
Digitale Resilienz als Zukunftskompetenz
Im Wissensmanagement reicht fachliche Expertise allein nicht aus, um den digitalen Wandel erfolgreich zu gestalten
Die Digitalisierung erfordert von Hochschulen und Wissenschaftsorganisationen eine grundlegende Anpassungsfähigkeit, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und Innovationskraft zu entfalten. Technologische Entwicklungen wie Künstliche Intelligenz (KI) spielen dabei eine zentrale Rolle. Gleichzeitig ist eine resiliente Haltung gegenüber den Herausforderungen des digitalen Wandels sowohl für funktionsfähige Wissenschaftseinrichtungen als auch für ihre Wissenschaftsmanagerinnen und Wissenschaftsmanager unverzichtbar. Sie stehen vor der Aufgabe, digitale Resilienz als strategischen Innovationsfaktor zu begreifen und aktiv zu fördern, um nachhaltig wachsen zu können.
Wir verstehen digitale Resilienz als eine Metakompetenz: Sie entsteht durch die Synthese von digitaler Kompetenz und Resilienz und befähigt dazu, digitale Technologien souverän zu nutzen und zu verstehen und sich gleichzeitig an die ständigen Veränderungen im digitalen Raum anzupassen, Herausforderungen zu überwinden und aus Erfahrungen zu lernen. Als ganzheitliches Konzept umfasst sie technologische, soziale und psychologische Faktoren. Dabei integriert digitale Resilienz zwei Arten von Zukunftskompetenzen: zum einen jene, die laut dem World Economic Forum (WEF Job Report 2025) entscheidend für eine erfolgreiche digitale Transformation sind, etwa analytisches Denken, Flexibilität, technologische Kompetenz, kreative Problemlösung und lebenslanges Lernen; zum anderen jene der Inner Development Goals (IDGs), die persönliche Fähigkeiten und Qualitäten wie Selbstreflexion, Achtsamkeit und Selbstbewusstsein gezielt stärken.
Für einen ganzheitlichen Ansatz empfiehlt sich in der Praxis eine bewusste Unterscheidung auf zwei Ebenen: Auf Organisationsebene geht es um das gemeinsame Meistern der digitalen Transformation. Auf personenbezogener Ebene steht die individuelle Weiterentwicklung im Fokus, um digitale Herausforderungen souverän zu bewältigen. Digitale Transformation bedeutet auch das aktive Gestalten der Zukunft. Oft fehlt es jedoch in Organisationen an methodischem Wissen, um neben dem Aufbau von digitalen Kompetenzen komplexe Veränderungsprozesse mit heterogenen Teams wirksam zu gestalten.
Auf Basis von Praxis und Forschung empfehlen wir fünf Stellhebel zur Stärkung digitaler Resilienz:
- Herausforderungen nutzen: Digitalisierungsprojekte helfen, Strukturen praxisnah weiterzuentwickeln und Kompetenzen zu fördern. Gemeinsame Erfolge stärken Vertrauen und Motivation.
- Erfahrungsbasiertes Lernen fördern: „Learning by Doing“ ermöglicht nachhaltige Kompetenzentwicklung und stärkt das Selbstvertrauen der Beteiligten.
- Kontextbezogenes Mentoring etablieren: Situationsgerechte Begleitung durch erfahrene Mentorinnen und Mentoren schafft Sicherheit und fördert Handlungskompetenz.
- Zukunftskompetenzen aktiv fördern: Hochschulen sollten gezielt analytisches Denken, Kreativität, digitale Kompetenzen sowie interdisziplinäre Zusammenarbeit und Innovationsfähigkeit fördern.
- Partizipation und Selbstorganisation stärken: Teams eigenständig handeln lassen, Expertinnen und Experten frühzeitig einbeziehen, erhöht die Effektivität und Akzeptanz der Veränderung. So können Hochschulen Risiken und Chancen flexibel und souverän begegnen.
Diese Hebel entwickeln ihre volle Veränderungskraft, wenn sie in einem Gesamtkonzept integriert und aufeinander abgestimmt sind. Dafür braucht es bewusst gestaltete und geschützte Räume:
- Kreativraum: Ideen entwickeln, Chancen bewerten, Lösungsoptionen erarbeiten.
- Strategieraum: Entscheidungen treffen, planen, Zielkonflikte bearbeiten.
- Lernraum: Situatives Wissen vermitteln und erweitern.Umsetzungsraum: Handeln, beobachten, reflektieren.
- Umsetzungsraum: Handeln, beobachten, reflektieren.
- Sein-Raum: Individuelle Begleitung für persönliche Entwicklung im digitalen Wandel.
Ein Praxisbeispiel verdeutlicht den Ansatz: Eine Hochschule konzipiert einen KI-Infobot für Studierende. Ein Team identifiziert im Kreativraum Nutzerbedürfnisse und Einsatzfelder. Im Strategieraum werden Maßnahmen festgelegt und entschieden. Der Lernraum vermittelt Wissen situativ und adaptiv (z.B. Edge AI), sobald sich in einem der anderen Räume Bedarf zeigt. Im Umsetzungsraum erfolgt die praktische Umsetzung mit begleitender Reflexion. Ergänzend dazu unterstützt die Seinsebene die individuelle Entwicklung der Beteiligten – etwa durch achtsamkeitsbasierte Reflexion, Werteklärung oder kollegiale Beratung. Dieser Sein-Raum stärkt Selbstwahrnehmung, psychologische Sicherheit und Resilienz, besonders in unsicheren oder konflikthaltigen Phasen. Erfahrene Mentorinnen und Mentoren, sogenannte Digital Resilience Facilitators (DRFs), begleiten Teams sicher durch Lernprozesse, fördern Selbstorganisation und verankern Wissen nachhaltig; Hochschulen investieren so in Menschen als Gestaltende der digitalen Zukunft. //
Weiterführende Informationen
Folien aus dem ZWM-Lunch&Talk „Resilienz in zwei Phasen – zwischen Stabilität und Transformation“ vom 12.03.2025:
https://bit.ly/4j3wDJe
https://digitale-resilienz.online
Iris Teicher und Stefan Burges: „Digitale Resilienz – Kernkompetenz für eine neue Arbeitswelt“
von https://bit.ly/4iHhBZR
Die Autoren
Iris Teicher
M.A. Organizational Development (Uni HD), Kanzlerin a.D. der TH Ulm
Foto: privat
Stefan Burges
Interimsmanager Digitale Transformation und Geschäftsführer Teamaffairs
Foto: privat
DUZ Wissenschaft & Management 04/2025 vom 09.05.2025