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Amerika das Fürchten lehren

Seine zweite Präsidentschaft nutzt Donald Trump zu einem umfassenden Schlag gegen Colleges, Universitäten und Forschungseinrichtungen. Es geht um Personalentlassungen, Mittelkürzungen und um seinen Feldzug gegen eine akademische Sicht der Welt

Die Attacke gegen Gleichstellungs- und Inklusionsprogramme (DEI) machte den Anfang. Sie kam nicht überraschend und betrifft nicht nur Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen, sondern auch die öffentliche Verwaltung. Vorbereitet worden war sie bereits in einigen Bundesstaaten wie Florida und Texas, wo Republikaner seit Jahren mit „Anti-Woke“-Wahlkampf Stimmung machen und Gouverneur Ron DeSantis die Bildungslandschaft bereits mit politischen Getreuen an der Spitze von Institutionen umgebaut hat. Hochschulen sollen ihre DEI-Programme einstellen, das für die Umsetzung eingestellte Personal entlassen, fordert die neue Trump-Regierung. Tun sie dies nicht, wird die Förderung gestrichen. Dies ist eine Umkehrung der Förderbedingungen: Bisher gab es Geld nur, wenn Hochschulen die Gleichstellungsvoraussetzungen nach den DEI-Kriterien erfüllten.

Trump will das Erziehungsministerium des Bundes schließen. In einem ersten Schritt wurden 1300 Mitarbeitende aufgefordert, ihre Sachen zu packen – die Hälfte der Belegschaft. Trump will damit eine „marxistische“ Einflussnahme unterbinden. Das Erziehungsministerium unterstützt Schulen und Hochschulen und setzt auch spezielle Programme für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Bedürfnissen um. Solche Aufgaben sollen nun von den Bundesstaaten übernommen werden. Gesetzlich garantierte Studierendenkredite sollen davon nicht betroffen sein. Das Ministerium war 1978 vom US-Parlament ins Leben gerufen worden. Eine völlige Abschaffung des Ministeriums müsste der Kongress dann auch mit einem Gesetz beschließen. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse und der Unterstützung, die Trump von den Republikanern erhält, ist dies vielleicht nur eine Formsache.

Die National Science Foundation (NSF) wurde angewiesen, Forschungsbeschreibungen auf Schlüsselwörter zu durchsuchen, um so auf nicht genehme DEI-Themen aufmerksam zu werden, zum Beispiel „Gender“, „Frauen“ und „Vielfalt“. Die NSF verfügt über ein Budget von neun Milliarden US-Dollar, mit dem Forschung weltweit gefördert wird, unter anderem eine Forschungsstation in der Antarktis und Weltraumobservatorien oder auch Erdbebenrisiken und Quantum-Technologie. Bei den Projektbeschreibungen geht es oft nicht nur um die Aussicht auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern auch explizit um „breite Auswirkungen auf die Gesellschaft“. Dies bedeutet sehr oft dann auch eine Überschneidung mit den Gleichstellungszielen von DEI-Programmen, zum Beispiel bei der Förderung von Forschenden aus unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppen.

Gesundheits- und Medizinforschung bedroht

Das Nationale Gesundheitsinstitut (NIH) ist der größte Geldgeber des Bundes für Medizinforschung: Von den 35 Milliarden US-Dollar Jahresetat profitieren 2500 Colleges, Universitäten und Forschungseinrichtungen. 5,5 Milliarden US-Dollar will die Regierung nun jährlich einsparen. Auch die NIH-Projekte werden auf DEI-Kriterien überprüft. Laufende Projekte werden in vier Kategorien eingeteilt: Forschungsprojekte mit ausschließlichem DEI-Bezug werden gar nicht mehr finanziert, bei einem Teilbezug müssen Forscher entsprechende Projektziele ändern oder sie verlieren ihre Förderung. Projekte zu Transgender-Themen sollen beendet werden, da sie keinen „Nutzen für die Mehrheit der Amerikaner“ hätten. Doch auch 15 000 Anträge auf Förderungen mit einem Volumen von 1,5 Milliarden US-Dollar liegen erst einmal auf Eis, unter anderem zu Krebsforschung, Alzheimer und Infektionskrankheiten.

Gravierende Auswirkungen wird auch die erzwungene Kürzung von Overhead-Kosten auf 15 Prozent haben – die Hälfte dessen, was bislang üblich war –, warnen Wissenschaftsverbände. Was die Trump-Administration als unnötige Ausgaben ansieht, ist in den Augen der Wissenschaftseinrichtungen unabdingbar für die Durchführung der Forschungsprojekte. Mit den Posten für „indirekte Kosten“ würden zum Beispiel Serviceunternehmen bezahlt, die kontaminiertes Material entsorgen, oder auch die Stromrechnung für energieintensive Labore. Die Kürzungen bei den Hochschulen hätten zudem starke Auswirkungen auf die regionale Wirtschaft.

Stopp wegen vorgeblicher „Bürgerrechtsverstöße“

Trump kündigt an, Geld für Hochschulen zu sperren, die „illegalen Protest“ erlaubten – und er meint damit Demonstrationen und Kundgebungen zum Nahostkonflikt. Beobachter vermuten, dass es dabei nicht nur um Geld geht, sondern um einen Versuchsballon, um unliebsame Nicht-US-Bürger aus Gründen der „nationalen Sicherheit“ einfacher ausweisen zu können. Zunächst wurden mit der Behauptung, auf dem Campus eine „antisemitische Umgebung“ zu erlauben, der Columbia-Universität in New York 400 Millionen US-Dollar gestrichen – mit Bezug auf Bürgerrechtsverstöße. Üblicherweise ist es die Aufgabe des Erziehungsministeriums, dies zu untersuchen. Dies würde – so die Begründung – zu lange dauern, zudem will Trump das Ministerium abschaffen.

Dann wurden der Universität von Maine 100 Millionen US-Dollar aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium gekürzt. Betroffen sind davon Forschungsprojekte zur Lachszucht, zum Kartoffelanbau und zu Wirkungen von synthetischen Chemikalien (PFAS). Auch in diesem Fall begründete man diese Kürzungen mit möglichen Verstößen gegen Bürgerrechtsgesetze. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass sie mit der Weigerung des Bundeslandes zusammenhängen, eine Trump-Anordnung zu befolgen, nach der Transgender-Frauen nicht an Frauenwettkämpfen teilnehmen dürfen. Dies würde allerdings den Gesetzen des Bundeslandes Maine widersprechen – es gab einen öffentlichen Disput dazu zwischen Trump und der demokratischen Gouverneurin von Maine. Dann eine Wende: Wenige Tage später gibt das Landwirtschaftsministerium die Mittel wieder frei. Eine republikanische Senatorin verkündigte den Umschwung mit dem Hinweis, dass die Mittel äußerst wichtig seien für Land- und Forstwirtschaft und die damit verbundenen Arbeitsplätze.

Lieber „trainieren und Krieg führen“

Das Verteidigungsministerium wiederum stoppte alle sozialwissenschaftlichen Forschungsprojekte. Damit sollen nach eigenen Angaben in diesem Jahr 30 Millionen US-Dollar eingespart werden. 91 Vorhaben sind betroffen, bei denen es unter anderem um Zusammenhänge zwischen Klimawandel, Nahrungsmittelunsicherheit, Migration und Extremismus geht. Zu den eingestellten Forschungsvorhaben gehört das seit 2008 bestehende Minerva-Programm, das mit drei- bis fünf Jahresprogrammen Forschungsaufträge an Hochschulwissenschaftler vergab. In der letzten Förderrunde hatte man im August 2024 47 Millionen US-Dollar an 19 Forscherteams vergeben. Die Web-Seite mit der Beschreibung abgeschlossener und laufender Projekte wurde bereits abgeschaltet. Verteidigungsminister Hegseth kommentierte auf „X“, das Pentagon mache keinen „Klimawandel-Unsinn“, sondern kümmere sich um „trainieren und Krieg führen“.

Die vorgesehene drastische Kürzung der Entwicklungshilfe hat ebenfalls Auswirkungen auf die Forschung. 17 landwirtschaftliche Versuchslabore wären betroffen, zum Beispiel an der Pennsylvania State University. Dort wurde im Auftrag der US-Entwicklungshilfeorganisation USAID an der Vermeidung von Ernteausfällen und der Verbesserung von landwirtschaftlichen Erträgen geforscht. Oder das Sojabohnen-Forschungslabor der Universität von Illinois, dessen 30 Mitarbeitern vorsorglich von der Hochschule für den Fall gekündigt wurde, dass die Zahlungen nicht wieder aufgenommen werden. Andere Hochschulen haben Forschungslabore, die sich auf Weizen oder Erdnüsse spezialisiert haben. Sie müssen möglicherweise kurzfristig ihre Gewächshäuser schließen und ihre Zusammenarbeit mit Hochschulen weltweit einstellen. Zusätzlich zu den Versuchslaboren stehen mindestens 140 von USAID finanzierte Forschungsverträge auf der Kippe, etwa die Tuberkulose-Forschung der Johns-Hopkins-Universität und der Universität von North Carolina sowie eine Partnerschaft der Kansas-State-Universität mit Organisationen in Haiti, die das Ziel haben, dort landwirtschaftliche Erträge zu verbessern. Zusammen mit weiteren Zuschüssen, Forschungsförderung und Stipendien belaufen sich die Beträge, die USAID zwischen 2018 und 2024 direkt oder indirekt an US-amerikanische Hochschule gezahlt hat, auf etwa 3,6 Milliarden US-Dollar.

Angriff auf wissenschaftliche Dienste

Die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), die Behörde für Wetter- und Ozeanografie, untersucht zum Beispiel das Entstehen von Extremwetterlagen und die konkreten Folgen des Klimawandels – und veröffentlicht Warnungen für die Bevölkerung. Zudem ist sie mit ihren 122 über die USA verteilten Zweigstellen für tägliche Wettervorsagen zuständig, auch auf sehr regionaler Ebene, und versorgt Piloten und Fluglotsen mit wichtigen Daten für den Flugverkehr und Landwirte mit Infos für das Ausbringen von Saat und das Einbringen der Ernte. Hunderte von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die noch in der Probezeit waren, wurden gefeuert, da die Klimakrise laut Trump ein „Schwindel“ ist – Grenzwerte wurden bereits herabgesetzt, neue Studien sollen die „Nützlichkeit“ des Klimawandels „beweisen“. Die Kürzungen betreffen nicht nur das Personal, sondern auch die Infrastruktur: Man kündigt Mietverträge für Gebäude, zum Beispiel für ein Computerzentrum, in dem Wettersimulationen berechnet werden. Weil NOAA-Daten auch die vielen kommerziellen Wetter-Apps füttern, könnten Kürzungen auch Auswirkungen auf deren Genauigkeit haben.

Beim Geologischen Dienst (USGS) sind an Hunderten über die USA verteilten Standorten rund 10 000 Wissenschaftler, Techniker und weitere Mitarbeitende beschäftigt. Etwa drei Dutzend dieser Standorte stehen nun zur Disposition, darunter die Vulkanbeobachtungsstation in Hawaii. Auch beim Geologischen Dienst wurde mehreren Hundert Mitarbeitenden gekündigt oder sie wurden zur Kündigung aufgefordert. Der Geologische Dienst stellt wissenschaftliche Informationen zu Wasser, Energie, Mineralien und Bodenschätzen und dem Ökosystem zur Verfügung. Dazu gehören Warnungen vor Waldbränden, Erdbeben, Vulkanausbrüchen, Überflutungen und andere Naturkatastrophen.

Das Außenministerium hat zudem ein Programm gestoppt, mit dem Botschaften und Konsulate weltweit Daten zur Luftqualität an ihren jeweiligen Standorten gesammelt und diese Klimawissenschaftlern und der örtlichen Bevölkerung zur Verfügung gestellt haben – in einigen Ländern die einzige Möglichkeit, solche Daten zu bekommen.

Bürokratieabbau oder Anti-Wissenschaft?

Es geht nicht nur um Institutionen, es geht auch um die Entwissenschaftlichung von Entscheidungen: Statistiken sollen umdefiniert werden, zum Beispiel Staatsausgaben aus dem Bruttoinlandsprodukt herausgenommen werden. Das kommt einer vorausschauenden Manipulation von Daten gleich, die dem Handelsminister in die Karten spielt, der mantrahaft erklärt, es werde keine Rezession geben.

Das grundsätzliche Problem liegt dabei darin, das ideologisch gekürzt wird – zum einen ganz offensichtlich wie beim Disput in Maine, zum anderen unter dem Deckmantel der Kosteneffizienz. Haushaltstitel sachgerecht einer Kosten-Nutzen-Analyse zu unterziehen, wäre mühsam und würde dauern. Welche Auswirkungen die Kürzungen wann auf welche Lebensumstände der US-Amerikaner haben werden, ist nicht genau klar. Für Trump-Anhänger geht es erst einmal darum, generell „Government Spending“ einzudämmen – ein Kampfbegriff aus der Reagan-Zeit, der jegliche staatliche Geldausgaben erst einmal dämonisiert, aber verkennt, dass es die Aufgabe des Staates ist, Geld auszugeben. Dies zu kontrollieren und zu schauen, ob sie es gut oder schlecht machen, wäre eigentlich die Aufgabe des Parlamentes. Diese Macht hat das Abgeordnetenhaus derzeit abgegeben. //

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