POLITIK & GESELLSCHAFT

FORSCHUNG & INNOVATION

STUDIUM & LEHRE

KOMMUNIKATION & TRANSPARENZ

ARBEIT & PSYCHOLOGIE

WISSENSCHAFT & MANAGEMENT

75 JAHRE DUZ

 Login

Der größte Wissenschaftsbetrug aller Zeiten

Hunderttausende von Fake-Publikationen werden pro Jahr von einer profitgierigen Mafia produziert und publiziert. Die Öffentlichkeit merkt es nicht und die Verlagswelt schaut weg. Ein Interview mit Bernhard A. Sabel, der mit seinem Team herausgefunden hat, dass 2023 allein im biomedizinischen Bereich rund 245.000 wissenschaftliche Artikel gefälscht oder zumindest verdächtig sind

Wie kamen Sie überhaupt darauf, sich mit der Fake-Mafia zu beschäftigen?

Ich bin Wissenschaftler und beschäftige mich seit Jahrzehnten mit Plastizität des Gehirns und ihrer Rolle bei der Erholung der Sehleistung bei Menschen mit Sehbehinderungen. Das ist mein Hauptberuf. Die Suche nach Fake-Publikationen ist eher als Hobby gestartet, weil mir in der Zeitschrift „Restorative Neurology and Neuroscience“, wo ich seit über 20 Jahren als Herausgeber gewesen bin, immer wieder recht merkwürdige Manuskripte aufgefallen sind. Das waren Arbeiten mit geringerer Qualität und auch die Peer-Reviews waren nicht sehr substantiell. Dann kam eines Tages meine Laborassistentin mit einem Artikel in mein Büro, der beschrieb, dass es Papiermühlen (Paper Mills) gibt, die automatisiert Artikel aus der Wissenschaft aus dem Nichts produzieren. Ich war ziemlich erschrocken und habe in meiner eigenen Zeitschrift nachgeschaut. Durch die Befragung der Autoren habe ich herausgefunden, dass eine Reihe von Artikeln verdächtig waren. Letztlich haben wir 13 bereits publizierte Arbeiten aus meiner Zeitschrift zurückgezogen. Dann wollte ich genauer wissen, wie groß das Problem von gefälschten oder verdächtigen Arbeit ist und habe in einer Serie bibliometrischer Untersuchungen – also quantitativen Analysen von Publikationen zur Bewertung der wissenschaftlichen Leistung – über 16.000 Arbeiten analysiert. 

Und was war das Ergebnis?

Wir haben 16,3 Prozent Fake-Publikationen allein in der Biomedizin gefunden. Wenn ich von Fake rede, meine ich immer Verdachtsfälle mit einer hohen Wahrscheinlichkeit des Fakes. Ich habe von anderen Wissenschaftsbereichen gehört, dass sie ähnliche Probleme haben, etwa in der Computerwissenschaft, in den Naturwissenschaften und in den Materialwissenschaften. Ich weiß nicht, ob es da auch etwa 16 Prozent sind. Aber wenn wir das annehmen, haben wir bei fünf Millionen Publikationen, die im Zeitschriften-Index SCImago gelistet sind, eine recht beachtliche Größenordnung von weit über 500.000 Fake-Publikationen. Und das jetzt jedes Jahr. 

Das ist eine unglaublich hohe Zahl. 

Ja, das ist eine Lawine, die weitgehend unbemerkt die Welt überrollt hat. Und ich bin inzwischen wie eine Art Aktivist unterwegs, um herauszufinden, woran das liegt, wer darin involviert ist und wie das System funktioniert. Das hat dann zu dem Buch geführt, wo ich die verschiedenen Aspekte des Problems beleuchtet habe, alles mit dem Ziel, dass man ­irgendetwas unternehmen muss. 

Wie findet man überhaupt solche Fakes?

Die sind nicht so einfach zu erkennen. Als Indizien gelten zum Beispiel die Verwendung einer privaten, nicht-institutionellen E-Mail-Adresse in Kombination mit einer Einrichtung. Zum Beispiel @xss.pku.edu.cn statt der richtigen Adresse der Peking University @pku.edu.cn. Oder Zitate, die nichts mit dem Thema der Arbeit zu tun haben. Oder Fake-Gutachter bei den Peer-Reviews. Gefälligkeitsgutachten sind meist sehr gut und sehr kurz und haben keine oder substanzlose Änderungswünsche. Das sind nur einige Merkmale. 

Das ist aber aufwändig. Wer macht sich die Mühe und hat die Zeit, das zu untersuchen?

Die Qualität von Fake-Publikationen ist so hoch, dass man das nicht ohne Weiteres erkennt, auch als Gutachter oder Herausgebender nicht. Und es gibt niemanden, der ein Interesse daran hat, das Wissen zu den Fake-Publikationen zu verbreiten. Verlage haben kein Interesse, die Papiermühlen natürlich erst recht nicht. Die Öffentlichkeit hat es bisher nicht bemerkt. Es gibt zwar immer wieder Einzelfälle und kleine punktuelle Maßnahmen, die den Eindruck erwecken, man habe alles im Griff. De facto ist das Ausmaß aber sehr viel größer. 

Seit wann gibt es diese Fake-Flut?

Das Problem ist vor etwa 20 Jahren entstanden. Besonders stark zugenommen hat es um 2012 und insbesondere in China. Dort ist der Publikationsdruck seitens der Regionalregierungen sehr hoch. Es gibt Quoten, wie viele Publikationen pro Einrichtung erreicht werden müssen. Die Lokalregierungen erwarten, dass zum Beispiel Krankenhäuser, die Fördermittel haben wollen, eine Quote erfüllen müssen. Und nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die gut publizieren, erhalten Bonuszahlungen und zum Teil erhebliche Gehaltserhöhungen. Wenn man in Top-Journals wie Nature oder Science publiziert, kann man sogar eine Wohnung als „Dankeschön“ bekommen.

Also hat das Belohnungssystem zu mehr Fakes geführt.

Umso mehr Publikationen, umso stärker wachsen auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse des Landes. Das ist durchaus legitim und wünschenswert. Seit 2019 hat China die USA bei der Zahl der Publikationen überrundet. Aber mit dem Druck wächst auch die Zahl der Fakes. In den letzten 25 Jahren gab es weltweit ein enormes Wachstum an Publikationen. Der Durchschnitt in den westlichen Ländern liegt bei 200 bis 400 Prozent, in China sind es etwa 3.200 Prozent und in Indien rund 1.300 Prozent. Es sind vor allem Länder wie Russland, die Türkei und der Iran, wo es starke Zunahmen bei den Publikationen gibt. Zum Vergleich: In Deutschland beträgt das Wachstum nur 160 Prozent. Meine Schätzungen geben keinen Hinweis darauf, dass die Quelle dieser Fake-Publikation aus Deutschland bemerkenswert hoch sein sollte.

Unternimmt man in China denn nichts dagegen? 

Die chinesische Regierung hat schon reagiert und unlängst 17.000 Autorinnen und Autoren, deren Arbeiten im Laufe der Jahre zurückgezogen wurden, aufgefordert, sich dazu zu äußern. Sie hat verkündet, dass die Arbeiten untersucht werden sollen und die Autoren mit Konsequenzen rechnen müssen. Allerdings kann ich nicht sagen, ob es überhaupt Konsequenzen gab. Auf diese Information warte ich bisher immer noch.

Sie schreiben, viele Wissenschaftler in Deutschland sind gutgläubig und naiv. 

Sie sind im Wesentlichen unwissend, dass dieses Problem überhaupt existiert. Weil man immer davon ausgeht, dass jeder, der Wissenschaft betreibt, ernsthaft nach der Wahrheit strebt, kann man sich das gar nicht vorstellen. Das ist so ähnlich, wenn sie Lebensmittel kaufen, wo zuckerfrei draufsteht und Fructose drin ist, die sehr viel schneller dick macht. Sie gehen davon aus, dass Sie nicht zunehmen und hinterfragen das überhaupt nicht. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind ahnungslos. Sie müssten mehr aufpassen und vorsichtiger bei Arbeiten sein, die sie als verdächtig einstufen. Das ist letztlich eine Frage der Wachsamkeit, die erhöht werden muss. Sie müssten im Zweifel auch eine Arbeit, die publiziert ist, als nicht wahr ansehen, wenn es um wichtige Entscheidungen geht, zum Beispiel bei der Planung von Experimenten. Hier muss gelten: Im Zweifel gegen den Angeklagten. 

Papiermühlen produzieren diese Fake-Publikationen. Wie gehen die vor?

Das sind Agenturen, die darauf spezialisiert sind, wissenschaftliche Artikel aus dem Nichts zu erzeugen. Meist ohne Daten, manchmal mit ein paar Daten, die dann noch geschönt werden, damit sich die Story auch gut verkaufen lässt. Sie bieten sich als Editing Services oder Ghostwriter den Wissenschaftlern im Internet oder per E-Mail an. Sie werben mit: „Wir unterstützen Sie bei ihren Publikationen, redigieren Ihre Texte und machen Ihre Experimente ganz nach Ihren Wünschen“. Wenn Wissenschaftler stark unter Druck stehen und das gar nicht leisten können, weil ihnen die Fähigkeiten oder das Geld für die Forschung abgeht, dann bestellen sie so eine Arbeit und die Papiermühlen sorgen dafür, dass sie publiziert wird. Sie verwenden vorhandene Texte, die schon publiziert sind und modifizieren sie. Sie schaffen mit KI eigene Texte nach Vorgabe mit dem erwünschten Ergebnis. Sie manipulieren auch die Zitationen, also welche Arbeiten zitiert werden. Kurz, sie begehen alle Sünden, die man sich vorstellen kann. Alles, was es auch bei der Mafia gibt: Betrug, Täuschung und Bestechung. Das einzige, was man bisher nicht findet, ist Erpressung und Mord.

Sie berichten in Ihrem Buch, wie Sie angeschrieben wurden und was der Betreiber der Papiermühle Ihnen alles angeboten hat.

Ja, die sind völlig schamlos. Das hat mich schockiert. Ich habe das mit dem Einverständnis des Betrügers sogar auf Video aufgenommen. Da habe ich ziemlich viel erfahren, wie die genau vorgehen. Der Verkäufer hat mir als Herausgeber einer Zeitschrift ein Honorar angeboten. Umso höher der Impact Faktor der Zeitschrift, umso höher ist das Honorar. Natürlich bin ich nicht drauf eingegangen. Aber es war eine wertvolle Lehrstunde für mich. Fortbildung durch eine Papiermühle.

Die Papiermühlen manipulieren auch den Impact Index. Wie funktioniert das? 

Eine Arbeit, die internationales Interesse erregt, wird von anderen Autoren zitiert. Je häufiger ein Autor und ein Artikel aus einer Zeitschrift zitiert wird, umso höher ist der Zitierungsindex für dieses Journal. Eine Zeitschrift bekommt einen sogenannten Impact Faktor. Das ist der Durchschnitt der Zitationen in den letzten zwei Jahren pro publizierter Arbeit. Das kann man wunderbar manipulieren, indem die Paper Mills ihre gefakten Arbeiten nützen, um andere gefakte Arbeiten zu zitieren. Je besser es die Paper Mills schaffen, ihre eigenen Arbeiten unterzubringen, desto höher steigt das Bewertungskriterium. Denklogisch führt das dazu, dass immer mehr Fake-Publikationen zitiert werden und sich die Wissenschaft immer mehr auf Fake-Artikel statt auf ehrliche Artikel verlässt. Am Ende haben wir dann den totalen Wissenskollaps. Wir wissen nicht mehr, was stimmt und was nicht stimmt. Das ist wie ein Krebsgeschwür, das um sich greift. 

Der Impact Faktor wird also wertlos? 

Genau, er sagt dann nichts mehr aus. Aber im Moment ist es immer noch so, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach dem Impact Factor bewertet werden. Davon hängt ab, ob man befördert wird oder Drittmittel bekommt. Es ist noch immer die anerkannte Erfolgsmetrik. Für Wissenschaftler ist das wie eine Droge. Die streben danach, möglichst oft zitiert zu werden und das wird unterstützt durch das Belohnungssystem in der Wissenschaft. Das wird sich ändern müssen, da die Metrik kein zuverlässiges Maß für Leistung mehr ist und bereits jetzt massiv manipuliert werden kann oder wird.

Unternimmt man in China denn nichts dagegen? Was ist mit der Peer-Review der Artikel, also der Begutachtung von anderen Wissenschaftlern?

Es gibt Peers, die so tun als ob sie Peer-Reviewer sind, die schreiben dann super Reviews und werden oft auch gleich von den Papiermühlen dem Herausgeber mit vorgeschlagen. Es wird heute immer schwieriger, gute Reviewer zu finden. Die Zahl qualitativer Peer-Reviews nimmt ab und Reviews werden systematisch gefakt, um Arbeiten in die Zeitschriften hinein zu drücken.

Wie schädlich sind die Folgen solcher Fake-Publikationen?

Ein gutes Beispiel ist der Kurkuma-König. Der indisch-amerikanische Biochemiker Bharat B. Aggarwal hat von 1994 bis 2020 mehr als 120 Publikationen über die angebliche therapeutische Wirkung von Curcumin, eines Bestandteils des Gewürzes Kurkuma, veröffentlicht. 2012 kam ihm jemand auf die Spur und 30 Artikel wurden zurückgezogen. Die von dem Wissenschaftler Reese Richardson im Januar 2024 veröffentlichte Fallstudie zeigt, es gibt keine fundierten klinischen Studien, die gezeigt hätten, dass es sich um ein wirksames Arzneimittel handelt. Dennoch setzte Curcumin seinen Siegeszug weiter fort und es werden pro Jahr mehr als 2.000 Studien zu dem Wirkstoff veröffentlicht. Und viele dieser Studien weisen Anzeichen von Betrug und die Beteiligung von Papiermühlen auf. Curcumin ist laut Richardson ein wertvolles Fallbeispiel dafür, wie ungehinderter Betrug ein ganzes Forschungsgebiet zum Nachteil echter Forschung verzerren kann.

Welche Rolle spielt KI bei den Fake-Publikationen?

Die Papiermühlen brauchen heute nur eine KI zu beauftragen. In der ARD Mediathek gibt es einen Filmbeitrag, in dem ein KI-Spezialist des Hessischen Rundfunks eine wissenschaftliche Arbeit produziert hat. Der ist kein Wissenschaftler. Er hat es innerhalb von zwei Stunden geschafft, eine ordentliche Arbeit zu schreiben. KI beschleunigt die Fälscherindustrie massiv. Natürlich entwickelt man auch KIs, um Fälschungen zu erkennen. Es ist letztlich ein Wettrüsten, wer die bessere KI hat.

Welche Rolle spielen die Wissenschaftsverlage?

Die haben ein sehr profitables Geschäftsmodell. Die weltweiten Gesamteinnahmen liegen trotz der kleinen Zielgruppe von circa acht Millionen Wissenschaftlern weltweit bei rund 19 Milliarden Dollar. Das ist ungefähr dieselbe Liga wie die Kino- und Musik-Industrie, nur wesentlich profitabler und mit einem Gewinn von bis zu 40 Prozent. Die Hälfte aller Einnahmen wird von den fünf größten Wissenschaftsverlagen gemacht: Elsevier, Springer Nature, Taylor &Francis, John Wiley & Sons und SAGE. Die Produktion der Artikel zahlt letztlich der Steuerzahler sowie Stiftungen und Unternehmen. Sie zahlen die Forschungsstruktur und die Gehälter. Die Wissenschaftler schreiben die Artikel umsonst, bezahlen oft noch eine „Article Processing Charge“ an den Verlag, der publiziert die Artikel und die Wissenschaftler kaufen dann wiederum die Leserechte.

Das ist ja ein geniales Geschäftsmodell. 

Ja, nehmen wir mal als Analogie das Beispiel des Drogenhandels: Die Drogen werden in einem Land hergestellt, dann werden sie transportiert und verkauft. Die Transporteure, also die LKWs und Schiffe, werden von einer unabhängigen Einrichtung, in dem Fall dem Zoll, überprüft und die finden ab und zu etwas. Die Verlage sind so eine Art Transporteur des Wissens. Sie transportieren das Wissen der Manuskripte, die sie kostenlos erhalten, in die Welt. Die Verlage gehören nicht selbst direkt zur Mafia, aber sie sind eben die Transporteure und haben daher auch eine besondere Verantwortung. Aber sie werden nicht unabhängig überprüft. Sie kommunizieren das Problem natürlich nicht, weil sie daran fürstlich verdienen. Es werden immer nur Einzelfälle berichtet. Bisher hat keiner den Versuch unternommen, die Größenordnung dieses Problems einzuschätzen. Da bin ich wohl der Erste und das hat mich motiviert herauszufinden, ob wir es hier mit Einzelfällen oder mit einem System zu tun haben, das uns massiv schädigt. Und es ist leider Letzteres.

Die Verlage setzen zunehmend auf Open Access, also den offenen Zugang zu den Artikeln. Warum hilft das auch den Fälschern? 

Zunächst einmal heißt Open Access bei weitem nicht, dass alles immer gratis ist. Die meisten Journale haben gewisse Bezahlschranken. Sie kommen zwar an die Artikel, müssen aber trotzdem dafür zahlen; entweder für den Einzelartikel oder mit einem Abo. Es ist ein geschickter Schachzug der Verlage, das „Open Access“ zu nennen. Das, was Wissenschaftler mit ihrem eigenen Aufwand erstellt haben, zahlen sie noch mal. Zeitschriften mit Open Access haben sehr hohe Akzeptanzraten. Das ist eine Gelddruckmaschine. Früher musste alles gedruckt werden, der Vertrieb, die Bibliotheken, die die Zeitschrift vorhalten, musste finanziert werden. Das alles fällt bei Open Access weg. Ein perfektes Geschäftsmodell: minimaler Aufwand mit erheblicher Gewinnmarge. Und es freut die Papiermühlen, weil die natürlich ihre Artikel viel leichter unterkriegen und daran dann auch prächtig verdienen.

Muss man nicht das ganze Geschäftsmodell der Verlage infrage stellen? 

Wir brauchen Verlage, die haben ja die wichtige Funktion, Wissen zu verteilen. Sie haben die Logistik und Erfahrung dafür, aber sie müssen das Problem ernsthafter bekämpfen und ein unabhängiges Qualitätskontroll-System zulassen. Wenn das Problem in der Breite erkannt wird, dann müsste man mehr Anstrengungen in dieser Richtung unternehmen. In Deutschland ist fast alles kontrolliert durch Qualitätsprüfungen und Qualitätssiegel. Aber die Wissenschaftsverlage können publizieren, was sie wollen. Eine Kontrolle würde uns als Wissenschaftler helfen, die Menge der Fake-Artikel deutlich zu reduzieren, damit wir wissen, worauf wir uns verlassen können. Da können wir nicht auf die Verlage vertrauen, dass die das für uns schnell regeln. Sonst hätten sie es schon längst gemacht. Als ­Steuerzahler kann man schon erwarten, dass es eine gewisse Qualitätskontrolle gibt, die unabhängig ist und die mafiösen Strukturen der Papiermühlen ein Ende finden. Das wäre eine staatshoheitliche Aufgabe, die vielleicht im Auftrag der Europäischen Union oder der Wissenschaftsorganisationen agieren und eine unabhängige Stelle schaffen, die das prüft. Aber die gibt es bisher nicht, weil es auch keine öffentliche Wahrnehmung des Problems gibt. Wir erleben den größten Wissenschaftsbetrug aller Zeiten und keiner merkt es. Deshalb habe ich das Buch geschrieben. //

Das Interview führte Bärbel Schwertfeger.


Literatur

Bernhard A. Sabel: Fake-Mafia in der Wissenschaft. KI, Gier und Betrug in der Forschung. Kohlhammer Verlag Stuttgart, Oktober 2024, 264 Seiten

Prof. Dr. Bernhard A. Sabel

Der Psychologe leitete bis September 2023 das Institut für Medizinische Psychologie an der Medizinischen Fakultät an der Universität Magdeburg und ist seither klinischer Berater des Savir-Centers in Magdeburg. Er absolvierte vielfältige Auslandsaufenthalte und hatte u.a. Gastprofessuren inne an der Harvard Medical School, der Princeton University, der Emory University (USA) und an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. Seit 2021 beschäftigt er sich mit dem Phänomen des Wissenschaftsbetrugs durch Fake-Publikationen, und veröffentlichte 2023 das Buch: „Fake-Mafia in der Wissenschaft“.

Foto: Sarah Kossmann / Universitätsmedizin Magdeburg​

Diese Cookie-Richtlinie wurde erstellt und aktualisiert von der Firma CookieFirst.com.

Login

Der Beitragsinhalt ist nur für Abonnenten zugänglich.
Bitte loggen Sie sich ein:
 

Logout

Möchten Sie sich abmelden?

Abo nicht ausreichend

Ihr Abonnement berechtigt Sie nur zum Aufrufen der folgenden Produkt-Inhalte: