
Bürokratieabbau ist Arbeit
Ob in Ministerien, Handelskammern oder Hochschulen. Überall gibt es momentan Empfehlungen, Arbeitskreise oder Initiativen zum Bürokratieabbau. Aber Entbürokratisieren ist gar nicht so einfach und geht nur mit Liebe zum Detail
Wie diffizil es ist, der Bürokratie zu Leibe zu rücken, zeigt sich im Fall der „Lump sum“-Finanzierung bei Drittmitteln von Hochschulen. Diese hat die EU-Kommission in einigen ihrer Finanzierungsprogramme für Hochschulen eingeführt. Das bedeutet, im Projekt wird ein Budget kalkuliert, das hinterher flexibel verwendbar ist. Statt genauer Zeitaufschreibung sind Arbeitspakete und -ergebnisse definiert, deren Dokumentation gegenüber der EU die Zahlung der vereinbarten Budgetraten auslöst. Berichtspflichten sind also nicht ganz verschwunden, beziehen sich aber grundsätzlich auf den Output. Für mich ist das ein System mit angemessener Bürokratie: Der Aufwand für Finanzberichterstattung und Zeitaufschreibung ist beseitigt, das Budget kann bestmöglich und flexibel zur Erreichung der Ziele eingesetzt werden, und sich um die Erzielung von Outputs zu kümmern liegt im Interesse aller Beteiligten.
So gut, so einfach adaptierbar? Leider nein, denn es wurde festgestellt, dass der bürokratische Aufwand durch die neue Finanzierungsform faktisch nicht unbedingt gesunken ist. In der Praxis gibt es vor allem drei Probleme. Erstens, Zeitaufschreibung und finanzielle Detailsteuerung bleiben doch erhalten, entweder weil es entsprechende Regeln auf nationaler oder Hochschulebene gibt oder weil Projektverantwortliche befürchten, dass in einem EU-Audit am Ende doch wieder die Time Sheets kontrolliert werden. Zweitens, die EU-Ansprechpartner der Projekte entwickeln zum Teil neue, übertriebene Detailkontrollen in Bezug auf Arbeitspakete und -ergebnisse, oder fragen doch wieder nach Rechtfertigungen für einzelne Kostenarten. Und in einer Übergangsphase erhöht sich drittens der Aufwand, weil die neuen, outputbezogenen Verfahren des Reporting noch nicht eingeübt sind und dadurch der Koordinationsaufwand innerhalb eines Projektkonsortiums steigt. Fazit: Bevor es einfacher wird, wird’s erst einmal komplizierter.
Denn gerade Bürokratieabbau muss nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Praxis funktionieren. Wer weniger kontrolliert, braucht mehr Vertrauen. Bürokratieabbau ohne Vertrauensvorschuss ist, wie oben beschrieben, zum Scheitern verurteilt: Die Hochschulen haben kein Vertrauen, dass sich der Geldgeber wirklich an die neuen Regeln hält. Der Geldgeber vertraut nicht darauf, dass die Hochschulen wirklich mit Geld umgehen können.
Das Brüssel-Beispiel zeigt zudem, dass auch neue Verfahren klare Spielregeln brauchen. Würde der Bund also das „Lump sum“-Verfahren übernehmen, dann wäre entscheidend, dass die Projektträger klare Vorgaben zu einer ebenso schlanken wie einheitlichen Umsetzung erhalten. Und nicht zuletzt sollten alle Beteiligten bei Drittmitteln nach der Regel handeln „keine Regeln über diejenigen Vorgaben hinaus anwenden, die der Geldgeber fordert“. Dann würde eine kumulative Regulierung vermieden.
Bürokratieabbau ist mit dem Wegfall von ein paar Berichten nicht getan und erst einmal eine Menge Arbeit. Vertrauen muss beidseitig aufgebaut, neue Spielregeln etabliert und die veränderten Verfahren im Detail geplant und gut kommuniziert werden. Aber der Aufwand lohnt sich, damit am Ende weniger Zeit für „Papierkrieg“ und mehr Zeit für die eigentliche Arbeit bleibt.//
DUZ Wissenschaft & Management 06/2025 vom 04.07.2025