
// editorial: recruiting //
Nur noch kurze Zeit bis hin zu den Wahlen, die in einer Atmosphäre großer Verunsicherung stattfinden und deren Ausgang garantiert einige Überraschungen bereithält. Vielleicht wird es nicht gar so schlimm ...
... wie befürchtet oder aber verheerender als bisher vorstellbar. Auf alle Fälle nutzen die Parteien die letzten Tage, um die große Anzahl der noch Unentschiedenen für sich zu rekrutieren und damit den Wahlausgang zu ihren Gunsten zu beeinflussen.
Doch was überzeugt die Menschen, von was lassen sie sich leiten oder triggern, welchen Mustern folgen sie, um letztendlich ihre Stimme dem Vertreter/der Vertreterin der Partei X zu geben und sich ihm/ihr anzuvertrauen? Ein paar spannende Erkenntnisse hierzu lassen sich aus dem THEMA dieser Ausgabe ableiten. Dort geht es zwar um die Personalauswahl in Wissenschaftseinrichtungen, die – wie DUZ-Autorin Bärbel Schwertfeger es auf den Punkt bringt – viel zu oft vom „Bauchurteil“ dominiert wird. Denn es lassen sich interessante Parallelen ziehen, wenn es um die Entscheidung für oder gegen politische Kandidatinnen und Kandidaten geht. So verfügen diejenigen, die in Hochschulen und Forschungsinstituten dafür maßgeblich sind, dass vakante Stellen bestmöglich besetzt werden, häufig nicht über die notwendige Fachkompetenz. „Viele haben noch nie etwas von diagnostischen Gütekriterien gehört und kennen Urteilsfehler nicht“, so der inzwischen emeritierte Persönlichkeitspsychologie Manfred Schmitt.
Und nicht selten sehen es Mitglieder von Berufungskommissionen auch gar nicht ein, dass es diagnostischer Kompetenz bedarf und sie sich möglicher eigener Beurteilungsfehler bewusst sein sollten. Denn diese können negative Folgen nach sich ziehen, wenn so Stellen jahrzehntelang fehlbesetzt werden. Zu den Fallen, in die die Beurteiler treten, zählen der uns sicherlich allen bekannte Ähnlichkeitseffekt: „Wer so ist wie wir, muss ein guter Kandidat oder eine gute Kandidatin sein.“ Oder auch der Erwartungseffekt: „Haben wir eine Erwartung über einen Menschen ausgebildet, so neigen wir dazu, diese Erwartung immer wieder zu bestätigen.“
All dies trifft bei der Wahl von Politikern fast genau so zu. Statt sich mit den oft schwierigen politischen Sachverhalten auseinanderzusetzen (was zugegebenermaßen mühsam und spaßbefreit ist) und auf dieser Basis ein Votum für oder gegen einen Kandidaten zu fällen, übernimmt der Bauch die Oberhand. Menschen wählen Politiker, weil sie sie sympathisch (ähnlich) finden oder ihre schlechten Gefühle bedienen. Sie lassen sich von deren ausgrenzenden, diffamierenden bis hin zu Anti-Ausländer-, Anti-Klima- und Anti-Offene-Gesellschaft-Parolen aufstacheln, weil das ihren tief sitzenden Ressentiments (gegenüber Fremden, Andersgläubigen, Andersdenkenden, anders Lebenden) entspricht. Aber eben nicht, weil es auf eigenen Erfahrungen oder Tatsachen beruht.
Das ist ein leichtes Spiel für Populisten, wie wir gerade überall beobachten können. Als Gegenmittel brauchen wir unbedingt mehr politische Bildung, die eines zum Ziel hat: aufgeklärte Bürgerinnen und Bürger, die sich ihres eigenen Verstandes bedienen. Dafür sollte die künftige Regierung unbedingt ausreichend Mittel zur Verfügung stellen. Eine unabdingbare Investition, um unsere Demokratie zu stärken. //
DUZ Magazin 02/2025 vom 21.02.2025