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Hochschulen haben Spielraum

Stehen sich Hochschulen bei der Digitalisierung selbst im Weg? Dieser Eindruck entsteht, denn oft sind Bedenken wichtiger als Innovationen. Eine Worst-Practice-Anleitung

Bei der Digitalisierung von Studium und Lehre verhindern bundes- und landesrechtliche Regelungen die Realisierung wünschenswerter Aktivitäten und Umsetzungswege – diese Klage haben wir immer wieder von Hochschulen und einzelnen Lehrenden gehört. Existieren in den Hochschulgesetzen der Länder, in anderen Gesetzestexten, Verordnungen und Erlassen, die das Handeln von Hochschulen beeinflussen, also wirklich Regelungen, die die Hochschulen hemmen oder behindern? Engen rechtliche Rahmenbedingungen sie in ihrem Handlungsspielraum ein?

Das Ergebnis der Studie von CHE Consult zeigt, dass – bei allen Verbesserungsmöglichkeiten im Detail – der Umsetzung notwendiger und sinnvoller Aktivitäten durch die Hochschulen keine gravierenden Hindernisse im Wege stehen. Ob digitale Prüfungen oder Anrechnung digital gestützter Lehre auf das Lehrdeputat: Die Hochschulen können, wenn sie wollen

Spielräume müssen gestaltet werden

Digital gestützte Lehr-, Lern- und Prüfungsformate sind also umsetzbar. Und zahlreiche Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) machen von dieser Freiheit regen Gebrauch. Andere Hochschulen und Fachbereiche dagegen sind weniger mutig, kreativ und innovativ. Manche sind nach den „Corona-Semestern“ wieder zurückgekehrt zum analogen Status quo ante.

Digitalisierung in Studium und Lehre ist also kein Selbstläufer. Und auch der notwendige Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) ist es nicht. Es kommt letztlich darauf an, wie Hochschulen die Rahmenbedingungen und Anreize für ihre Lehrenden und Studierenden gestalten. Welche Freiräume gewähren sie, wo setzen sie klare Regeln?

Kleine Anleitung zur Worst Practice 

Als Hilfestellung für Verantwortliche in Hochschulen haben wir eine Anleitung zur Worst Practice formuliert: acht – natürlich nicht ganz ernst gemeinte – Tipps. Beherzigen Hochschulleitungen und Führungskräfte an Universitäten diese Ratschläge, stellen sie sicher, dass sie sich bei der Digitalisierung von Studium und Lehre garantiert dauerhaft selbst im Wege stehen und den ihnen durch die Länder gegebenen Handlungsspielraum nicht ausnutzen.

1. Begrifflichkeiten unklar lassen. Um Festlegungen zu vermeiden, sollten Hochschulen am besten nicht genau definieren, was denn nun mit Begriffen wie „digitale Lehre“, „hybride Lehre“, „E-Learning“, „Online-Lehre“ und „Fernlehre“ gemeint ist. Einfach alle Begriffe ohne klare Definition und Abgrenzung wild durcheinanderwerfen. Werfen Sie auch gerne Begriffe wie KI als Buzzword in den Raum, um damit sämtliche Probleme zu lösen.

2. Lehrenden (und Studierenden) prinzipiell misstrauen. Natürlich wissen Lehrende und Studierende meist selbst nicht genau, was sie genau machen und wie sie es am besten umsetzen. Und natürlich kann man davon ausgehen, dass alle Akteure nur ihren eigenen Vorteil im Blick haben. Also hochschulinterne Leitlinien zur digital gestützten Lehre am besten bis ins kleinste Detail ausbuchstabieren, damit nichts schiefgehen kann.

3. Keine Zwischenstände diskutieren. Wenn man Standards und Regelungen erarbeitet, sollte das unbedingt im Geheimen und im kleinen Kreis erfolgen. Viele Köche verderben den Brei. Und wenn sich jeder als Experte oder Expertin sieht, ist es einfacher, die Hochschulleitung entscheidet einfach etwas und überrascht dann alle.

4. Auf Nummer sicher gehen. Als Hochschule kann man sich keine Schwäche erlauben. Erst einmal etwas ausprobieren? Verschiedene Ansätze testen? Interpretationsspielräume nutzen? Undenkbar! Im Zweifelsfall (wie beim Datenschutz) erst einmal alles potenziell Kritische verbieten oder gar nichts machen, bis es eine von allen akzeptierte perfekte Lösung gibt und alles 100 Prozent wasserdicht ist.

5. Einmal getroffene Regelungen nicht mehr anpacken. Regelungen regelmäßig überprüfen und anpassen? Dann geht die Diskussion ja von vorne los … Wenn etwas einmal geregelt ist, sollte es die nächsten zehn Jahre auch unverändert gelten. Mindestens.

6. Digitale Lehre einfach wie Präsenzlehre behandeln. Man muss es auch nicht komplizierter machen, als es ist. Letztlich ist digitale Lehre auch nur Lehre, so wie ein E-Bike auch ein Fahrrad bleibt. Warum also bei der Anrechnung digitaler (asynchroner) Lehrformate nicht einfach die gleiche Logik wie bei Präsenzlehre anwenden und einfach nur die reine Kontaktzeit zählen?

7. Einzelfallbetrachtung umsetzen statt Routinen. Jeder Fall ist anders. Am besten prüft jede Hochschule und jede einzelne Fakultät jeden Fall und jede Frage (etwa, was nun aufs Deputat angerechnet werden kann und was nicht) separat und gründlich. Wenn man bei jeder Frage so handelt, als würde sie zum ersten Mal gestellt, übersieht man auch keine fallspezifischen Besonderheiten.

8. Keinen Außenblick einbeziehen. Selbstverständlich löst man jedes Problem für sich im eigenen Haus! Sonst müsste man ja zugeben, Unterstützung zu brauchen. Und die eigene Hochschule ist ja auch was Spezielles. Die Bedingungen dort lassen sich nicht mit anderen Hochschulen vergleichen. //

Die Studie 

Gehlke, A.; Klöver, B.; Lasser, I. (2024): Hemmt das Hochschulrecht die Digitalisierung von Studium und Lehre? Auswirkungen gesetzlicher Regulierungen auf den Gestaltungsspielraum von Hochschulen. Arbeitspapier Nr. 77. Berlin: Hochschulforum Digitalisierung.

Ulrich Müller 

ist Mitglied der Geschäftsleitung im CHE Centrum für Hochschulentwicklung, Gütersloh.


Dr. Jannica Budde 

ist Senior Projektmanagerin für das Hochschulforum
Digitalisierung, Gütersloh.

Fotos: CHE

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