POLITIK & GESELLSCHAFT

FORSCHUNG & INNOVATION

STUDIUM & LEHRE

KOMMUNIKATION & TRANSPARENZ

ARBEIT & PSYCHOLOGIE

WISSENSCHAFT & MANAGEMENT

75 JAHRE DUZ

 Login

„Ich sehe viel Sinnhaftes in meiner Tätigkeit“

Im Gespräch mit Dr. Marcus Graf, Geschäftsführender Referent am Zentrum für Forschung und Transfer (ZFT) der OTH Regensburg. Nach einer Zeit als erfolgreicher Unternehmensgründer und Manager stellt er als Rückkehrer den Transferbereich der OTH neu auf und muss als Vermittler zwischen den verschiedenen Welten Wissenschaftler, Unternehmer und Fördergeldgeber zusammenbringen.

Herr Dr. Graf: Sie sind sofort nach dem Studium Unternehmer geworden. Wie kam es dazu?
Mich interessierte schon immer, wie das, was ich erforsche, auch angewendet werden könnte. Deshalb habe ich damals für meine Doktorarbeit am Universitätsklinikum in Regensburg geforscht und dort Erfahrungen im HIV-Forschungslabor gesammelt. Zusammen mit meinem Doktorvater habe ich dann 1999 die Biotech-Firma Geneart AG gegründet. Wir wollten künstliche Gene für die Krebs- und Infektionsforschung im Kundenauftrag produzieren. Denn im Rahmen meiner Doktorarbeit fand ich heraus, dass künstlich hergestellte, speziell angepasste Gene sehr viel besser in menschlichen Zellen funktionieren als natürliche und dabei noch sicherere Impfstoffe produzieren können. Unternehmen auf der ganzen Welt bestellten bei uns für ihre Wissenschaftler und Forschung DNA-Sequenzen. Mit unseren Dienstleistungen ermöglichten wir eine schnellere und effizientere Forschung in diesem Bereich. 2006 gingen wir an die Börse. Anschließend wurden wir von einem amerikanischen Konzern gekauft, wo ich dann noch eine Weile als Standortleiter mit zuletzt über 300 Mitarbeitern tätig war. 2022 habe ich das Unternehmen verlassen.

Was hat Sie dazu bewogen, Ihre Karriere in einem internationalen Unternehmen gegen eine Tätigkeit an einer Hochschule in der bayerischen Provinz auszuwechseln?
Teil eines großen amerikanischen Konzerns zu sein und stets das Ergebnis des nächsten Quartals für den Shareholder Value im Blick haben zu müssen, war für mich auf Dauer zu wenig sinngebend und schränkte meine Kompetenzen zu sehr ein. Ich beschloss, eine Auszeit zu nehmen, habe segeln gelernt und bin mit einem Camper-Van durch Australien gefahren. Die Tätigkeit am ZFT – Zentrum für Forschung und Transfer hat mein Interesse wegen ihrer Vielfältigkeit geweckt. Neben dem breiten Spektrum an Aufgaben finde ich es äußerst reizvoll, dass ich Zugang zu hochmotivierten Forschern aus den unterschiedlichsten Fachbereichen habe.

Welche Ziele haben Sie sich für Ihren neuen Tätigkeitsbereich gesetzt?
Wir möchten an der OTH Regensburg ein exzellentes Umfeld schaffen, das regional und überregional wahrgenommen wird. Wir wollen Forschung skalieren können und Strukturen schaffen, die es der Forschung ermöglichen, innovativ zu sein. Die Forscherinnen und Forscher sollen sich bei uns auf die Forschung konzentrieren können und sich nicht in administrativen Prozessen verzetteln. Um dies zu ermöglichen, arbeiten wir stark an der Digitalisierung von Forschungsförderungs- und Berichtsprozessen. Wir helfen Forschenden, Dinge zu ermöglichen und Forschungsergebnisse in die Anwendung zu bringen. Dafür ist es wichtig, die Forschungsergebnisse auch vom Kunden her zu denken – sprich: Wie sieht der Markt aus, was benötigen unsere Industierpartner? Natürlich werden Wissenschaftler immer auch von ihrer Begeisterung für ihre eigene Technologie und Innovation angetrieben, aber sie sollten sich nicht zu sehr darin verlieren. Unternehmer wiederum sollten sich nicht zu sehr in ihren Kostenkalkulationen verlieren und sich offener gegenüber Visionen und Innovationen zeigen. Denn auch diese zahlen sich in einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit aus.

Wo sehen Sie Ihre besonderen Managementfähigkeiten, die Ihnen jetzt bei Ihrer Arbeit am ZFT zugutekommen?
Ich bin ein ganz guter Vermittler zwischen den Welten. Denn ich kann recht gut erkennen und kommunizieren, was die unterschiedlichen Interessenlagen sind, und diese dann zusammenbringen. Am ZFT verstehen wir uns als Matchmaker, zwischen Wissenschaft, Verwaltung und Unternehmen, zwischen Wissenschaftlern und Forschungsförderern und manchmal sogar zwischen Wissenschaft und IT-Infrastruktur.

Was gefällt Ihnen besonders gut an Ihrer Tätigkeit als Wissenschaftsmanager?
Die Vielfältigkeit meiner Aufgaben. So führe ich Gespräche mit der Hochschulleitung, wie Strukturen an der Hochschule verändert werden könnten; tausche mich mit Forschenden aus, die ihr Institut verbessern möchten; spreche mit Doktoranden, die Fördermöglichkeiten für einen Kongress suchen, und stehe im regen Kontakt zu Vertretern von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden. Hinzu kommen der Ausbau der Digitalisierung und der Aufbau eines Forschungsdatenmanagements, Beratungen über Forschungsförderung oder der Aufbau innovativer und nachhaltiger Strukturen für die Hochschule und die Region. Seitdem ich an der OTH Regensburg arbeite, hat sich auch kulturell mein Blickwinkel geändert. Ich frage mich heute: Ist Wachstum um jeden Preis wirklich förderlich für eine Gesellschaft und die Umwelt? Natürlich verdiene ich jetzt deutlich weniger, aber die Arbeit macht mir viel mehr Spaß, weil ich viel Sinnhaftes in meiner Tätigkeit sehe.

Was raten Sie Hochschulabsolventen, die eine Karriere im Wissenschafts- beziehungsweise Transfermanagement ins Auge fassen?
Von der Hochschule wegzugehen, Erfahrungen in der freien Wirtschaft zu sammeln und weiterhin den Kontakt zur Hochschule zu halten. Dann wieder zurückzukommen und das Beste aus beiden Welten zu machen. Wichtig ist auf jeden Fall auch, Generalist und vielfältig interessiert zu sein, Begeisterung für Innovation mitzubringen, gut zu kommunizieren und empathisch zu sein.

Mit dem Haus für Innovation und Transfer werden den Forschenden der OTH Regensburg nicht nur mehr Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, sondern es soll auch eine zentral gesteuerte Forschungsinfrastruktur entstehen, in der Labore, Geräte und Ausstattung gemeinschaftlich genutzt werden können. Warum ist das wichtig?
Forschungsinfrastruktur ist teuer und eine wertvolle Ressource. Wenn wir Apparate, Büros und Labore teilen und eine gemeinsame Forschungsinfrastruktur aufbauen, können wir sie effektiver nutzen und gestalten. Natürlich können wir nicht einer Fakultät ein bereits existierendes Forschungslabor wegnehmen und ein zentrales Forschungslabor zuweisen. Aber bei einem neuen Gebäude kann man vielfältige, zentrale Nutzungsmöglichkeiten von Anfang an mit einplanen. Zusammen mit der Hochschulleitung und den Forschenden haben wir Regeln und Bedingungen für das Zusammenarbeiten entwickelt.

Worin sehen Sie in Ihrer Rolle als Wissenschafts- und Transfermanager Ihre wichtigsten Aufgaben und Pflichten für Wissenschaft und Gesellschaft?
Ich möchte dazu beitragen, die Wissenschaft und den Glauben daran zu stärken. Denn derzeit wird sie massiv angefeindet. Es laufen große Kampagnen, um uns als Experten zu diskreditieren, damit man uns nicht mehr glaubt und die Nutznießer dieser Kampagnen die falschen Entscheidungen treffen können. Wir müssen der Gesellschaft glaubhaft vermitteln, warum Forschung und Innovation wichtig und gut für sie sind. Und zugleich müssen wir den Wissenschaftlern klarmachen, dass sie einen gesellschaftlichen Auftrag haben und verantwortlich mit ihren Innovationen umgehen müssen. //

Markus Graf

Wissenschaft braucht Management, weil so die wissenschaftlichen Ziele und gesellschaftlichen Gewinne schneller erreicht werden. Wissenschaftsmanagement skaliert die Aktivität der Forschung durch Fördermittelakquise, Einhaltung von Qualitätsstandards, effiziente Nutzung von Ressourcen und Förderung der Zusammenarbeit.

Ich bin gerne Wissenschaftsmanager, weil ich, ohne selbst forschen zu müssen, Innovationen voranbringen kann.

Das behindert meine Arbeit als Wissenschaftsmanager: Der häufige Zwang zu Projektarbeit macht es schwierig, Strukturen zu verstetigen.

Hier ist ein Umdenken in Wissenschaftseinrichtungen notwendig: Forschungsinfrastruktur muss gemeinsam genutzt werden. Dies ist effizient, ressourcenschonend, nachhaltig und spart letztendlich Geld.

Das können Wissenschaft und Wissenschaftsmanagement aus meiner Sicht nicht leisten, darum muss sich die Politik kümmern: Die Freiheit der Forschung gewährleisten und die Unabhängigkeit der Hochschulen schützen.

Darauf bin ich stolz: Wenn sich unsere Wissenschaftler bei meinem Team bedanken, weil es ihnen so gut helfen konnte.

Das möchte ich als Wissenschaftsmanager noch erreichen: Eine formale Ausbildung (z. B. Master) zum Wissenschaftsmanager an der OTH Regensburg.

Das treibt mich an: Motivierte Mitarbeiter, Teamspirit, erfolgreiche Projekte, Neues zu lernen …

Wenn ich wieder vor der Wahl stünde, ins Wissenschaftsmanagement zu wechseln, würde ich das sofort wieder machen.

Darum könnte ich mir vorstellen, zurück in die Wirtschaft zu gehen: Kann ich mir momentan nicht vorstellen.

Zentrum für Forschung und Transfer (ZFT) an der OTH Regensburg

  • Gründungsjahr: 2002
  • Zweck und Aufgaben: Das Zentrum für Forschung und Transfer (ZFT) unterstützt die Hochschulleitung bei der Weiterentwicklung und Umsetzung ihrer Strategie in Bezug auf Forschung und Transfer und ist somit die zentrale Anlaufstelle für Forschende und Forschungsinteressierte der OTH Regensburg. Diese erhalten über das ZFT Zugang zu internen Fördermöglichkeiten und Unterstützung bei Kooperationsverträgen. Vom ZFT aus wird das Forschungsmanagement digitalisiert, interne sowie externe Akteure im Bereich Forschungstransfer werden vernetzt.Fachbereiche an der OTH Regensburg: Angewandte Natur- und Kulturwissenschaften, Architektur, Bauingenieurwesen, Business and Management, Elektro- und Informationstechnik, Informatik und Mathematik, Maschinenbau, Sozial- und Gesundheitswissenschaften
  • Leuchtturmprojekte: Haus für Innovation und Transfer (HIT), Open Regional Campus, ARTEMIS
  • Mitarbeitende: 1 Geschäftsführender Referent, 13 Mitarbeitende, 1 Geschäftsführerin Open Regional Campus
  • Externe Kooperationspartner: zahlreiche Netzwerkpartner wie Cluster Mobility und Logistics, Green Tech-Cluster, Bayern innovativ etc.
  • Budget: Verwaltung der HTA-Mittel + Projektpauschalen
  • www.oth-regensburg.de/forschen
Diese Cookie-Richtlinie wurde erstellt und aktualisiert von der Firma CookieFirst.com.

Login

Der Beitragsinhalt ist nur für Abonnenten zugänglich.
Bitte loggen Sie sich ein:
 

Logout

Möchten Sie sich abmelden?

Abo nicht ausreichend

Ihr Abonnement berechtigt Sie nur zum Aufrufen der folgenden Produkt-Inhalte: