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Zu wenig zielgruppenorientierte Aufbereitung

In einer umfangreichen Studie untersucht das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) die „Transferkanäle zwischen der Wissenschafts- und Hochschulforschung (WiHo-Forschung) und dem Hochschulmanagement“. CHE-Expertin Sigrun Nickel gibt im DUZ-Interview einen Zwischenstand

Frau Dr. Nickel, welche Relevanz hat Ihr neues Forschungsthema für die Hochschulen?

Eine wichtige Voraussetzung für einen funktionierenden Wissenstransfer ist, wie sichtbar die Informationen sind, wie oft sie gelesen werden und speziell in unserem Kontext: welchen Nutzen die Ergebnisse aus der Wissenschafts- und Hochschulforschung, oder kurz WiHo-Forschung, für die Praxis im Hochschulmanagement entfalten. Dafür sind geeignete Transferkanäle und Vermittlungsformen nötig. Denn das Berufsfeld der Hochschulmanagerinnen und -manager hat stark an Bedeutung gewonnen und durchläuft Professionalisierungsprozesse, zu denen Erkenntnisse aus der WiHo-Forschung hilfreiche Beiträge leisten können. Vor dem Start unseres Forschungsprojekts gab es jedoch keine abgesicherten Erkenntnisse darüber, ob und in welcher Form ein Wissenstransfer zwischen WiHo-Forschung und Hochschulmanagement in Deutschland tatsächlich stattfindet.

Warum ist diese Thematik auch aus hochschulpolitischer Sicht bedeutsam?

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) betreibt seit etlichen Jahren ein Programm, mit dem Projekte der WiHo-Forschung gefördert werden. In diesem Rahmen gab es vor einiger Zeit eine Ausschreibung unter anderem zur Frage des Wissenstransfers in das Hochschulmanagement. Das Thema liegt auf der Hand: Die WiHo-Forschung produziert seit Jahrzehnten eine Fülle von Erkenntnissen zu Entwicklungen im Hochschul- und Wissenschaftssystem. Dabei ist sie stark empirisch ausgerichtet, das heißt, sie bezieht oft die Praxis mit ein. Also ist es sinnvoll, zu untersuchen, ob Hochschulmanagerinnen und -manager diese Informationen zur Kenntnis nehmen und in ihre Arbeit einfließen lassen. Im Rahmen unserer Analyse haben wir unter anderem Hochschulmanagerinnen und -manager unterschiedlicher Hierarchieebenen, Hochschulleitungen und mittleres Management in den Tätigkeitsfeldern Lehre, Studium, Forschung und Transfer gefragt, welche Kommunikationskanäle sie nutzen, um sich über die Ergebnisse der WiHo-Forschung zu informieren. Nutzen sie etwa klassische Publikationen und Tagungen oder eher Social Media? Es wäre unproduktiv, wenn zur Verfügung stehendes Know-how wirkungslos verpuffen würde. Deshalb finanziert das BMBF bis 2025 auch eine Reihe von Forschungsprojekten, die sich auf unterschiedliche Weise mit dem Thema Wissenstransfer beschäftigen.

Eines der Ergebnisse Ihrer Studie lautet: Es mangelt an zielgruppenspezifischen Aufbereitungen der aus der WiHo-Forschung bereitgestellten Erkenntnisse. Was bedeutet das?

Wir haben uns drei zentrale Transferkanäle der WiHo-Forschung näher angeschaut, und zwar Publikationen, zu denen Fachzeitschriftenartikel, Bücher und Kurzpaper gehören, Beiträge zu nationalen und internationalen Tagungen sowie Social Media, worunter Messenger-Dienste wie Twitter/X oder LinkedIn, aber auch Newsletter, Blogs und Podcasts zu verstehen sind. Dabei haben wir festgestellt, dass die veröffentlichten Dokumente in der Regel reine Angebote darstellen, die Nutzerinnen und Nutzer bedarfsorientiert rezipieren können – sofern sie in der Lage sind, diese entweder händisch oder online zu recherchieren. Es wird auf ein intrinsisches Interesse gesetzt, dessen Motivationskraft so stark ist, dass sich zum Beispiel Hochschulmanagerinnen und -manager aus eigenem Antrieb auf die Suche nach geeignetem Know-how machen. Für diese Zielgruppe existiert nur ein Subkanal in Social Media, der sich explizit an sie richtet: Wissenschaftsmanagement Online oder kurz Wim’O genannt. Diese Plattform wird zum Wissenstransfer von der WiHo-Forschung jedoch nur wenig genutzt. Alles in allem wissen Nutzerinnen und Nutzer oft nicht, wo sie nach geeignetem Know-how gucken sollen.

Um welche Größenordnung handelt es sich, wenn wir über WiHo-Forschungsakteure sprechen? 

Wir haben in Deutschland 123 Einrichtungen sowie 26 Netzwerke und Fachgesellschaften, die sich explizit mit WiHo-Forschung beschäftigen. Von denen waren im Untersuchungszeitraum 73 beziehungsweise 23 in den Transferkanälen aktiv. Darüber hinaus haben wir 821 weitere Einrichtungen erfasst, die wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Themen Lehre und Studium, Forschung, Transfer sowie Hochschulmanagement veröffentlichten. Davon sind 80 Prozent in der Wissenschaft und rund 20 Prozent im Hochschulmanagement angesiedelt. Das zeigt, dass die Produktion von Wissen über das Hochschul- und Wissenschaftssystem keine alleinige Domäne der institutionalisierten WiHo-Forschung ist. Es gibt eine Vielzahl von Akteurinnen und Akteuren, die sich in unterschiedlichster Art und Weise auf diesem Forschungsfeld bewegen. Daraus entsteht eine Unübersichtlichkeit, die herausfordernd ist. Es gibt keine Instanz, die Interessierte dabei unterstützt, sich in diesem Informationsdschungel zurechtzufinden.

Was treibt die WiHo-Forschenden bei ihrer Arbeit an, woraus rekrutieren sie ihre Forschungsfragen und wie praxisnah sind ihre Forschungsthemen?

Zunächst einmal muss man sagen: Know-how für die Praxis bereitzustellen, ist nicht das primäre Ziel der WiHo-Forschung. Der Anspruch besteht vielmehr darin, Entwicklungen zu reflektieren. Andererseits war Hochschulforschung schon immer auch anwendungsorientiert. Das hat der Wissenschaftsrat 2014 in seinem Positionspapier „Institutionelle Perspektiven der empirischen Wissenschafts- und Hochschulforschung in Deutschland“ zum Teil kritisiert und eine stärke Hinwendung zur Theorie gefordert. Ziel sollte eine stärkere Profilierung als Forschungsfeld sein. Trotzdem enthalten die Untersuchungen nach wie vor eine Menge interessanter Daten, die vom Hochschulmanagement für die Weiterentwicklung von Studium und Lehre, Forschung und Transfer genutzt werden können.

Wer nutzt warum die Erkenntnisse aus der WiHo-Forschung? 

Fast 60 Prozent der von uns untersuchten rund 2500 Dokumente bezogen sich auf Studium und Lehre und sprachen damit sowohl Lehrende als auch Hochschulmanagerinnen und -manager an. Die detaillierte Analyse nach Unterthemen zeigt zudem, dass sich in diesem Bereich die meisten Dokumente mit der Digitalisierung, der Hochschuldidaktik und der Qualitätsentwicklung von Studium und Lehre beschäftigen. Eine bundesweite Befragung von Hochschulmanagerinnen und -managern, die wir im Herbst 2023 durchgeführt haben, zeigt allerdings, dass die Themen, die im Mittelpunkt der WiHo-Forschung stehen, nicht unbedingt die Themen sind, die Hochschulleitungen und mittlere Managementpositionen beschäftigen. Zudem wünschen sich Hochschulmanagerinnen und -manager eher kurze, möglichst online abrufbare Beiträge. Generell messen die Befragten dem Transfer von Erkenntnissen aus der WiHo-Forschung für die eigene Arbeit aber eine hohe Relevanz zu. 

Wie werden die Ergebnisse und Erkenntnisse aus der Forschung kommuniziert?

Traditionell kommuniziert die Wissenschaft – und somit auch die WiHo-Forschung – ihre Ergebnisse primär über Publikationen und Tagungsbeiträge. Social-Media-Kanäle stellen einen relativ neuen Weg dar. Oft besitzen die Einrichtungen zwar einen Account auf X, nutzen diesen jedoch selten. Deutlich wenig verbreitet ist auch die Nutzung von LinkedIn. Dabei zeigt sich in unserer Studie bei der Analyse der Reaktionshäufigkeiten (Likes, Kommentare et cetera), dass das Themenfeld Hochschulmanagement bei LinkedIn häufiger auf Interesse stößt als auf X. Eher selten werden Online-Portale, Blogs und Podcasts für den Transfer von Ergebnissen der WiHo-Forschung genutzt.

Sie fordern eine oder mehrere zentrale Anlaufstellen, wo Hochschulmanagerinnen und -manager themenbezogen nach relevanten Informationen aus der WiHo-Forschung suchen können. Wie sollte diese funktionieren, was wäre dazu notwendig?

Expertinnen und Experten mit Kompetenzen sowohl im Wissenschaftsjournalismus beziehungsweise in der Wissenschaftskommunikation als auch in der WiHo-Forschung könnten eine Art Übersetzungsfunktion übernehmen und das Wissen zielgruppenspezifisch aufbereiten. Das wäre auch eine Entlastung der Forscherinnen und Forscher, die ihre wissenschaftlichen Ziele und Karrieren verfolgen. Oberstes Ziel sollte sein, dass Hochschulmanagerinnen und -manager sich schnell orientieren können und ohne großen Zeitaufwand wissen, wo die für sie wichtigen Informationen zu finden sind. Voraussetzung dafür ist eine professionelle Einordnung und zielgruppenspezifische Aufbereitung. Eine Datenbank, die ausschließlich über Selbsteintragungen ohne weitere Qualitätssicherung funktioniert, wie es heute gerade im Hochschulbereich oft angeboten wird, erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Diese verwahrlost schnell und wird dann nicht mehr genutzt. //

Mehr Infos zur Studie

Die Studie „Transferkanäle zwischen der Wissenschafts- und Hochschulforschung und dem Hochschulmanagement“ ist Teil des CHE-Forschungsprojekts „Transfer von Erkenntnissen aus der Hochschul- und Wissenschaftsforschung in das Management von Hochschulen“ (TransForM), das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.
www.che.de/download/transferkanaele-wiho-forschung/

Dr. Sigrun Nickel 

ist Sozialwissenschaftlerin und leitet den Bereich Hochschulforschung beim CHE. Sie ist unter anderem zuständig für die Arbeitsschwerpunkte Hochschul- und Wissenschaftsmanagement sowie Qualitätsentwicklung und Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung.

Foto: Sirko Junge​

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