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Getrübte Stimmung

Stifterverband und Heinz Nixdorf Stiftung haben Hochschulleitungen zu aktuellen Herausforderungen und Entwicklungen befragt. Die jüngste Ausgabe des Hochschul-Barometers zeigt: Die Stimmung hat sich eingetrübt

Finanzielle Unsicherheiten, der Rückgang der Studierendenzahlen und der zunehmende Fachkräftemangel sind dabei die drängendsten Herausforderungen aus Sicht der Hochschulleitungen. Die Befragung für das Hochschulbarometer zeigt zudem, wie die Hochschulen die Wissenschaftsfreiheit und die digitale Sicherheit bewerten.

Die Hochschulleitungen bewerten die aktuelle Situation skeptischer als in den Vorjahren (siehe Abbildung 1). Mit 18,9 Punkten (auf einer Skala von -100 (sehr schlecht) bis +100 (sehr gut)) erreicht der Index seinen niedrigsten Wert seit Beginn der Erhebung im Jahr 2011. Insbesondere Universitäten ohne Exzellenzförderung schätzen ihrer Lage bedeutend schlechter ein als zuvor.

Besonders auffällig ist der Rückgang in der Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit. Während 2020 noch 76 Prozent der Hochschulen die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Hochschulstandorts als gut oder eher gut einschätzten, sind es inzwischen nur noch 41 Prozent. Und es sieht aus Sicht der Hochschulen nicht nach einer Trendwende aus: Knapp 50 Prozent der Befragten erwarten einen weiteren Abschwung für das Jahr 2025. Damit steigt der Anteil der Pessimisten gegenüber dem Jahr zuvor um zehn Prozentpunkte. 

Vielfältige Herausforderungen 

Ein Grund für den Stimmungsabschwung: Viele der aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen treffen auch die Hochschulen. Die Themen reichen von kontroversen gesellschaftlichen Debatten bis zur Lage der öffentlichen Haushalte. Das zentrale Thema der Hochschulen ist die Sorge um ihre finanzielle Ausstattung. Hochschulleitungen befürchten, dass neue Finanzierungsnotwendigkeiten etwa für öffentliche Sicherheit Einsparungen bei den Hochschulen zur Folge haben könnten. Gleichzeitig sehen die Hochschulleitungen mit dem Rückgang der Studierendenzahlen eine weitere zentrale Herausforderung vor sich. Schon aktuell sind die Zahlen rückläufig. Der demografische Wandel wird diesen Trend langfristig verstärken. Die Folgen dieses Rückgangs sind vielschichtig: Zum einen geraten Hochschulen unter Druck, weil damit potenziell Einnahmen schwinden. Zum anderen stellen sich strategische Fragen hinsichtlich der Angebotsstruktur in Lehre und Forschung.

Fachkräftemangel als drängendes Problem

Der Fachkräftemangel macht sich zunehmend an den Hochschulen bemerkbar. Insbesondere im nicht-wissenschaftlichen Bereich steigt der Bedarf an Personal. Nur etwas mehr als ein Viertel der Hochschulleitungen (27 Prozent) bewertet die Personalsituation der Hochschule als gut oder eher gut. Die Entwicklung des eigenen wissenschaftlichen Nachwuchses stellt die Hochschulen auch vor Herausforderungen: Insbesondere für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bleibt die Planbarkeit ihrer Karriere weiterhin problematisch. 

Mehr als die Hälfte der Befragten hält die Anzahl der Stellen für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler für unzureichend, während fast 50 Prozent die Karriereperspektiven in frühen Phasen als zu unsicher bewerten. Gleichzeitig gilt es, frühzeitig Qualifizierungsmaßnahmen anzubieten, um auch außerhalb der Wissenschaft attraktive Karriereoptionen aufzuzeigen. Die Hochschulleitungen erkennen die Herausforderungen und arbeiten an Lösungen. So setzen viele Hochschulen auf eine stärkere Identifikation von Personalbedarfen auf zentraler Ebene.

Digitale Sicherheit – Gefahr erkannt, aber nicht gebannt

Personalprobleme bedrohen auch die IT-Sicherheit der Hochschulen – neun von zehn Hochschulen geben an, Schwierigkeiten in der Gewinnung von qualifiziertem Personal zu haben. Die Dringlichkeit des Themas ist den Hochschulen angesichts zunehmender Cyberangriffe auf Hochschulen bewusst. Dennoch zeigt sich eine Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der allgemeinen Bedrohungslage und der Einschätzung der eigenen Verwundbarkeit. Während 97,3 Prozent die Gefahr für Hochschulen insgesamt als groß oder eher groß einschätzen, sehen nur 78,3 Prozent ihre eigene Hochschule gefährdet. Eine Reihe von Hochschulen hält sich selbst also für ausreichend geschützt. Es bleibt zu hoffen, dass diese Sicherheit sich nicht als trügerisch erweist.

Hochschulen setzen bereits unterschiedliche Maßnahmen zur Verbesserung der digitalen Sicherheit um, etwa regelmäßige Back-ups oder Sicherheitskontrollen. Dennoch gibt es weiterhin Schwachstellen. Notfallpläne für Cyberangriffe existieren nur an etwa der Hälfte der Hochschulen. Zudem fehlen oft zentrale Verantwortlichkeiten, da viele Hochschulen die digitale Sicherheit ausschließlich der IT-Abteilung überlassen und keine übergeordnete Strategie verfolgen. Auch die unzureichende Finanzierung der IT-Infrastruktur wird kritisch gesehen. Die Nutzung privater Geräte durch Studierende und Mitarbeitende erschwert die Sicherheitslage zusätzlich.

Wissenschaftsfreiheit: herausgefordert, aber nicht gefährdet

Die Wissenschaftsfreiheit ist in Deutschland im Grundgesetz verankert und bildet eine zentrale Säule für unabhängige Forschung. Diese ist laut Ansicht der Hochschulleitungen in guter Verfassung (siehe Abbildung 3): Drei Viertel bewerten die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland als gesichert. Ein Fünftel der Befragten (20,6 Prozent) äußert eine ambivalente Einschätzung. Herausforderungen ergeben sich aus Anforderungen von anderen gesellschaftlichen Akteuren und dem Umgang mit wissenschaftlichen Ergebnissen. Persönliche Anfeindungen von Forschenden, besonders in sozialen Medien, erschweren die öffentliche Diskussion von Wissenschaft.

Zwei Drittel der Befragten halten dies für eine wahrscheinliche Bedrohung der Wissenschaftsfreiheit. Diese Sorge steht in direktem Zusammenhang mit aktuellen Entwicklungen, bei denen Forschende – beispielsweise bei Themen wie Klimawandel, Pandemie, Demokratie und globale Konflikte – öffentlich unter Druck geraten oder diffamiert werden. Gefragt nach dem allgemeinen Einfluss auf die Wissenschaft, geben fast zwei Drittel (63,7 Prozent) an, dass der Einfluss der Politik auf die Wissenschaft zu groß sei. Der Einfluss der Wirtschaft auf die Wissenschaft wird seltener kritisch bewertet (38,5 Prozent). Allerdings befürchten fast die Hälfte der Hochschulleitungen, dass Auftraggeber aus der Wirtschaft die Kommunikation der wissenschaftlichen Ergebnisse beeinflussen.

Die Ergebnisse des Hochschulbarometers 2024 zeigen, dass die Herausforderungen für Hochschulen weiterwachsen. Besonders die finanziellen Unsicherheiten, die Digitalisierung und die Personalplanung erfordern strategische Weichenstellungen, um die Hochschulen langfristig zukunftsfähig zu machen. Der Austausch mit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wird dabei eine entscheidende Rolle spielen. //

Über das Hochschul-Barometer

Für das Hochschul-Barometer befragen Stifterverband und Heinz Nixdorf Stiftung seit 2011 jährlich die Hochschulleitungen in Deutschland zu ihren Einschätzungen der aktuellen Lage der Hochschulen, sowie zu drängenden Herausforderungen und geplanten Entwicklungen. Es zeigt die Stimmung an den Hochschulen, identifiziert Trends und offenbart die Einschätzungen zu aktuellen Entwicklungen im Hochschulsystem. Ziel des Hochschul-Barometers ist es, die Öffentlichkeit auf die Belange der Hochschulen aufmerksam zu machen und Hinweise an Politik und Wissenschaftsförderer für weitere Verbesserungen im Hochschulbereich zu geben.

Die jeweilige Grundgesamtheit der Befragungen umfasst mit Ausnahme der Verwaltungsfachhochschulen alle deutschen Hochschulen, die zum Befragungszeitpunkt staatlich oder staatlich anerkannt sind und unbeschränkten Studienzugang bieten. Das Hochschul-Barometer erzielte in allen Jahrgängen einen hohen Rücklauf von 38 bis 56 Prozent der angeschriebenen Hochschulen. Dies gewährleistet eine hohe Qualität und Belastbarkeit der erhobenen Daten und zeigt, dass das Hochschul-Barometer eine hohe Akzeptanz und Relevanz in der Hochschullandschaft hat.

Mehr Informationen über das Projekt sowie alle Ergebnisse der Befragungen finden Sie unter: www.hochschul-barometer.de

Die Autoren

Dr. Pascal Hetze

ist Programmleiter im Stifterverband. Er leitet das Handlungsfeld Forschung & Innovation und das Fokusthema „MINT-Lücke schließen“. |
Foto: David Ausserhofer

Marian Burk

ist wissenschaftlicher Referent im Team „Forschung und Innovation systemisch gestalten“ des Stifterverbandes. |
Foto: David Ausserhofer

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