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Trophäe für Propagandaorgan?

Die European School of Management and Technology Berlin kooperiert mit dem Mathias Corvinus Collegium in Budapest, das als Prestigeprojekt und Kaderschmiede von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán gilt. Dafür kassiert sie eine erhebliche Summe. Das passt nicht zu ihrem Anspruch, setzt sich die Wirtschaftsuniversität doch für Europa, Demokratie und Klimaschutz ein. Sind Finanzprobleme der Grund?

Die Pressemeldung vom 24. April 2023 klingt auf den ersten Blick positiv: Die European School of Management and Technology Berlin (ESMT) baue ihre Aktivitäten in Mittel- und Osteuropa aus. Sie wolle noch mehr Studierende aus der Region für ein Studium gewinnen und ihre europäische Perspektive dadurch stärken. Deshalb arbeite sie mit dem Mathias Corvinus Collegium (MCC) in Budapest zusammen. Das ungarische Institut vergebe für mindestens zehn Jahre mehr als 20 Stipendien pro Jahr für Kandidatinnen und Kandidaten aus Mittel- und Osteuropa. Zudem werde ein Vertreter des MCC dem International Advisory Council der ESMT Berlin beitreten, das „vom Kuratorium der ESMT-Stiftung ins Leben gerufen wurde, um der Schule eine externe Perspektive, Einschätzung und Unterstützung zu bieten“. Auch eine Stiftungsprofessur werde eingerichtet.

Die ESMT Berlin ist nicht irgendeine Privatuniversität. Die Business School wurde 2002 von 25 Unternehmen und Verbänden gegründet, darunter Konzerne wie die Allianz Group, Axel Springer SE, Bayer, Bosch, BMW, die Deutsche Bank, E.ON, McKinsey, Mercedes-Benz Group, RWE, SAP, Siemens und thyssenkrupp sowie der Bundesverband der Deutschen Industrie und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Sie wollten damals eine Alternative zu den amerikanischen Business Schools wie der Harvard Business School schaffen, um verantwortungsvolle und global denkende Managerinnen und Manager auszubilden. Dazu zahlten sie 100 Millionen Euro in die ESMT-Stiftung ein, die wiederum Mehrheitsgesellschafter der ESMT GmbH ist, dem Träger der Hochschule. 

Das ging anfangs gründlich schief. „Vom Tiger zum Bettvorleger“, titelte der Spiegel 2006 und beschrieb den Fehlstart und die bemerkenswerte Pannenserie des „deutschen Harvard“, das seinen Sitz im ehemaligen Staatsratsgebäude der DDR hat. Die ESMT Berlin bietet Studiengänge zum Master of Business Administration (MBA), der klassischen amerikanischen Managementausbildung, Master-Programme sowie zahlreiche Executive-Education-Programme und Weiterbildungen für Führungskräfte ohne akademischen Abschluss an. Ein Vollzeit-MBA-Studium kostet aktuell 49 500 Euro, ein Executive MBA für Führungskräfte 64 800 Euro.

Starke Fokussierung auf den Osten

Sie fokussierte sich von Beginn an auf den Osten. Schließlich war sie aufgrund ihrer Lage in Berlin dazu prädestiniert. Sogar der russische Erdgasförderer Gazprom wurde Mitglied der Stiftung. 2008 fand das erste „ESMT Annual Forum“ unter dem Motto „Corporate Russia on the Rise“ statt, an dem Topmanager aus Russland und Deutschland teilnahmen. Inzwischen findet sich Gazprom nicht mehr auf der Stifterliste. Heute gehört die ESMT Berlin zu den führenden Business Schools in Deutschland und ist auch in zahlreichen internationalen Rankings vertreten. Sie ist eine staatlich anerkannte Universität mit Promotionsrecht. Die Schule stand und steht in engem Kontakt mit Regierungsstellen. ESMT-Präsident Jörg Rocholl ist nicht nur seit 2022 Professor der von der Deutschen Bank gesponsorten Professur für nachhaltige Finanzen, er ist auch Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Finanzministeriums. Sein Vorgänger Lars-Hendrik Röller war von 2011 bis 2021 wirtschaftspolitischer Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Leiter der Wirtschafts- und Finanzabteilung im Bundeskanzleramt. Heute ist er wieder als Professor an der ESMT tätig.

2023 erhielt die ESMT 2 560 000 Euro als Drittmittel vom Bund, die bei weitem höchste Summe an Drittmitteln. Von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) waren es nur 150 000 Euro, wie der Akkreditierungsbericht des Wissenschaftsrates zeigt. 2022 lag das Stiftungsvermögen bei rund 123 Millionen Euro.

Kooperation mit Prestigeprojekt von Orbán

Umso verwunderlicher ist es, dass man sich mit dem MCC einen umstrittenen Partner ins Haus geholt hat. Denn das MCC gilt als akademisches Propagandaorgan und Kaderschmiede des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Die internationale Vernetzung der neuen Rechten sei ein wichtiger Strang der MCC-Arbeit, sagt Thorsten Benner, Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin. So waren am MCC schon Donald Trump Jr. zu Gast, davor Tucker Carlson und Yair Netanyahu, der rechtsradikale Sohn des israelischen Premierministers. Zu Veranstaltungen waren Politiker eingeladen wie der britische Rechtspopulist Nigel Farage und der Parteigründer der Werteunion und frühere Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen.

Orbán pflegt trotz des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine weiter enge Beziehungen zu Wladimir Putin. Er verzögerte wiederholt EU-Maßnahmen wie Sanktionen gegen Russland oder Finanzhilfen für die Ukraine. Ganz im Gegensatz zur ESMT, die die russische Regierung für den Beginn des Krieges in der Ukraine verurteilt und fordert, die „russischen Truppen außerhalb der international anerkannten Grenzen der Ukraine abzuziehen“ (https://esmt.berlin/about/initiatives/supporting-ukraine).

„Viktor Orbán unterwandert angesehene Institutionen, um seine Meinungsmache zu platzieren“, sagt Benjamin Hilgenstock, Experte für osteuropäische Energiepolitik bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) gegenüber dem Investigativportal Correctiv in dem Artikel „Elite-Uni öffnet sich für Klimaskeptiker“ vom Mai 2024. „Dazu gehörten: Die Befugnisse der EU zu verkleinern, Sanktionen an Russland zu stoppen, noch weniger Flüchtlinge zuzulassen und Gesetze zum Klimaschutz möglichst scheitern zu lassen.“ 

Kaum hatte Ungarn am 1. Juli turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft übernommen, traf sich Orbán in Moskau mit Wladimir Putin, dann in Peking mit Xi Jinping. Schließlich ließ er sich in den USA medienwirksam mit Donald Trump fotografieren. Zudem gründete er eine neue rechtsextreme Fraktion im Europarlament, die Patrioten für Europa. „Viktor Orbán tut nichts lieber, als der Europäischen Union den ausgestreckten Mittelfinger zu zeigen“, schrieb Ulrich Ladurner in einem Kommentar in der ZEIT.

Förderung von Begabten

Das MCC wurde 1996 als politisches Institut gegründet und soll ungarische Begabte fördern. Es ist eine Bildungs- und Forschungseinrichtung, die „sich der Entfaltung der ungarischen Nation widmet“ und bietet jungen Ungarinnen und Ungarn eine kostenlose Zusatzausbildung an. „Obwohl das MCC ideologisch unabhängig ist, sind wir nicht wertneutral. Das MCC fördert ein Umfeld, das Patriotismus, Respekt vor der Tradition, eine realistische Einstellung zu globalen Angelegenheiten und die Sorge um die ungarische Nation und die Zukunft der westlichen Welt begünstigt“, heißt es auf der Website.

Inzwischen ist es auch international tätig. Im Herbst 2022 hat ein Schulungszentrum in Brüssel eröffnet. 2023 erwarb es den größten Teil der privaten Wiener Modul University, laut MCC „Österreichs führende Privatuniversität mit einem eigenen Campus in Wien und China“. Seit September 2023 sitzen im Rat der Modul University hochrangige MCC-Vertreter – darunter Zoltán Szalai, Generaldirektor des MCC und Chefredakteur des regierungsnahen Mandiner-Newsmagazins, schreibt der österreichische Standard (https://www.derstandard.de/story/3000000224903/keine-regenbogenfahne-an-der-modul-uni-mitarbeitende-wehren-sich-gegen-orbans-einfluss). 

Und nun die ESMT. Die Kooperation zwischen der ESMT Berlin und dem MCC sei ein weiterer Meilenstein für die beiden Institutionen, betonte Balázs Orbán, Vorsitzender des Kuratoriums des MCC, am 4. Juni 2023 laut Budapester Zeitung. Dabei gehe es auch um die Zukunft Europas. Die akademische Zusammenarbeit zwischen Ungarn und Deutschland sei von entscheidender Bedeutung, da der Kontinent ohne gemeinsame kulturelle Grundlagen, Wissen und Wurzeln keine Zukunft habe. „Die Vereinbarung ist gegeben, nun liegt es an uns, sie mit Inhalt zu füllen“, meinte Zoltán Szalai, Generaldirektor des MCC, der nun auch Mitglied des International Advisory Council der ESMT ist, dessen Hauptziel darin bestehe, die „Mission der ESMT zu fördern“. Das MCC sei eine Kooperation mit der ESMT Berlin eingegangen, um seinen Studierenden wichtige internationale Möglichkeiten zu bieten, schreibt das MCC auf Anfrage. 

Einschließlich des kommenden akademischen Schuljahres 2024/2025 sollen etwas mehr als 20 Studierende an den Programmen der ESMT Berlin teilgenommen haben. Dabei entschieden die Studierenden selbst, an welchen akademischen Programmen sie teilnehmen möchten. Die Auswahl reiche vom MBA bis hin zu einem Master in Innovation und Unternehmertum, Global Management und anderen. Fragen zur Höhe des finanziellen Einsatzes beantwortet das MCC auf journalistische Anfrage nicht. 

Finanzierung aus Öl

Laut Recherchen des Investigativportals Correctiv finanziert sich das MCC durch einen zehnprozentigen Anteil am ungarischen Ölkonzern MOL, dem profitabelsten Unternehmen Ungarns. Über die Anteile erhalte MCC jährlich hohe Dividenden. MOL wiederum macht Geschäfte mit Russland. „Die Berliner Wirtschaftsschmiede arbeitet also mit einem Institut zusammen, das Profite aus Ölimporten von Russland nach Europa zieht“, so Correctiv. 

Zwar sei seit dem Ukrainekrieg die Einfuhr von russischem Öl in die EU zumindest auf dem Seeweg verboten. Doch für den Import über Pipelines gebe es Ausnahmen, von denen Ungarn profitiere: Es kaufe fast 40 Prozent mehr russisches Öl ein als vor dem Angriffskrieg. „Das Geld aus russischem Öl, die Denkschule von Marktradikalen und Klimawandelleugnern – das MCC untergräbt den bisherigen europäischen Konsens“, schreibt Correctiv.

Dabei engagiert sich die ESMT seit Jahren für das Klima. Sie stellt gemeinsam mit dem Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) und dem Board Academy e. V. das Chapter Germany in der Climate Governance Initiative, einer vom Weltwirtschaftsforum (WEF) angestoßenen Kooperation. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, „Aufsichtsratsmitglieder darin zu unterstützen, Chancen und Risiken des Klimawandels in ihrer Kontrollfunktion adäquat zu berücksichtigen“. „Die Kooperation von ESMT und MCC war uns bislang nicht bekannt“, erklärte die Pressestelle des Rats für Nachhaltige Entwicklung.

Zudem hat die ESMT 2011 den Sustainable Business Roundtable (SBRT) gegründet, ein Lernnetzwerk für eine Gruppe von Unternehmen, die weltweit tätig sind und die Nachhaltigkeitsrevolution anführen wollen. Zu den 23 Mitgliedern gehören unter anderen Accenture, Bain & Company, Deutsche Bank, DHL Group, Deutsche Telekom, E.ON, ING, Merck, PricewaterhouseCoopers, Siemens, UniCredit und Volkswagen. Auch eine Societal Impact Financing Initiative (SciFi) gibt es an der ESMT Berlin, einen informellen Austausch zwischen Vermögenseigentümern, Experten für Impact Investing und Philanthropie. SciFi soll dazu beitragen, Fortschritte bei der Finanzierung großer gesellschaftlicher Veränderungen zu erzielen. Die Initiative wird auch von der Bill & Melinda Gates Foundation unterstützt und Dr. Anja Langenbucher, Direktorin der Bill & Melinda Gates Foundation in Europa, sitzt auch im International Advisory Board. Eine journalistische Anfrage zu der MCC-Kooperation bleibt unbeantwortet. 

Die Kontrollorgane der ESMT schweigen

Was sagt die ESMT? Sie stehe „seit ihrer Gründung für ein demokratisches, offenes Weltbild und hat sich zum Ziel gesetzt, eine wichtige Brücke zwischen den verschiedenen Regionen Europas und der Welt zu bauen. Mit der Kooperation mit dem MCC würden „europäische Werte gestärkt und langfristig in die Herkunftsländer getragen und etabliert“. Vor der Entscheidung habe man „einen langen und intensiven Austausch mit dem Auswärtigen Amt sowie führenden Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, NGOs und der Wirtschaft“ gehabt. 

Doch sind sie wirklich damit einverstanden, dass sich die ESMT damit in einem gewissen Grad finanziell abhängig vom MCC macht, das als Propagandaorgan von Viktor Orbán nicht nur anti-europäische, sondern auch klimakritische Ideologien vertritt? Fakt ist: Die Kontrollorgane schweigen. Der Vorstand der Stiftung leitet und vertritt sie rechtlich. Er wird vom Board of Trustees (Kuratorium) überwacht. Beide Gremien werden von einem International Advisory Council beraten. Weiter heißt es: „Die Geschäftsführer (Präsident und CFO), die die Hochschule rechtlich vertreten, werden vom Aufsichtsrat überwacht.“ Vorsitzender Stiftungsvorstand ist Ola Källenius, CEO der Mercedes-Benz Group. Er ist zudem Vorsitzender des International Advisory Council der ESMT. 

Auch Jürgen Hartwig, Personalvorstand von Daimler Truck, und Sabine Kohleisen, Personalvorständin der Mercedes-Benz Group, sitzen im Aufsichtsrat der ESMT GmbH. Vorsitzender des Aufsichtsrats wiederum ist Dr. Werner Zedelius, Senior Advisor, Allianz SE. Im International Advisory Council sitzt Michael Diekmann, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Allianz. Ebenfalls im Aufsichtsrat sitzt Judith Wiese, Vorstand Chief People and Sustainability Officer. Alle drei Unternehmen wollen sich auf journalistische Anfrage nicht äußern.

Reputationsrisiko für involvierte Unternehmen

„Die Gremien haben das befürwortet“, sagt Thorsten Benner vom GPPi. Ob alle die ESMT unterstützenden Unternehmen das als eine gute Sache sehen, sei fraglich. In Ungarn tief investierte Autobauer mögen die Partnerschaft als gute politische Investition in die Beziehung zur Orbán-Regierung sehen, welche in Brüssel und bei Trump hilfreicher Fürsprecher sein könne. Doch für die meisten Unternehmen sei es vor allem ein Reputationsrisiko, eine Partnerschaft mit einem Kronjuwel des ungarischen Premiers zu goutieren, der noch dazu im Europaparlament gemeinsame Sache mit der AfD macht, so der Direktor des GPPi. Die ESMT sitze das aus, außer es gebe kritische Nachfragen von zentralen Unternehmen. „Dann könnte es sein, dass die Kosten-Nutzen-Rechnung umschlägt.“

Versuch der Unterwanderung?

Versucht das MCC daher, die ESMT zu unterwandern? Benner glaubt das nicht: „Das MCC lässt verschiedene Meinungen zu und lädt zu Veranstaltungen auch kritische Stimmen ein.“ Man sei zu klug, um die Stipendiaten nur mit neurechter Kost zu bewirten. „Die ESMT ist eine Trophäe für das MCC“, sagt der GPPi-Direktor. Es bekomme dadurch Zugang und Prestige als attraktiver Stipendiengeber und das MCC legitimiere sich damit als normale stipendiengebende Institution und nicht primär als Instrument der neuen Rechten. Das MCC fungiere als den Prinzipien von Orbáns „illiberalem Staat“ verpflichtete Denkfabrik und sei Orbáns Gegenentwurf zu der Anfang der 1990er-Jahre in Budapest etablierten Central European University (CEU) des Milliardärs George Soros, die Nachwuchseliten für Demokratie ausbildet. 

Doch ideologisch unangepasste Institutionen seien ein Dorn im Auge Orbáns, seit er seine liberalen Wurzeln gegen das Projekt des „illiberalen Staats“ eingetauscht habe. Er habe staatliche Universitäten durch direkte Eingriffe in Personal, Finanzierung und Regularien an die kurze Leine genommen und die privat finanzierte CEU per Gesetz aus Budapest nach Wien vertrieben, so Benner in seinem Kommentar „Orbáns williger Partner“ (https://gppi.net/2024/06/19/berliner-elitehochschule-esmt-orbans-williger-partner). 2017 habe Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gemahnt, man dürfe nicht „schweigen, wenn der Zivilgesellschaft, selbst der Wissenschaft – wie jetzt an der CEU – die Luft zum Atmen genommen werden soll“.

Doch bei der ESMT Berlin schweigt man nicht nur zu den Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit in Ungarn – sondern man legitimiert auch Orbáns Kronjuwel MCC mit einer umfassenden Partnerschaft. So gab die Deutsche Botschafterin in Ungarn, Julia Gross, im Rahmen einer Zeremonie in Budapest an der Seite des MCC-Kuratoriumsvorsitzenden Orbán ihren Segen und sagte: „Wir glauben, dass sie dazu dienen wird, Fenster in den Köpfen der Studierenden zu öffnen und sie auf beiden Seiten, auf der deutschen und der ungarischen Seite, lehren kann, sich für andere Ansichten zu interessieren.“ „Das war ein Geschenk von der Botschafterin an die ESMT, quasi der Segen vonseiten der Regierung“, sagt Benner. „Dass die ESMT damit das Orbán-Institut auch legitimiert, dafür ist sie blind.“ Wenn die ESMT den Horizont der Studierenden erweitern wolle, sollte sie dies mit eigenem Geld tun. Das sei eine falsche politische Einschätzung. 

Mögliche Finanzprobleme 

Hintergrund könnten allerdings auch Finanznöte der ESMT sein. Die finanziellen Details der Vereinbarung zwischen ESMT und MCC sind geheim. Die Kooperation umfasst 20 Studienplätze an der ESMT für MCC-Stipendiaten sowie Gastaufenthalte für MCC-Forschende und einen MCC-Stiftungslehrstuhl. Da dürfte eine erkleckliche Summe zusammenkommen, überwiesen von Orbáns Prestigeprojekt. 

Laut Website hat die ESMT derzeit 1016 Studierende aus 85 Ländern. Sie hat 45 Fakultätsmitglieder, aber nur 37 der Kernfakultät. Auffallend ist die hohe Zahl von 234 Mitarbeitenden in der Verwaltung. 39 Prozent des Gesamtumsatzes kommen aus dem Bereich der Hochschule, 43 Prozent aus dem Weiterbildungsgeschäft, elf Prozent durch Drittmittel-Projekte und sieben Prozent durch Vermietungen und Dienstleistungen an Dritte.

Laut Bilanz betrug der Jahresfehlbetrag 2022 rund eine Million Euro. Der Verlustvortrag lag zu Beginn 2022 bei knapp 15 Millionen Euro. „Forderungen gegenüber verbundenen Unternehmen sind gleichzeitig Forderungen gegen Gesellschafter und bestehen per 31. Dezember 2022 in Höhe von 11,6 Millionen Euro und betreffen die Spenden des Gesellschafters der ESMT-Stiftung zur Stärkung der Ertragslage für die Jahre 2021 und 2022“, heißt es in der Bilanz. Bereits 2019 hatten die Unternehmen aufgrund finanzieller Probleme 60 Millionen Euro in die Stiftung nachgeschossen. Die Zahlen der Studierenden in den einzelnen Programmen will die ESMT nicht nennen. Im Januar 2016 waren es noch 66 MBA-Studierende, 2023 nur noch 37 MBA-Studierende im ersten Semester. Für 2024 erwartete man 45 Studienanfänger. Das geht aus dem aktuellen Bericht zur Akkreditierung des Wissenschaftsrates hervor. Auch bei den anderen Studiengängen sieht es nicht viel besser aus. Da kommt das Geld vom MCC gerade recht, wobei auch die Frage, ob es spezielle Preiskonditionen gibt, vom MCC auf ­Presseanfrage unbeantwortet bleibt.

Sind also Finanzprobleme der wahre Grund für die Kooperation? Blauäugigkeit kann man der ESMT zumindest nicht vorwerfen. Dazu ist sie politisch zu versiert. „Wenn man das Geld – vor allem für eine Stiftungsprofessur – nicht hätte brauchen können, hätte man es nicht genommen“, ist GPPi-Direktor Benner überzeugt. „Das Reputationsrisiko muss klar gewesen sein.“ //

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