Foren, Impulse, Einfluss
„Gibt’s da nicht eine passende Stiftung?“ Dieser Satz fällt schnell, wenn eine Projektidee entstanden, aber keine passende Ausschreibung bei den großen Wissenschaftsförderern zu finden ist. Was Stiftungen anbieten
„Gemessen an ihrem geringen Anteil an der Forschungsförderung sind Stiftungen bei den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sehr präsent“, sagt die Soziologin Dr. Evelyn Moser, die in der Abteilung Demokratieforschung des Forums Internationale Wissenschaft (FIW) der Universität Bonn zu Stiftungen forscht. „Sie sind schnell als Geldgeber genannt.“
Dabei spielen die rund 5000 Wissenschaftsstiftungen in Deutschland für die Finanzierung der Forschung nur eine kleine Rolle. Mit 714 Millionen Euro lag 2022 ihr Anteil an den Drittmitteleinnahmen der Hochschulen bei lediglich sechs Prozent, laut Statistischem Bundesamt. Aber: Viele Stiftungen legen Wert darauf, mit ihren Förderungen oder ihren Projekten eine öffentliche Wirkung zu erzielen. Das macht sie in der Branche bekannt. „Es ist auch für Forschende attraktiv, wenn eine Stiftung mit einem Podcast und Publikationen über die Ergebnisse von Forschung spricht“, sagt Moser. Deshalb und weil die Zusammenarbeit sich oft unkomplizierter organisieren lasse als bei den großen Tankern der Wissenschaftsförderung – dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) – seien Stiftungen für Forschende attraktive Partner, vermutet sie. „Stiftungen sehen sich oft in der Rolle, die gesellschaftlichen Akteure zusammenzubringen“, sagt Moser. „Sie organisieren Foren und Räume für Austausch. Das hat auch eine Anziehungskraft, da sagt selten jemand nein.“
Der kleine Anteil am Gesamtvolumen der Wissenschaftsfinanzierung einerseits, die Verpflichtung auf das Gemeinwohl andererseits und auch die Freiheit, eigene Ideen unabhängig von Strukturen zu verfolgen, wie sie für vom Steuerzahler finanzierte öffentliche Ausschreibungen gelten, führen viele Stiftungen in die Rolle von Impulsgebern und an die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft.
Handlungsbedarf im System identifizieren
Grob lassen sich die Aktivitäten der rund 5000 gemeinnützigen Stiftungen, die Drittmittel in die Wissenschaft geben, danach unterscheiden, ob sie die Strukturen der Wissenschaft selbst fördern oder andere Ziele verfolgen und dazu wissenschaftliche Unterstützung oder die Ressourcen eines entsprechenden Forschungsfeldes suchen.
Stiftungen, die mit ihrer Tätigkeit die Strukturen der Wissenschaft im Blick haben, setzen dort an, wo sie im Wissenschaftssystem Handlungsbedarf identifizieren. Das können Herausforderungen sein wie Digitalisierung, Forschungstransfer, Kommunikation oder Nachwuchsförderung, aber auch der Ausbau eines Wissenschaftsstandortes oder die Finanzierung wissenschaftlicher Einrichtungen bis hin zur stiftungseigenen Privathochschule. Dabei ist die Volkswagen Stiftung zu nennen – mit einem Vermögen von rund 3,4 Milliarden Euro und einer Fördersumme von rund 330 Millionen Euro (2022) nach der Statistik des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen die zweitgrößte privatrechtliche Stiftung in Deutschland (hinter der Robert Bosch Stiftung) und die größte unter den Wissenschaftsstiftungen. 1961 vom Bund mit den Erlösen aus dem Verkauf der bis dahin staatlichen Volkswagen-Aktien errichtet, versucht sie Impulse für Weiterentwicklungen im Wissenschaftssystem zu geben, zum Beispiel mit der Förderung von „Pioniervorhaben“, die strukturelle Veränderungen im Wissenschaftssystem anregen sollen. Sie fördert auch Forschung über Wissenschaft oder die Exploration neuer Forschungsräume und in verschiedenen Fällen geht es um die Zusammenarbeit mit außeruniversitären Akteuren. „Wir wollen strukturverändernd wirken“, sagte Generalsekretär Georg Schütte, vormals Staatssekretär im BMBF, zwei Jahre nach seinem Amtsantritt gegenüber dem Fachmagazin Stiftung&Sponsoring. Er beschrieb die aktuelle Strategie so: „Wie können wir als Stiftung die Wissenschaft in die Lage versetzen, aus sich heraus, von intrinsischer Neugierde getrieben, radikal neue Fragen zu stellen und relevante Antworten zu liefern?“
Die Region im Blick haben
Regionale Standortförderung betreibt eine andere große Stiftung, die Dieter Schwarz Stiftung, benannt nach dem Gründer des Lebensmittelhändlers Lidl, die sich der Bildungsförderung verschrieben hat. Sie baut seit 2010 einen Bildungscampus im baden-württembergischen Heilbronn, Schwarz' Heimatort, auf. Neben einer gemeinnützigen Weiterbildungsakademie für Pädagogen und einer privaten Management School hat sich die Technische Universität München mit Informatik- und Managementstudiengängen sowie den Forschungszentren Center for Digital Transformation und Global Center for Family Enterprise hier angesiedelt. Das erklärte Ziel: die Digitalisierung vorantreiben. Inzwischen ist auch die ETH Zürich auf dem Campus vertreten. Die Dieter Schwarz Stiftung errichtet Gebäude und Infrastruktur und fördert den Aufbau mit Stiftungsprofessuren.
Heilbronn sucht in Deutschland seinesgleichen, doch auch andernorts wirken Stiftungen standortbezogen, wenn sie wissenschaftliche Einrichtungen gründen oder fördern. Beispielsweise hat in Potsdam der Gründer des Software-Konzerns SAP und Stifter Hasso Plattner mit dem Hasso-Plattner-Institut (HPI) eine renommierte Einrichtung für IT-Systemtechnik aufgebaut. In Berlin geht die private International Psychoanalytic University Berlin (IPU) auf Christa Rohde-Dachser zurück, Soziologin und Psychoanalytikerin, eine engagierte Vertreterin ihres Fachs. Sie gründete mit dem Erbe ihres Vaters, eines Logistikunternehmers, die Stiftung zur Förderung der universitären Psychoanalyse, um diese gegenüber naturwissenschaftlich orientierter Psychologie wieder zu stärken. Heute ist die Stiftung die alleinige Gesellschafterin jener gemeinnützigen GmbH (gGmbH), die als Trägerin der IPU fungiert.
Gesellschaftliche Zwecke verfolgen
Zu den Stiftungen, die mit ihrer Wissenschaftsförderung explizit gesellschaftliche Zwecke verfolgen, gehört die Stiftung Mercator, eine vergleichsweise junge Stiftung, die 1996 von der Duisburger Unternehmerfamilie Karl Schmidt errichtet wurde. Die Stiftung ist als gGmbH verfasst und engagiert sich für internationale Verständigung, Klimaschutz, eine digitalisierte Gesellschaft und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie hat beispielsweise zusammen mit dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) gegründet, das wissenschaftsbasierte Handlungsoptionen entwickeln, aber auch den Dialog zwischen Wissenschaft und Politik fördern will.
Die Stiftung finanziert Wissenschaft und Forschung, aber nicht zur Entwicklung der Wissenschaft selbst, sondern um den gesellschaftlich relevanten Zielen der Stiftung näherzukommen, sagt Dr. Wolfgang Rohe. Er ist seit 2014 Geschäftsführer der Stiftung Mercator und war vorher bei der DFG und im Wissenschaftsrat tätig. „In den letzten Jahren ist der Gesellschaftsbezug der Wissenschaftsförderung insgesamt stärker geworden und für uns ist die Wissenschaft nur einer von mehreren Wegen, um Veränderung zu unterstützen“, sagt er. „Die großen gesellschaftlichen Herausforderungen werden nicht allein und nicht per se durch wissenschaftliche Durchbrüche bewältigt.“
So adressiert die Stiftung in ihrer Förderung auch zivilgesellschaftliche Organisationen. Denn, so Rohe, weil die Stiftung auf Veränderung zielt, müsse dafür in der Gesellschaft Bereitschaft entwickelt werden: „Veränderung muss in der Bevölkerung auch angenommen werden.“ Deshalb suche die Stiftung Mercator die Zusammenarbeit mit Non-Profit-Organisationen mindestens ebenso intensiv wie mit der Wissenschaft – und sie fördert den Austausch zwischen den verschiedenen Gruppen. Mit dem Mercator Science-Policy Fellowship-Programm stellt sie seit Jahren einen Rahmen für Begegnungen und Wissenstransfer zwischen nichtwissenschaftlichen Führungskräften wie Politikern, Journalisten und Ministeriumsmitarbeitern und namhaften Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern her.
Viele Stiftungen legen Wert darauf, dass ihre Förderung nicht in der Wissenschaft bleibt, sondern die Ergebnisse einen Weg in die Gesellschaft finden. Sei es, dass die Stifter dieses Ziel von vornherein in die Satzung geschrieben haben, sei es, dass die Stiftung mit der Zeit ihre Strategie nachgeschärft hat: Transfer und anwendungsorientiertes Forschen steht inzwischen weit oben auf der Agenda. „Vor allem große Stiftungen mit viel Geld schauen auf die Wirkung“, sagt Prof. Dr. Pascal Goeke, Professor an der Privaten Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz, der zusammen mit Evelyn Moser im FIW forscht.
Das Bemühen, mit der Förderung eine gesellschaftliche Wirkung zu erzielen, wirft andererseits Fragen um Macht und Einfluss auf. Stiftungen sind schließlich keine demokratischen Einrichtungen. Sie sind im Grundsatz autokratisch und intransparent, haben wenig Informationspflichten. Einzelne Personen können viel Einfluss nehmen. „Stiftungen lassen sich nicht gerne in die Karten schauen“, bestätigt Evelyn Moser. An erster Stelle wird bei öffentlicher Kritik oft die Bill & Melinda Gates Foundation genannt, die mit vielen Milliarden US-Dollar international Gesundheitsforschung fördert und die Weltgesundheitsorganisation dominiert. In Deutschland sind es große Stiftungen wie die Bertelsmann Stiftung oder die Dieter Schwarz Stiftung, die Misstrauen erzeugen oder – wie unlängst in Potsdam die Hasso-Plattner-Stiftung mit ihrer Absicht, Gebäude auf dem Campus Griebnitzsee zu kaufen – Gegenwind ernten. Auch geraten Stiftungsprofessuren an Hochschulen immer wieder in die Diskussion: Wird hier an den demokratischen Spielregeln vorbei politisch zu viel Einfluss genommen? Ist die Freiheit von Forschung und Lehre bedroht?
Politischer Einfluss wird überschätzt
Die Gefahr hält sich in Grenzen. Nicht nur, weil der Anteil der Stiftungen an der gesamten Finanzierung der Wissenschaft so gering ist. Sondern auch, weil die Wissenschaft ist, wie sie ist. Ramin Bahrami, Soziologe und Kollege von Moser und Goeke am FIW, formuliert es im Sammelband „Stiftungen der Gesellschaft“ (Transcript Verlag) so: „Eine Steuerung der Wissenschaft und ihrer Vertreter:innen erscheint aber auch deshalb unwahrscheinlich, weil ihre weltweiten Aktivitäten nur schwer zu koordinieren sind. Die Wissenschaft verfügt über keine Letztinstanz, die kollektiv bindende Entscheidungen formuliert.“ Mit anderen Worten: Es fehlt die zentrale Schraube, an der sich drehen ließe – die Wissenschaft steuern zu wollen, käme dem Versuch gleich, den sprichwörtlichen Sack Flöhe zu hüten. //
Was ist eine Stiftung?
Eine Stiftung ist ein auf Dauer und unwiderruflich angelegtes Vermögen, mit dessen Erträgen bestimmte Zwecke verfolgt werden. Diese können gemeinnützig sein – also der Gesellschaft dienen – oder privatnützig, also einem begrenzten Personenkreis zugutekommen, etwa einer Familie.
Stifter können Privatpersonen sein, aber auch Unternehmen oder Vereine. Sie legen fest, welche Zwecke die Stiftung verfolgt. Die Stiftung ist auf Ewigkeit verpflichtet, sie zu verfolgen, also auch nach dem Ableben der Stifterinnen oder Stifter. Die Zwecke werden per Satzung festgelegt.
Gemeinnützig und steuerbegünstigt ist eine Stiftung, wenn sie gemeinnützige und/oder mildtätige Zwecke verfolgt. Welche Zwecke gemeinnützig sind, ist explizit in Paragraf 52 der Abgabenordnung aufgelistet.
Damit die Stiftung ihre Zwecke verfolgen kann, müssen die Stifter genügend Vermögen eingebracht haben. Nur in Ausnahmefällen können Stiftungen, deren Zwecke sich aus zeithistorischen Gründen oder wegen mangelnder Erträge nicht weiter verfolgen lassen, aufgelöst oder einer anderen Stiftung zugelegt werden.
Prüfbehörden von Stiftungen sind die Finanzämter und die Stiftungsaufsicht.
Die meisten Stiftungen sind rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts mit mindestens einem Stiftungsvorstand. Ob sie weitere Organe wie einen Stiftungsrat oder ein Kuratorium einrichtet, kann die Stiftung selbst entscheiden.
Eine Sonderform der Stiftung sind gemeinnützige GmbHs (gGmbH). Hier können die Zwecke geändert und die Existenz der Stiftung befristet werden – allerdings muss das Vermögen bei Auflösung in eine andere steuerbegünstigte Körperschaft übertragen werden und darf nicht an die Gesellschafter gehen.
DUZ Magazin 10/2024 vom 18.10.2024