Der Kampf ums Treppchen
Universitätsrankings sind beliebt und verhasst zugleich. Die Ranglisten gelten Politikern und Hochschulchefs als Gradmesser für die Reputation einer Hochschule. Mit Folgen: So manche Uni frisiert die Zahlen, um gut dazustehen.
Es war im Dezember 2011. Da war im Wissenschaftsjournal Science zu lesen, dass zwei saudi-arabische Universitäten zielgerichtet und erfolgreich Spitzenforscher von US- und UK-Eliteuniversitäten wie Harvard und Cambridge rekrutiert hatten. Für ein Honorar von umgerechnet rund 50.000 pro Jahr brauchten sie nichts weiter zu tun, als einmal im Jahr für kurze Zeit vor Ort zu sein und in allen Publikationen ihre Verbindung zur jeweiligen saudischen Universität anzugeben. Ergebnis: Beide Universitäten schafften es, innerhalb von zwei bis drei Jahren im Shanghai-Ranking der Gruppe der nichtgelisteten Universitäten zu entkommen und in die Gruppe der 200 bis 300 Top-Universitäten aufzusteigen.
Der Fall macht deutlich: Universitäten kaufen die Reputation von Forschern ein, um ihre eigene Reputation zu steigern. Und es gibt Wissenschaftler, die sich kaufen lassen – sehenden Auges. Zwar sind nicht alle angesprochenen Spitzenforscher auf den Handel eingegangen, aber die größte australische Tageszeitung The Australian veröffentlichte im März vergangenen Jahres eine Liste von 60 häufig zitierten Forschern, die im Jahr zuvor als hoch renommierte Ehren-Professoren an einer der beiden saudischen Universitäten ernannt wurden. Die Namen auf der Liste gehören allesamt Männern, einige von ihnen sind Emeriti. Sie kommen aus den USA, Kanada, Australien und Asien genauso wie aus Europa. 13 von ihnen sind nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 6. Juni 2012 aus Deutschland.
Mit den besten Beziehungen zur Ranking-Agentur
Die australische Universität von New South Wales veröffentlichte kürzlich eine Stellenausschreibung für „strategisches Reputationsmanagement“ und die ebenfalls in Australien beheimatete La Trobe University suchte einen „Manager für institutionelle Rankings“. Für umgerechnet rund 380.000 Euro pro Jahr, so war den Stellenbeschreibungen zu entnehmen, sollten die Beziehungen zu RankingAgenturen gepflegt sowie die Position der jeweiligen australischen Universität in den Rankings „maximiert“ beziehungsweise „optimiert“ werden. Angesprochen auf die Ausschreibung ließ sich der Vizepräsident der New South Wales Universität im Online-Magazin Inside Higher Ed Ende März mit der Aussage zitieren, dass es essenziell sei, ein Team zu haben, das sich damit beschäftigt, die Zahlen „richtig“ zu präsentieren.
Manipulieren – aber richtig!
Was ist damit gemeint? Wie funktioniert die Manipulation von Rankings? Und viel wichtiger: Hat eine solche Praxis noch mit guter Wissenschaft zu tun? Deutlich wird, dass Ranglisten zugleich verführen und nötigen. Diejenigen Universitäten, die sich am Ranking-Spiel beteiligen wollen, müssen die Messlogik der Rankings internalisieren und institutionalisieren. Die beiden amerikanischen Hochschulforscher Christopher Morphew und Christopher Swanson kommen in ihrem 2011 erschienenen Aufsatz „On the Efficacy of Raising Your University’s Ranking“ zu der Einschätzung, dass „Rankings determinieren oder sogar kodifizieren, welche Arten von organisationalem Verhalten und Praktiken legitim sind“.
Insofern wissen die Mitspieler, dass sie zu den Bedingungen der jeweiligen Messungen erfolgreich sein müssen. Ranking-Positionen haben eine Signalwirkung nach außen und tragen auf eine scheinbar objektive Weise zur Diskussion darüber bei, was eigentlich Qualität im Hochschulbereich konstituiert. Deshalb verwenden Universitäten eine Reihe von Spieltechniken, um ihre Position in den Rankings zu verbessern. Morphew und Swanson geben im gleichen Aufsatz Beispiele von US-amerikanischen Universitäten:
- Lehrkräfte für besondere Aufgaben werden nicht mitgezählt, wenn Zahlen über den Anteil des vollzeitig beschäftigten akademischen Personals übermittelt werden.
- Zulassungszahlen werden so dargestellt, dass sich eine hohe Selektivitätsrate ergibt.
- Für Hochglanzbroschüren wird sehr viel Geld ausgegeben, um die Punktzahl für Reputation zu erhöhen.
Entsprechend kommen die beiden Autoren zu dem Schluss, dass diese Formen der Beteiligung am Ranking-Spiel die Legitimität von Rankings infrage stellt – und sie zugleich verstärkt. Ein klassisches Paradox.
In ihrer bereits im Jahr 2007 veröffentlichten Befragung von Hochschulleitungen hat die irische Hochschulforscherin Ellen Hazelkorn herausgefunden, dass 93 Prozent der Befragten die Rangposition ihrer Universität in nationalen und 82 Prozent die Rangposition ihrer Universität in internationalen Rankings verbessern wollen. 70 Prozent wollten ihre Universität unter den Top 10 Prozent in nationalen Rankings sehen und 71 Prozent unter den Top 25 Prozent in internationalen Rankings. Andere Studien haben jedoch gezeigt, dass Variabilität in Rankings nur vorübergehend ist und nach zwei Jahren meist wieder verschwindet. 20 Hochschulen des US News and World Report Rankings sind zwischen 1988 und 1998 nie aus der Top-Gruppe der 25 Bestplatzierten herausgefallen. Es ist daher für andere Universitäten fast unmöglich, in diese Gruppe aufzusteigen.
Außer Spesen nix gewesen?
Globale Rankings wie das Shanghai Jiao Tong Ranking oder das Ranking des Times Higher Education Supplement stellen Informationen über vier bis sechs Prozent aller Universitäten weltweit zur Verfügung mit der Folge, dass „alle Hochschulen auf der Grundlage von Kriterien beurteilt werden, die nur für Spitzenuniversitäten angemessen sind“. Diese Einschätzung des Generalsekretärs der lettischen Hochschulrektorenkonferenz und Hochschulforschers Andrejs Rauhvargers ist nachzulesen in dem 2011 erschienenen Ranking-Report des europäischen Hochschulverbands EUA (European University Association). Das führt nach Ansicht des britischen Hochschulforschers William Locke zur Konstruktion eines Defizit-Modells, das die Hochschulen, die sich am Ranking-Spiel beteiligen, dazu treibt, eine Aufholjagd zu beginnen, um ihre Ranking-Position zu verbessern. Gleichwohl bieten Rankings kaum eine Möglichkeit, in die Spitzengruppe aufzusteigen. Warum dann also die Aufregung?
- Erstens: Gute Ranking-Positionen führen dazu, dass sich bessere Studierende und Wissenschaftler bewerben. Die Spendenbereitschaft der Alumni steigt, in vielen Ländern gibt es eine höhere staatliche Mittelzuweisung.
- Zweitens: Über Rankings wird Reputation verteilt. Und Reputation ist eine wichtige immaterielle Ressource, die schwer aufzubauen und leicht zu verlieren ist.
- Drittens: Rankings sind bei politischen Entscheidungsträgern populär. Zum einen, weil sie Komplexität reduzieren. Zum anderen, weil eine hohe Ranking-Position einer oder mehrerer Universitäten im Land als Indikator für die wissenschaftlich-technologische Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft gilt.
Aber: Rankings sagen letztlich nichts über die Qualität der Hochschule insgesamt aus, auch wenn sie vorgeben, es zu tun. Und: Es gibt nur wenige Spieler, die die Chance haben, das Spiel gewinnbringend mitzuspielen. Für den Weltbank-Forscher Jamil Salmi gehören dazu vorrangig große, breit aufgestellte (das heißt mit Medizinfakultäten ausgestattete), vorzugsweise ältere und forschungsintensive Universitäten im englischsprachigen Raum, die folgendes mitbringen: üppige Ressourcen, ein wohlwollendes Management und eine Konzentration von Talent. Die übrigen potenziellen Spieler sollten lieber auf das Spiel verzichten, sie haben keine Chance.
DUZ Magazin 06/2013 vom 31.05.2013