Wie sich die Wissenschaft gegen die Sparpolitik wehrt
Seit Jahren müssen Griechenlands Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit immer neuen Budget-Kürzungen klar kommen. Auf bis zu 40 Prozent belaufen sie sich bisweilen schon. In diesem Frühjahr nun schickte Athen noch eine Welle von Hochschulfusionen hinterher und offenbart damit vor allem eines: die Verzweiflung einer Regierung am Abgrund.
Athen Hochschulgebäude wurden besetzt, Professoren von verschiedenen Hochschulen des Landes schickten wütende Briefe an die Regierung und die Parteien. In manchen Städten drohten Bürgermeister mit Rücktritt. An anderen Orten traten Professoren und Studierende in einen mehrtägigen Hungerstreik.
Die jüngsten Reformpläne der griechischen Regierung lösten landesweit empörte Reaktionen aus. Letztendlich konnten die Protestierenden den Plan Athena, mit dem das Hochschulsystem Griechenlands reformiert werden soll, zwar nicht aufhalten. Doch immerhin konnten sie an einigen Stellen noch Änderungen bewirken. Die Germanisten beispielsweise konnten die Zusammenlegung mit anderen fremdsprachlichen Fachbereichen verhindern.
Mit dem Ministerialerlass, der nun Ende März vom griechischen Parlament mit knapper Mehrheit angenommen wurde, hofft die Regierung, den Hochschulbereich in einem wirtschaftlich äußerst schwierigen Umfeld auf solide Beine zu stellen (s. duz EUROPA 06/2012, „Weitere Kürzungen stürzen Hochschulen in die Krise“). Der Plan sieht vor allem vor, dass kleine, in der Regel technische Unis in ländlichen Regionen zusammengelegt werden. Von derzeit 534 Fachbereichen an Universitäten und Fachhochschulen sollen nach den neuen Plänen 405 erhalten bleiben. 129 Abteilungen sollen gestrichen oder fusioniert werden. Weitere 25 sollen nach einer Übergangszeit von fünf Jahren dicht gemacht werden. Zudem soll an den Universitäten die Zahl der Studienplätze um rund ein Drittel erhöht werden, ohne dass es in entsprechendem Umfang mehr Personal gibt.
Athena hätte die Regierung von Antonis Samaras beinahe ins Straucheln gebracht. Die linksgerichtete Regierungspartei Dimar stimmte dem Ministerialerlass nicht zu, ebenso wie manche Abgeordnete der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung Griechenlands (Pasok), die ebenfalls an der Regierung beteiligt ist. Lediglich die Abgeordneten der konservativen Partei Nea Demokratia konnten sich für die Reformpläne erwärmen. Durch die Annahme des Erlasses wird jetzt der Weg frei, um Athena bis zum Herbst dieses Jahres umzusetzen.
Die Protestierenden haben starke Bedenken gegen die Pläne der Regierung. Die Gewerkschaft der Universitätsprofessoren Posdep etwa betonte Mitte März in einem Beschluss, dass der Plan Athena sehr schlampig zusammengestellt worden sei und keinerlei Rücksicht auf akademische Erfordernisse und andere Qualitätskriterien nehme (s. auch Interview). Außer über ein Formblatt auf der Website des Ministeriums habe es auch keinen Dialog mit der akademischen Gemeinschaft gegeben. Posdep erkennt zwar die Notwendigkeit einer Reform des Hochschulwesens in Griechenland an. Die Gewerkschaftler appellierten jedoch an die Regierung, dass die unabhängige Qualitätssicherungsagentur für höhere Bildung den Plan Athena erneut prüfen sollte.
„Wir haben dem Minister unsere Einwände bekanntgemacht. Aber er hat uns ignoriert“, sagt Prof. Dr. Stathis Efstathopoulos, der Präsident von Posdep. „Er hatte versprochen, eine Arbeitsgruppe zusammenzustellen, die den Plan überprüft und an der wir auch teilnehmen können. Das ist aber nicht passiert“, bemängelt der Experte für medizinische Physik. Die akademische Gemeinschaft bezweifelt vor allem, dass es durch die Reform tatsächlich zu Einsparungen bei den Hochschulen kommen wird, wie es die Regierung erhofft.
Die Tatsache, dass es innerhalb von zwei Monaten mehrmals zu Änderungen an den Reformplänen gekommen sei, zeige, dass der Plan nicht sachgerecht zusammengestellt worden sei. „Zum Beispiel bei den fremdsprachlichen Fakultäten, deren Abteilungen zusammengelegt werden sollten, hat der Minister sein Pläne geändert, nachdem ihm Wissenschaftler erklärt haben, dass die Zusammenlegung keinen Sinn macht und nur negative Folgen haben wird“, betont der Posdep-Präsident.
Eine der Betroffenen wäre Dr. Elke Sturm-Trigonakis gewesen. Die Vorsitzende der Griechischen Gesellschaft für Germanistische Studien und Assistenz-Professorin für Vergleichende Literaturwissenschaft an der Aristoteles-Universität in Thessaloniki kann diese Einschätzung nur teilen. „Der Grund für das Chaos, das angerichtet wurde, war die absolute Desinformierheit der Entscheidungsträger. Wir mussten um das Selbstverständliche kämpfen und haben uns wirklich würdelos behandelt gefühlt“, sagt Sturm-Trigonakis.
Prof. Dr. Giannis Tsaknis, der Präsident des Verbands der Fachhochschulprofessoren, sieht noch ein anderes Problem: Die meisten Änderungen der Reformpläne betreffen die Fachhochschulen. So werde die Anzahl der Studienplätze dort um circa 30 Prozent schrumpfen. „Und dies, obwohl in Zeiten der Krise das Land mehr Wissenschaftler aus dem technologischen Bereich und nicht dem theoretischen braucht”, sagt Tsaknis.
Unterdessen haben Deutschland und Griechenland die Zusammenarbeit in der Forschung gestärkt. Wie Anfang April bekannt wurde, investieren die beiden Länder rund zehn Millionen Euro in gemeinsame Projekte. Dies könne die Basis für weitere Vorhaben auf europäischer Förderbasis sein, hieß es aus dem Bundesforschungsministerium.
Prof. Dr. Konstantinos Gatsios
Die Sicht eines Rektors
„Unser Budget wurde um 40 Prozent reduziert“
Prof. Dr. Konstantinos Gatsios, Rektor der Wirtschaftsuniversität Athen, meint, der Plan Athena sei unprofessionell beschlo-
ssen worden. Akademische Kriterien und Ziele seien nicht zu erkennen.
duz: Herr Gatsios, welche Einschnitte gab es bislang im Budget Ihrer Uni?
Gatsios: Unser Budget wurde seit Anfang der Krise um etwa 40 Prozent reduziert. Damit sind wir an einem Punkt angelangt, an dem es so nicht mehr weitergeht. Den Betrieb können wir nur noch dank des selbstlosen Engagements unserer Mitarbeiter aufrechterhalten – sowohl in der Verwaltung als auch in der Lehre.
duz: Was halten Sie vom Plan Athena?
Gatsios: Ich glaube, alle Wissenschaftler wissen, dass der Hochschulbereich in unserem Land rationalisiert werden muss. Leider aber gehen die Politiker bei diesem Problem von großer nationaler Bedeutung schlampig vor. Die Tatsache, dass der Plan allein in den vergangenen drei Wochen mindestens drei Mal verändert wurde, zeigt, dass akademische Kriterien und Ziele dabei nur mangelhaft berücksichtigt wurden.
duz: Was sollte nun getan werden?
Gatsios: Zuerst sollte die Regierung alle Abteilungen oder Institutionen schließen, bei denen die Nachfrage bei Studierenden inakzeptabel ist. Zudem sollte die Regierung die Qualitätssicherungsagentur für höhere Bildung damit beauftragen, den Dialog zwischen Politik und Wissenschaft zu organisieren und Reformvorschläge innerhalb von 18 Monaten vorzulegen. So ist es schließlich auch gesetzlich vorgesehen.
duz: Wie reagieren die Akademiker?
Gatsios: Der Braindrain ist zu einem Problem geworden, das man nur als nationale Katastrophe bezeichnen kann. Die am besten ausgebildeten jungen Leute fliehen scharenweise ins Ausland. Das hinterlässt eine Lücke, die schwer aufzufüllen ist.
Die Fragen stellte Chrissi Wilkens
Griechenland in Zahlen
Griechenland in Zahlen
Hochschulen: Griechenland hat 22 Universitäten und 16 Fachhochschulen. Die meisten davon befinden sich im Großraum Athen. Die im aktuellen Shanghai Ranking bestplatzierten Unis sind die Kapodistrian Universität in Athen und die Aristoteles Universität in Thessaloniki. Sie liegen an Stelle 201 bis 300. Private Hochschulen sind in dem Land mit elf Millionen Einwohnern nicht zugelassen.
Die Finanzen: Bislang sind die Hochschulen des Landes staatlich finanziert. Für den gesamten Bildungsbereich hat Griechenland 2012 rund 2,75 Prozent seines Bruttoinlands-produktes vorgesehen. 2013 sollen es 3,1 Prozent sein.
Die Studierenden: Im akademischen Jahr 2011/2012 waren 558.270 Studierende im Erststudium registriert. Dazu kommen 28.611 Studenten im Aufbaustudium und 29.078 Doktoranden.
Der Minister
Der Minister
Der Politiker: Konstantinos Arvanitopoulos ist seit Juni 2012 im Amt. Der 52-Jährige war Professor für Internationale Beziehungen und ist Mitglied der konservativen Partei Nea Demokratia. Gemeinsam mit der Sozialistischen Bewegung (Pasok) und der Demokratischen Linken (Dimar) stellt sie die Regierung.
Seine Pläne: Die umstrittene Bildungsreform Athena gilt derzeit als ein Regierungs-Projekt mit Priorität. „Die Zeit drängt. Wir haben die Fehler erkannt und korrigiert. Wir müssen diesen Schritt tun. Ich glaube nicht, dass die Reform abgeschlossen ist, aber es ist der erste Schritt zu einer notwendigen Korrektur“, sagte Konstantinos Arvanitopoulos Mitte März.
DUZ Europa 03/2013 vom 12.04.2013