Dialog mit draußen suchen
Deutsche Hochschulen haben den gesetzlich verankerten Auftrag, zur Demokratiebildung beizutragen. In der DUZ-Serie „Demokratie stärken“ berichten Hochschulakteure, wie sie dies tun. Den Auftakt macht Ulrike Kuch von der Bauhaus-Universität Weimar
Universitäten wurden seit der Renaissance grundsätzlich als glaubwürdige, unabhängige Instanzen des Wissens angesehen. Dieses Ansehen bröckelt. Die sich gegenseitig beeinflussenden Transformationsprozesse der letzten 30 Jahre haben besonders in Thüringen drei gravierende Folgen: den Verlust des Vertrauens in die Demokratie als Staatsform, eine Entfremdung gegenüber staatlichen Institutionen und die abnehmende Akzeptanz der Wissenschaft als einer dem Gemeinwohl verpflichteten und für die Gesellschaft wertvollen Instanz.
Als Bauhaus-Universität Weimar sind wir Akteurin in der Gesellschaft. Der Wertekanon der Bauhaus-Universität Weimar basiert auf verschiedenen Fundamenten. Diese umfassen nicht nur das Grundgesetz und das Thüringer Hochschulgesetz (1), sondern auch das historisch gewachsene Selbstverständnis der Bauhaus-Universität Weimar. Die Auswirkungen der gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen auf die – in chronologischer Reihenfolge – Kunstschule, das Bauhaus und die Hochschule für Architektur und Bauwesen zeigen, dass wir in einer widersprüchlichen Tradition stehen und daraus Lehren für die Zukunft ziehen müssen (2). Wir sind unmittelbar angewiesen auf eine offene und demokratische Gesellschaft, weil sie die Grundlage für die Freiheit des Denkens ist, weil wir anders nicht frei und experimentell auf international beachtetem, hohem Niveau forschen, lehren und gestalten können. Als Vizepräsidentin für gesellschaftliche Transformation sehe ich meine Aufgabe darin, diese gesellschaftsbezogene Verantwortung in die universitäre Praxis zu übersetzen.
„Für mich ist der Austausch mit Menschen außerhalb der Universität das wichtigste Mittel, um die Demokratie und die Akzeptanz der Wissenschaft zu stärken“
Für mich ist im Jahr 2024 der Austausch mit Menschen außerhalb der Universität das wichtigste Mittel, um die Demokratie und die Akzeptanz der Wissenschaft zu stärken. Mein Ziel ist es, unser Arbeiten an der Bauhaus-Universität Weimar erlebbar und verständlich zu machen und dabei für unsere Werte einzutreten. Dafür setzen wir uns mit unseren Kompetenzen, unserem Wissen, unseren Persönlichkeiten ein.
Transfer unserer Werte in außeruniversitäre Räume
Der thematische Schwerpunkt Demokratie stärken ist der Rahmen, den ich für diese Aktivitäten gesetzt habe. Auf der Ebene der Governance haben wir 2023 die Initiative Weltoffenes Thüringen mitbegründet und treten dort gemeinsam mit einer großen Bandbreite zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure für Weltoffenheit, Vielfalt, für die Achtung der Menschenwürde, für die plurale Demokratie, für einen friedlichen und respektvollen Umgang miteinander und für die Idee der europäischen Einigung ein. Diese Haltung haben wir als neu gewähltes Präsidium im September 2023 im Startprogramm festgehalten (3) und demonstrieren sie auch öffentlich (unter anderem hier https://vimeo.com/939051185).
Im Bereich der Lehre, der Forschung und des Transfers möchte ich mit diesem thematischen Schwerpunkt Kollegen und Kolleginnen dazu ermutigen, der Stärkung der Demokratie Platz einzuräumen, sei es durch einen direkten inhaltlichen Bezug in der Forschung, durch Vermittlung von Kompetenzen zur Diskurs- und Kritikfähigkeit, durch partizipative Lehrmethoden, durch persönliches Engagement oder den Transfer unserer Werte in außeruniversitäre Räume. Gerade der letzte Punkt ist mir besonders wichtig. Deshalb hat das Präsidium den Fonds Demokratie stärken eingerichtet: Aus diesem werden insbesondere Projekte gefördert, die Kooperationspartnerschaften mit lokalen Institutionen und Initiativen eingehen, sei es ein Jugendclub, eine Bürgerinitiative, das Kunstfest oder die Volkshochschule – bevorzugt außerhalb Weimars und besonders im ländlichen Raum.
Die Projekte erstrecken sich von Fotografie mit Jugendlichen über den Entwurf und Bau einer Kletterwand, soziologische Wahlbeobachtung und Radiosendungen bis hin zu KI-Utopien für den ländlichen Raum. Lehr-, Forschungs- und Kunstinteressen kommen so in Austausch mit Menschen, die wenig Berührung mit Universitäten haben. Ende August veranstalten wir auf dem Weimarer Herderplatz den Weimarer Wissensdialog. Wissenschaft und Kunst für eine starke Demokratie. Dort werden Wissenschaftlerinnen und Künstler der Bauhaus-Universität und weiterer Weimarer Wissenschaftseinrichtungen mit ihrer Arbeit für eine offene, demokratische Gesellschaft eintreten.
Diversität und demokratische Mitbestimmung
Der thematische Schwerpunkt erstreckt sich zudem auch auf wiederkehrende Veranstaltungen. Ein Beispiel ist der jährliche „Tag der Lehre und des Lernens“, der in diesem Jahr unter dem Motto „Stadt, Land, Lehre in Freiheit und Demokratie“ – in Kooperation mit der Hochschule Nordhausen – stattfand und Podiumsdiskussionen, Workshops und Panels anbot.
Darüber hinaus geben wir Informationen über externe Förderformate gezielt weiter, um für dieses Feld auch Drittmittel vor allem zur Forschung und zur Wissenschaftskommunikation zu akquirieren. Bereits 2023 hat der Senat entschieden, mit der Verabschiedung der Diversitätsstrategie auch stärker nach innen für demokratische Werte einzutreten, im Speziellen für Diversität und gegen Rassismus und Antisemitismus. Momentan setzen wir unter anderem Maßnahmen wie Allyship-Workshops, die Woche der Diversität und Fortbildungen um. Zudem suchen wir als Präsidium verstärkt den Kontakt zu allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, zum Beispiel mit dem Format der Universitätsdialoge, bei denen wir bestimmte Themen mit allen Universitätsmitgliedern diskutieren. Die partizipative Erarbeitung des Struktur- und Entwicklungsplans 2026–2030, die wir für alle Mitglieder geöffnet haben, war ein intensiver und wichtiger Prozess, um die demokratische Mitbestimmung auch in der Universität zu stärken.
Kraftvolle Argumente gegen rassistische Positionen
Eine der wichtigsten Lehren aus dem Austausch auch mit Kollegen und Kolleginnen anderer Universitäten zum Thema Demokratie stärken ist für mich: Es gilt, Ambiguität auszuhalten. Gerade als Bildungseinrichtung ist es unsere Aufgabe, einen offenen, politischen und auf wissenschaftlichen Prinzipien basierenden Diskurs zu ermöglichen, dabei vor verfassungsfeindlichen, rassistischen oder antisemitischen Positionen oder Aktionen nicht die Augen zu verschließen, sondern ihnen kraftvolle Argumente entgegenzustellen.
Darin sehe ich unsere Verantwortung als Universität für die Gesellschaft, die sich seit der Renaissance im Grundsatz nicht geändert hat: Wir sind eine unabhängige Institution, wir haben die Freiheit und auch die Verpflichtung, Fragen zu stellen, sie zu untersuchen, abzuwägen und unsere Erkenntnisse in die Gesellschaft hineinzutragen und sie dort zu diskutieren. Diese Freiheit ist für uns existenziell und deshalb setzen wir uns als Präsidium mit der Bauhaus-Universität Weimar für demokratische Werte und eine offene Gesellschaft ein. //
Dieser Text ist als erster Teil unserer Serie "Demokratie stärken" erschienen.
Quellen
(1) Im § 5 des Thüringer Hochschulgesetzes unter Aufgaben der Hochschulen heißt es: „Die Hochschulen lassen sich in ihrer Tätigkeit vom Geist der Freiheit in Verantwortung für soziale Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung und Verbesserung der Lebens- und Umweltbedingungen leiten. Sie dienen […] der Pflege und Entwicklung der Wissenschaften und der Künste durch Forschung, Lehre, Studium und Weiterbildung in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat […].“
(2) Ulrike Lorenz, Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar, sprach von der „Geschichte als Verantwortung für die Zukunft“; Festakt zur Eröffnung der Ausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“ und des Museums für Zwangsarbeit im Nationalsozialismus, 8. Mai 2024.
(3) „Die Bauhaus-Universität Weimar bekennt sich klar zu ihrem gesellschaftspolitischen Auftrag. Um diesem gerecht zu werden, engagiert sie sich im regelmäßigen Austausch zu Haltungen, Erkenntnissen und Methoden der Akteur:innen der lokalen, regionalen, nationalen und globalen Gesellschaft und trägt aktiv zu demokratiestärkenden Prozessen bei.“
Dr. Ulrike Kuch
ist seit Juni 2023 Vizepräsidentin für gesellschaftliche Transformation an der Bauhaus-Universität Weimar. Ein Jahr zuvor wurde sie zur Co-Direktorin des Bauhaus-Instituts für Geschichte und Theorie der Architektur und Planung ernannt.
Foto: D. Wollniok
DUZ Magazin 08/2024 vom 23.08.2024