POLITIK & GESELLSCHAFT

FORSCHUNG & INNOVATION

STUDIUM & LEHRE

KOMMUNIKATION & TRANSPARENZ

ARBEIT & PSYCHOLOGIE

WISSENSCHAFT & MANAGEMENT

75 JAHRE DUZ

 Login

Unsichtbar? Unverzichtbar!

Für eine zukunftsfähige Personalpolitik müssen die Hochschulen auch Technik, Verwaltung und Service in den Blick nehmen

Kolleginnen und Kollegen im wissenschaftsunterstützenden Bereich stehen an den Hochschulen kaum je im Fokus – obwohl der Wissenschaftsbetrieb ohne sie zum Stillstand käme. Wenn die Hochschulen die Digitalisierung meistern, ihre Leistungen qualitativ weiterentwickeln und in Zeiten des Fachkräftemangels zukunftsfähig sein wollen, müssen sie diesen blinden Fleck überwinden.

Attraktivitätsverlust und Überlastung

Der öffentliche Dienst kämpft insgesamt mit einem erheblichen Fachkräftemangel. Dem zugrunde liegt ein Attraktivitätsverlust der Arbeitsbedingungen. In einer Befragung durch Verdi im Frühjahr 2024 gaben fast zwei Drittel (63 Prozent) der Beschäftigten im öffentlichen Bereich an, dass es in ihrem unmittelbaren Arbeitsbereich unbesetzte Stellen gibt (1). Als Grund hierfür wurde am häufigsten genannt: ‚Diese Stellen sind aufgrund der angespannten Arbeitsmarktlage schwer zu besetzen‘ (52 Prozent). In der Folge wird die Arbeit von anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern miterledigt, die Belastung steigt, wie 84 Prozent der Betroffenen angeben.

Diese Erfahrungen werden auch von Hochschulpersonalräten bestätigt. Immer häufiger müssen Ausschreibungen wiederholt werden oder bleiben Stellen sogar dauerhaft unbesetzt. Dies führt zunehmend zu Überlastung und Frust. Zudem tragen mangelnde Wertschätzung und fehlende Mitgestaltungsmöglichkeiten dazu bei, dass Kolleginnen und Kollegen aus Technik und Verwaltung das Wissenschaftssystem verlassen oder mit abnehmender Motivation weiterarbeiten.

Aktive Personalentwicklung

Das Thema Personalentwicklung wird von den Hochschulen bisher häufig (fast) allein auf den sogenannten wissenschaftlichen Nachwuchs bezogen. Damit bleibt ein zentrales Feld der Personalpolitik unbestellt. Anders als in der öffentlichen Verwaltung gibt es für das wissenschaftsunterstützende Personal an Hochschulen kaum vorstrukturierte Wege beruflichen Aufstiegs. Die Teilnahme an Weiterbildungen erfolgt meist aus Eigeninitiative und bleibt in der Regel ohne Folgen. Wo Aufstiege im Wissenschaftssystem gelingen, erfolgen sie allzu oft durch (internes) Wegbewerben auf höher bewertete Stellen. Der Beitrag der Führungskräfte beschränkt sich dann darauf, angestrebte Stellenwechsel nicht zu blockieren. Für eine aktive Personalentwicklung ist da noch viel Luft nach oben.

Die Hochschulen haben sich in den letzten Jahren erheblich verändert – und damit auch die Arbeitsanforderungen. Das zeigt beispielhaft ein Blick auf Hochschulsekretariate: Viele hier Beschäftigte wirken mit Begeisterung an internationalen Tagungen mit, unterstützen Gäste engagiert bei Behördengängen und Visumsfragen, kümmern sich um die Bereitstellung aller nötigen Informationen und Unterlagen in Campus-Management-Systemen oder um die Verwaltung von Drittmitteln. Aber genauso häufig schlägt die Begeisterung in Frust um, wenn sich ihre Entlohnung noch am Bild einer Schreibkraft orientiert. Die ganze Hochschule könnte profitieren, wenn sie die Aufwertung von Berufsbildern aktiv gestaltet und vorantreibt.

Zunehmende Fliehkräfte

Verglichen mit anderen Branchen und der öffentlichen Verwaltung mögen Hochschulen mit ihrer internationalen Atmosphäre und einem abwechslungsreichen Alltag für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zunächst durchaus attraktiv erscheinen. Bei näherer Betrachtung geraten sie allerdings zunehmend ins Hintertreffen. Zum einen hinken die Gehälter im öffentlichen Dienst insgesamt denjenigen vieler Bereiche in der Privatwirtschaft hinterher. Hinzu kommt, dass Hochschulen bei der Eingruppierung in die verschiedenen Entgeltgruppen des Tarifvertrages der Länder vielfach nach dem Motto ‚so niedrig wie möglich‘ verfahren.

So landen etwa Hochschulsekretärinnen teilweise noch in der Entgeltgruppe 5 und damit beim Einstieg monatlich bei aktuell 2.619 Euro brutto zuzüglich 120 Euro Inflationsausgleichszahlung. Eine 20-jährige Sekretärin, die ohne Berufserfahrung in der Metallindustrie beginnt, kann nach Angaben des Statistischen Bundesamtes dagegen mit einer Vergütung von ca. 3.200 (Berlin) oder 3.300 (Bayern), ein männlicher Sekretär sogar mit über 3.500 (Berlin) bzw. über 3.600 Euro (Bayern) rechnen (2). Mit angemesseneren Eingruppierungen je nach konkreter Tätigkeit in die Entgeltgruppen 6 bis 9a würde das Einkommensniveau der Metallindustrie zwar nicht erreicht, aber die Hochschulen würden im Vergleich erheblich aufholen.

Neuorientierung der Personalpolitik einleiten

Während die öffentliche Verwaltung bei der Personalgewinnung mit der Sicherheit der Arbeitsplätze punkten kann, gibt es an den Hochschulen auch im wissenschaftsunterstützenden Bereich überdurchschnittlich viele befristete Arbeitsverträge. Dies gilt bei Neueinstellungen in besonderer Weise und führt immer wieder dazu, dass für entsprechend ausgeschriebene Stellen keine einzige geeignete Bewerbung eingeht. Statt immer neue Kreativität beim Suchen nach Befristungsgründen zu entwickeln und statt jede Eingruppierung so niedrig wie möglich anzusetzen, brauchen Hochschulen eine grundlegende Neuorientierung ihrer Personalpolitik: hin zu klaren Perspektiven (auch) für das wissenschaftsunterstützende Personal. Und hin zu einer neuen Führungskultur, die Technik, Verwaltung und die weiteren Servicebereiche als zentrale Säulen des Wissenschaftssystems wahrnimmt, wertschätzt und Verantwortung für gute Arbeitsbedingungen übernimmt. //

Quellen

(1) ver.di-Arbeitszeitbefragung, Befragungszeitraum 05.02.-12.04.2024, abgeschlossene Fragebögen von aktiv tätigen Beschäftigten im öffentlichen Dienst: 257.647
(2) Gehaltsrechner des Statistischen Bundesamtes, Sekretär/in mit Berufsausbildung im Bereich Metallerzeugnisse, Unternehmensgröße ab 1.000 mit Tarifbindung; https://service.destatis.de/DE/gehaltsvergleich (vom 18.09.24)

Sonja Staack

leitet die Bundesfachkommission Hochschulen und Forschung bei Verdi. Dort arbeiten Beschäftigte aller Personalgruppen zusammen. 

Foto: Caro Hoene

Diese Cookie-Richtlinie wurde erstellt und aktualisiert von der Firma CookieFirst.com.

Login

Der Beitragsinhalt ist nur für Abonnenten zugänglich.
Bitte loggen Sie sich ein:
 

Logout

Möchten Sie sich abmelden?

Abo nicht ausreichend

Ihr Abonnement berechtigt Sie nur zum Aufrufen der folgenden Produkt-Inhalte: