Uni Leipzig verweiblicht ihre Grundordnung
Nach 600 Jahren Männerdominanz setzt die Uni Leipzig auf feminine Personenbezeichnungen. Die Schrägstrich-Variante "Professor/Professorin" ist Geschichte. Ein Novum in Deutschland.
Rektorin, Dozentinnen, Wissenschaftlerinnen – da, wo früher in der Grundordnung der Universität Leipzig die sogenannte Schrägstrich-Variante genutzt wurde, also etwa Professor/Professorin, steht künftig ausschließlich die weibliche Personenbezeichnung. Eine Fußnote ergänzt, dass diese feminine Bezeichnung sowohl für Personen männlichen als auch weiblichen Geschlechts gilt. Diese Änderung hat der erweiterte Senat bereits Mitte April beschlossen. Anfang Mai nun stimmte auch das Rektorat um Professorin Dr. Beate Schücking zu. Die Grundordnung tritt in Kraft, wenn das Wissenschaftsministerium nicht innerhalb von vier Monaten eine Änderung fordert. Doch damit rechnet in Leipzig niemand.
Bundesweit wäre die Universität Leipzig damit offenbar Vorreiterin. Andrea Usadel, Informationsmanagerin am Kompetenzzentrum CEWS (Center of Excellence of Women and Science) ist eine solche Regelung an anderen Hochschulen zumindest nicht bekannt. Dass es in Leipzig überhaupt so weit kam, war aber wohl eher Zufall, weniger Folge eines strategischen Plans der 20 Frauen im erweiterten Senat. Bei der Diskussion um die Novelle der Grundordnung störten sich einige der 77 Senatsmitglieder an der Schrägstrich-Variante. Diese hemme die Lesbarkeit, warfen vor allem die Juristen ein. Weil er der zeitraubenden Diskussion im Gremium leid war, machte der Physikprofessor Dr. Josef Käs den Vorschlag, ausschließlich die weibliche Form einzusetzen. „Das war eine spontane Entscheidung ohne politische Ziele“, sagt er. Zur Überraschung des Gleichstellungsbeauftragten der Uni Leipzig, Georg Teichert, stimmte das Gremium für das sogenannte generische Femininum. „Ich hätte niemals gedacht, dass der erweiterte Senat das beschließt, denn bei anderen Themen zur Familienfreundlichkeit und Frauenförderung ist er sonst eher behäbig“, sagt Teichert.
Nicht jeder ist von der Entscheidung begeistert. „Das ist ein Feminismus, der der Sprache nicht gut tut und inhaltlich nichts bringt“, kritisiert der Jurist Prof. Dr. Bernd-Rüdiger Kern. Für den Rechtshistoriker stellt das generische Femininum die historische Sprachentwicklung auf den Kopf, da heutzutage die männliche die weibliche Form beinhalte. „Das hätte man auch mit einer Fußnote erklären können“, sagt er. Rektorin Schücking kommentiert die Entscheidung nüchtern: „Der erweiterte Senat hat den Beschluss gefasst, um die zahlreichen Frauen an der Universität Leipzig in der Grundordnung sichtbarer werden zu lassen.“ An der Uni seien 60 Prozent der Studierenden Frauen, bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern betrage der Anteil 40 Prozent.
Von großer Freude ist auch beim Gleichstellungsbeauftragten wenig zu spüren. „Nur weil die Grundordnung geändert wird, ändert sich noch nichts an den tatsächlichen Verhältnissen“, erklärt Teichert. Er glaube nicht, dass sich damit die Einstellung vieler Professoren verändere. Vielleicht schärfe das aber das Bewusstsein für die Frauenförderung. Denn das Thema habe die Hochschule lange Zeit verschlafen.
Das bestätigt das im April veröffentlichte CEWS-Hochschulranking, in dem die Uni Leipzig in Sachen Gleichberechtigung bundesweit nur einen Platz im Mittelfeld belegt. „Bei den an anderen Hochschulen üblichen Standards, wie etwa die Anzahl der Frauen in den Berufungsverfahren oder die Besetzung der Berufungslisten mit Frauen, haben wir erst in jüngster Zeit aufgeholt“, sagt Teichert. Auf solche Maßnahmen müsse die Uni künftig stärker den Fokus legen, wenn sie Wissenschaftlerinnen fördern wolle.
An der Leizpiger Universitätsmedizin haben sie das offenbar erhört. Für die Medizinerinnen gibt es seit diesem Monat das Mentoring-Programm MentHaProf. Das eigenen Angaben zufolge in Ostdeutschland einzigartige Instrument soll sechs Habilitandinnen zur Professur helfen.
Prof. Dr. Friederike Maier
„Eher Notwehr“
Berlin Die Ökonomin Prof. Dr. Friederike Maier von der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) in Berlin erklärt, warum sie den Leipziger Ansatz richtig findet.
duz: Sie sind Gutachterin des Netzwerks Gender Equality and Employment der EU-Kommission. Ist der Weg Leipzigs ein Fortschritt für die Frauen?
Maier: Ich sehe das eher als Notwehr. Wir haben an unserer Hochschule die Vorschrift, geschlechtergerecht zu formulieren. Also nutzen viele die männliche Formulierung und machen eine Fußnote, dass auch Frauen gemeint sind. Ich fühle mich damit nicht mitgemeint. Deshalb finde ich es gut, zu sagen, wir drehen das mal um.
duz: Ist das ein Signal für das Binnenklima an den Hochschulen?
Maier: Natürlich, denn wenn wir Frauen klagen, dass wir uns ausgegrenzt fühlen, dann ruft das in der Regel ein mildes Lächeln der Kollegen hervor. Jetzt läuft das mal andersrum und die Männer regen sich auf. Vielleicht landen wir am Ende doch bei einem geschlechtergerechteren Umgang miteinander.
duz: Werden Sie nun als Vize-Präsidentin an der HWR die weiblichen Personenbezeichnungen anregen?
Maier: Ich hatte das schon einmal eher im Scherz vorgeschlagen. Es wäre jedoch schön, wenn das eine Diskussion auslöst, wie wir auch sprachlich wertschätzend miteinander umgehen sollten.
Das Interview führte Benjamin Haerdle.
DUZ Magazin 06/2013 vom 31.05.2013