftsdialog beim Stifterverband. Der neueste Trend sind demnach Spocs (Small private online courses). „Dieses Online-Lehrformat richtet sich anders als bei Moocs an überschaubare Studierendengruppen. Moocs gehen in die Breite, Spocs sind dagegen eher spezifisch“, erklärt Janoschka. Es gebe viele Spielarten für neue netzbasierte Lehrformate und aktuell werde „noch mal viel experimentiert“. Der Stifterverband wird deswegen im Frühjahr des kommenden Jahres einen Wettbewerb ausrufen, in dem die Hochschulen darin unterstützt werden sollen, ihre Digitalisierungsstrategien weiterzuentwickeln und erfolgreich umzusetzen. 1,8 Millionen Euro stellt der Stifterverband dafür zur Verfügung.

Ein Verdienst schreibt Janoschka den Moocs aber zweifellos zu: „Moocs sowie die Dynamik in diesem Bereich haben der Hochschullehre einen anderen Stellenwert zugewiesen“, betont er. Themen, die jahrelang ein Schattendasein führten, werden nun breit diskutiert. Dabei gehe es um die Kernfragen: Wie sieht gute Lehre aus? Wie lässt sich Lernerfolg messen?

In den USA beschleunigten die hohen Studiengebühren für Präsenz-Studiengänge an den Universitäten die Verbreitung der kostenlosen Moocs in den vergangenen zwei Jahren. Diesen Kostentreiber gibt es in Deutschland aktuell nicht. Studiengebühren werden demnächst in allen Bundesländern abgeschafft sein. Doch spätestens mit Einsetzen der Schuldenbremse ab 2020 dürfte sich auch hierzulande der Spardruck auf die Hochschulen verstärken.

Darauf will sich die Hochschulwelt vorbereiten. Im Frühjahr 2014 solle deswegen das Nationale Forum „Digitalisierung und Hochschulbildung“ seine Arbeit aufnehmen, kündigt Janoschka an. Stifterverband, CHE, Hochschulrektorenkonferenz und das Bundesministerium für Bildung und Forschung sollen dafür zusammenarbeiten. Experten aus Hochschulen, Politik und Wirtschaft wollen sich bei dem auf drei Jahre angelegten Programm regelmäßig mit aktuellen Fragen, Herausforderungen sowie mit Best-Practice-Modellen und Pilot-Initiativen auseinandersetzen. Auf der Agenda stehen Themen wie Hochschulmanagement, Organisationsentwicklung, Lehr- und Prüfungsszenarien, Geschäftsmodelle oder ein Curriculum-Design für lebenslanges Lernen – alles vor dem Hintergrund der Digitalisierung.

„Die Plattform wird nicht hinter verschlossenen Türen arbeiten“, betont Janoschka. Von Beginn an gehe es um einen Dialog mit den Hochschulen.

Mehr zu E-Learning – weiterlesen auf www.duz.de

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