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Wer hat im Schwabenland die Zügel in der Hand?

Das neue Landeshochschulgesetz in Baden-Württemberg soll im nächsten Jahr die Promotion regeln. Das ist ein Novum. Dürfen die Hochschulen das zulassen? Kritiker befürchten, dass das der Anfang vom Ende der Autonomie der Universitäten ist.

Baden-Württemberg schreitet voran: Mit der Neuregelung des Landeshochschulgesetzes im Sommer 2014 wird das Promotionswesen nicht mehr allein in der Hand der Hochschulen liegen. Mitte Oktober machte das grün-rote Kabinett den Weg frei für einen Gesetzentwurf. Darin sind wesentliche Teile eines Eckpunktepapiers zur Qualitätssicherung im Promotionsverfahren enthalten, welches im Frühjahr unter Beteiligung der Landesrektorenkonferenz erarbeitet wurde.

Geben die Hochschulen damit ihre Autonomie in Sachen Promotion aus der Hand? Kollegen äußerten Vorwürfe gegen Prof. Dr. Karl Joachim Ebeling, Rektor der Uni Ulm, der als Sprecher der Landesrektorenkonferenz das Eckpunktepapier mit ausgearbeitet hatte. Dass er durch eine Mitarbeit an einem ministeriellen Erlass gleichsam vorauseilend die Autonomie der Universitäten abgegeben habe, weist er zurück: „Ich vertrete staatliche Hochschulen. Staatliche Hochschulen sind keine privaten Einrichtungen. Wir bekommen Geld von den Bürgern. Also sind wir zu Rechenschaft und Kooperation verpflichtet.“ Entscheidend für die Hochschulen sei, dass sie in der Auswahl ihrer Professoren und Doktoranden frei blieben: „Und das bleiben wir“, sagt Ebeling.

Unis können nicht alles alleine lösen

Diplomatisch äußert sich der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Prof. Dr. Horst Hippler. Die Einbeziehung der Rektoren in das ministerielle Gesetzesvorhaben sei „ein vorbildliches Verfahren – besser kann es eigentlich nicht laufen“. Hochschulen könnten manche Punkte „nicht allein lösen“, sagt er, vor allem die Erfassung von Promovierenden und die damit verbundene Einführung eines neuen Status für Doktoranden.

Vielleicht hat sich Hippler in den vergangenen Monaten überzeugen lassen, dass gesetzliche Vorschriften im Promotionsverfahren für die Hochschulen hilfreich sein können. Denn in einem Interview des Südwestrundfunks im April hatte er das Gesetz noch als „überflüssig“ und geprägt von „Aktionismus“ bezeichnet. Seine Begründung damals: Die Eckpunkte regelten kaum etwas, was die Hochschulen und/oder die Wissenschaftsorganisationen selbst nicht längst geregelt hätten. Offenbar ist dem nicht so. Oder wieso muss der Gesetzgeber die Hochschulen an die Hand nehmen? Ebeling sagt: „Man braucht sicher verlässliche Leitlinien zur Durchführung einer Promotion. So kann auch zum Beispiel eine große Zahl an Doktoranden allein noch kein Qualitätssiegel für einen Lehrstuhl darstellen.“ Zwar sei mit dem Gesetz „kein Patentrezept gegen wissenschaftliches Fehlverhalten“ gefunden, aber immerhin sei ein großer und wichtiger Schritt gemacht. Zunächst würden solide Daten darüber benötigt, wie viele Promovierende es überhaupt gibt.

Promovierende erfassen

Und dabei soll das Landeshochschulgesetz behilflich sein. Denn es schreibt vor, dass künftig der Zeitpunkt der Betreuungszusage als offizieller Beginn des Promotionsverfahrens zählt. Damit kann die Zahl der Promovierenden erfasst werden. Dass bezüglich der Datenerfassung Nachholbedarf besteht, erläutert Ebeling mit einem Beispiel: „Wenn es aus einer Uni heißt, es gäbe geschätzt 6000 Doktoranden, aber nur 400 Abschlüsse im Jahr – dann ist das ja leicht zu rechnen. Es würde 15 Jahre brauchen, um den Berg abzuarbeiten.“ Probleme sieht Ebeling allerdings bei der Erfassung von medizinischen Promotionen, in Baden-Württemberg immerhin jede dritte: „Die meisten fangen bereits im Studium mit der Forschung an. Von ihnen wird man auch künftig keinen Master-Abschluss als Grundlage für die Zulassung verlangen können.“

Der Gesetzentwurf, der nun im Landtag diskutiert wird, regelt nicht nur die Erfassung der Promovenden, sondern auch die Zulassung. Über die Annahme zur Promotion sollen nicht einzelne Professoren entscheiden, sondern ein kollegial besetzter Ausschuss. Voraussetzung für eine Promotion soll der Master-Abschluss sein. Promotionen nach dem Bachelor bedürfen einer besonderen Begründung.

Künftig müssen Promovierende und Betreuer beispielsweise auch Vereinbarungen treffen. Diese sollen die „beiderseitigen Rechte und Pflichten“ sowie „Betreuungsintensität“ und „zeitliche Festlegung von Betreuungsgesprächen“ regeln. Die Beteilig-
ten verpflichten sich darin außerdem zur Einhaltung „guter wissenschaftlicher Praxis“ sowie zur regelmäßigen Fortschreibung von Zeitplänen. Dr. Wolfgang Löwer, Professor für Öffentliches Recht und Wissenschaftsrecht in Bonn und Mitglied im Ombudsmann-Gremium der Wissenschaft, warnt angesichts „normativ intensivierter Betreuungskonzepte“ davor, wissenschaftlichen Nachwuchs zu bevormunden. „Das sind erwachsene Menschen“, sagt Löwer. Auch Horst Hippler betont, dass die mit den Nachwuchswissenschaftlern zu treffenden Vereinbarungen weiterhin der Verantwortung der Hochschulen und Fakultäten unterliegen müssen.

Gestärkt wird im Gesetzentwurf die Gruppe der Doktoranden: An den Hochschulen Baden-Württembergs sollen Promovierendenkonvente eingerichtet werden, die Empfehlungen an die Organe der Hochschule aussprechen können. Auch eine Ombudsperson für Konfliktfälle in Promotionsverfahren wird gesetzlich festgeschrieben. Zudem soll die Dissertation grundsätzlich Bestandteil der mündlichen Prüfung werden. Die allgemeine Verpflichtung zur Einführung eines Qualitätsmanagements an den Universitäten soll künftig auch für das Promotionswesen gelten. Wenigstens bleibt den Hochschulen überlassen, mit welchen Instrumenten sie dieses einbeziehen.

Löwer lehnt gesetzliche Vorschriften generell ab. „Dazu brauchen Universitäten die Politik nicht“, sagt er, „in den Eckpunkten steht nichts, was nicht in allen einschlägigen Papieren der Wissenschaftsorganisationen steht.“ Zudem seien viele Formulierungen wenig griffig – beispielsweise jene, die Dauer des Korrekturverfahrens bei der Abgabe einer Promotion individuell zu vereinbaren. Vor allem aber sei zu befürchten, dass diese Eingriffe Schule machen.

Das könnte tatsächlich bevorstehen. Bereits vor der Sommerpause stand das Eckpunktepapier auf der Agenda eines Treffens in Berlin. Daran teilgenommen hatten Mitglieder der Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen, deren Sprecher ebenfalls Horst Hippler ist, und Abgeordnete des Ausschusses für Bildung und Forschung im Deutschen Bundestag. Thema war, inwieweit das baden-württembergische Modell bundesweit zum Einsatz kommen könnte. Denn auch andere Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen, das bisher schon nicht untätig in Sachen Promotionswesen war, stehen vor einer Neuauflage ihrer Landeshochschulgesetze.

Dabei könnte das baden-württembergische Gesetz die Blaupause sein. Umgekehrt schauen sich die Schwaben etwas in Nordrhein-Westfalen ab. So wird das Stuttgarter Ministerium unter Leitung der grünen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer außerhalb des Landeshochschulgesetzes die Kopplung der Zahl der Promotionen an die leistungsorientierte Mittelvergabe abschaffen. Damit folgt Baden-Württemberg der nordrhein-westfälischen Landesregierung. Auch sie gibt den Hochschulen künftig nicht mehr Geld, wenn sie viele Promovierende vorweisen können.

Was das Gesetz noch regelt

Was das Gesetz noch regelt

  • Außer dem Promotionsverfahren soll im neuen Landeshochschulgesetz Baden-Württembergs festgeschrieben sein, dass sich die Hochschulen von der Idee leiten lassen sollen, als Institutionen autonom, aber „in besonderer Verantwortung gegenüber Gesellschaft und Staat“ zu stehen.
  • Der Einfluss der Hochschulräte soll sich auf strategisches Handeln beschränken und der Senat als Organ der akademischen Selbstverwaltung gestärkt werden. Der Senat soll mehr Einfluss bei der Auswahl der Rektoratsmitglieder bekommen.
  • Im Zuge der Novellierung des Landeshochschulgesetzes kündigte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer Ende September an, Tenure-Track-Professuren einzuführen. Damit sollen Wissenschaftler nach einer befristeten Bewährungszeit eine Stelle auf Lebenszeit erhalten. So können sie früher eigenverantwortlich arbeiten.http://mwk.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/pdf/presse/Ergebnispapier_AG_Mittelbau.pdf
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