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Wissenschaft im Dialog

Der Wissenschaftsladen Science Shop Vechta/Cloppenburg der Universität Vechta verknüpft mit ganz unterschiedlichen Projekten Wissenschaft und Zivilgesellschaft miteinander

Wissenschaftsläden arbeiten seit Ende der 1970er-Jahre unter unterschiedlichen organisatorischen Bedingungen als Einrichtungen partizipativer Wissenschaft am Dialog von Wissenschaft und Gesellschaft. Die ersten „Wetenschapswinkel“ gründeten sich in den Niederlanden, sie bestehen dort nach wie vor an vielen Hochschulen. Studierende und Beschäftigte der Universitäten in Amsterdam und Utrecht wollten „heraus aus dem Elfenbeinturm“, also vor allem projekt- und problemorientiert arbeiten. Sie gründeten Arbeitsgruppen und begannen, Umwelt- und Bürgerinitiativen zu unterstützen und zu beraten.

Mittlerweile gibt es eine dreistellige Zahl an Wissenschaftsläden und vergleichbaren Einrichtungen auf allen fünf Kontinenten, die in verschiedenen Netzwerken organisiert sind, vor allem im Netzwerk Living Knowledge, das neben Projekten und Veranstaltungen auch eine Dialogplattform für die weltweit angesiedelten Wissenschaftsläden und andere Einrichtungen partizipativer Wissenschaft bietet. So können Wissenschaftsläden regionale und internationale Aspekte ihrer Arbeit miteinander verbinden. Ihre inhaltliche Ausrichtung und organisatorische Ausgestaltung sind vielfältig. Wissenschaftsläden sind zumeist an Hochschulen gebunden, in Deutschland, Österreich und anderen Ländern Europas sind sie aber auch oft in der Zivilgesellschaft verankert, etwa als gemeinnützige Vereine oder Social Enterprises.

Wissenschaftsläden sehen sich so als Bindeglied von Wissenschaft und Gesellschaft. Das bedeutet zum einen, wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden für die Gesellschaft verfügbar zu machen und umgekehrt, gesellschaftlich relevante Anliegen und Wissensbestände in Forschung und Lehre zu transferieren. Dies erfolgt zumeist in kollaborativer Projektarbeit, etwa im Rahmen von Service Learning oder Citizen Science, sowie dialogorientierten Formaten der Wissenschaftskommunikation. Die Motivation dafür liegt unter anderem in dem Bestreben, verantwortliche Wissenschaft zu betreiben, die nicht blind gegenüber den Auswirkungen ihres Handelns ist.

Die Universität Vechta versteht sich in ihrem Selbstverständnis als Universität in Verantwortung. Dies findet sich auch in der Hochschulentwicklungsplanung und der Transferstrategie wieder, die auf Rahmenkonzepten wie Responsible Research and Innovation (RRI), Open Science und Multidirektionalität im Transfer aufsetzen. Mit dem inhaltlichen Profilschwerpunkt Transformationsprozesse in ländlichen Räumen trägt die Universität auch ihrem regionalen Umfeld Rechnung. Transferprojekte kooperieren oft mit regionalen Partnern wie Kommunen, Unternehmen, Bildungseinrichtungen und Vereinen.

Der Science Shop Vechta/Cloppenburg wurde 2012 als kooperatives Projekt zwischen dem Landkreis Cloppenburg und der Universität Vechta eingerichtet und besteht seitdem in dieser „universitär-kommunalen“ Trägerschaft fort. Organisatorisch ist der Science Shop an die Transferstelle der Universität angebunden; Räumlichkeiten, Ausstattung sowie technischen Support durch das Kreis-Medienzentrum stellt der Landkreis. Die personelle Besetzung und den Betrieb des Science Shop sicherte die Universität in den Jahren 2013 bis 2022 durchgängig mit überwiegend drittmittelfinanzierten Projekten und Veranstaltungen. Anfang 2023 wurde im Referat Forschung, Nachwuchsförderung und Transfer eine anteilige Personalstelle für die kontinuierliche Besetzung und Betreuung des Science Shop und seiner Projekte eingerichtet

Regionales Engagement durch die Verbindung von Lehre und Transfer

Von Anfang an spielen studentische Projekte in den Science Shops eine wichtige Rolle. Ein Format, das die Zusammenarbeit zwischen Studierenden und Praxispartnern gezielt fördert, ist Service Learning. Dabei erbringen Studierende im Projektstudium Unterstützungsleistungen (Service) für die beteiligten Partnereinrichtungen. Sie bringen ihre akademischen Kompetenzen ein, entwickeln neue Kompetenzen und reflektieren das in der Praxis Erlebte im Seminarkontext gemeinsam mit anderen Studierenden und ihren Lehrenden (Learning). Der Science Shop vermittelt Kontakte und Projektideen zwischen Lehrenden und Praxiseinrichtungen und ist bisweilen auch personell in Forschungsprojekte der Hochschuldidaktik eingebunden, wie bei den Projekten EnRRICH (Enhancing Responsible Research and Innovation through Curricula in Higher Education, Horizon 2020, 2015–2018) oder Senatra (Service Learning und nachhaltige Transformation an Hochschulen, Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2022–2025). So entstand im Rahmen von EnRRICH etwa das Seminar „Über den Tellerrand – Partizipative Forschung mit Menschen aus der Region“, in dem Studierende trans- und interdisziplinär überwiegend an Themen der nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten.

Citizen Science, kollaborative Projekte und Veranstaltungen

Wesentliche Aufgaben des Science Shop bestehen darin, für Anfragen aus der Gesellschaft passende Bearbeitungssettings zu finden, wissenschaftliche Kontakte herzustellen sowie gemeinsame Projekt- und Veranstaltungsformate zu entwickeln. So kommen beispielsweise kommunale Verwaltungen oder engagierte Haupt- und Ehrenamtliche aus Vereinen auf den Science Shop zu, planen gemeinsam eine Veranstaltung oder stellen einen Projektantrag. Außerdem werden auch Anfragen aus der Wissenschaft bearbeitet, etwa durch die Vermittlung von regionalen Partnern für Transferprojekte. Ein Großteil der Science-Shop-Arbeit findet in Drittmittelprojekten statt, in denen wissenschaftliche und externe Partner auf Augenhöhe zusammenarbeiten und ihre jeweilige Expertise einbringen. So wurde etwa im Projekt KulTour Cloppenburg (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, 2018–2020) kollaborativ mit dem Fach Designpädagogik, lokalen Kultureinrichtungen und vielen ehrenamtlich zur Stadtgeschichte Forschenden ein digitaler Stadtführer entwickelt. 

Im Projekt ReKuTe – Partizipative Wissenschaft für Region, Kultur und Technik (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung, 2018–2021) wurde zusammen mit dem Museumsdorf Cloppenburg in verschiedenen Beteiligungsformaten partizipativ eine Ausstellung zur regionalen Feierkultur entwickelt. Außerdem wurde hier gemeinsam mit einer Musiklehrerin eine neue Methode des Instrumentalunterrichts für Demenzerkrankte erforscht. Im Projekt TeRRIFICA (Territorial RRI Fostering Innovative Climate Action, Horizon 2020, 2019–2022) wurden gemeinsam mit Menschen aus der Region die Auswirkungen des Klimawandels und bereits vorhandene Anpassungsmaßnahmen mittels Crowd Mapping kartiert. Als Dialogformat wurden Klima-Touren zu Fuß oder mit dem Rad in Kooperation mit Vereinen und kommunalen Klimaschutzbeauftragten durchgeführt. In partizipativen Workshops und Pilotprojekten entstanden Aktionspläne für neue Anpassungsmaßnahmen und unter anderem auch das Cloppenburger Klima-Eck als Nasch- und Naturgarten sowie Lern- und Begegnungsort in der Innenstadt.

2023 organisierte der Science Shop gemeinsam mit der Volkshochschule, der Ehrenamtsagentur Cloppenburg und dem Bildungswerk Cloppenburg-Garrel die ersten Aktionstage für Nachhaltigkeit in der Stadt. Unter dem Motto „Cloppenburg.gemeinsam.nachhaltig“ kam ein vielfältiges Programm für alle Altersgruppen zustande: Markt- und Infostände, Mitmachaktionen, Führungen, Filme, Vorträge und Workshops sowie ein kulturelles Rahmenprogramm. Neben Vereinen und Initiativen, Bildungseinrichtungen, Unternehmen, Politik und kommunaler Verwaltung trugen auch Forschende und Studierende der Universität Vechta zur Programmvielfalt bei.

Studierendengruppen entwickelten zum Beispiel Fußbodenaufkleber zu den 17 Sustainable Development Goals (SDGs) und eine Ausstellung zum nachhaltigen Textilkonsum. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellten Forschungsprojekte vor und kamen bei Mitmachaktionen mit vielen Interessierten ins Gespräch. Aktuell arbeiten in LOESS (Literacy boost through an Operational Educational Ecosystem of Societal actors on Soil Health, Horizon Europe, 2023–2026) das Fach Geografiedidaktik und eine Community of Practice gemeinsam daran, Bildungsmaterialien und -angebote zum Thema Bodengesundheit zu entwickeln und zu verbessern. Im Projekt LieferBus wird ab Mai 2024 erprobt, wie Linienbusse zum Transport von landwirtschaftlichen Erzeugnissen in der Region Altmarkkreis Salzwedel genutzt werden können.

Ausblick

Aufgrund der heute umfassenden digitalen Verfügbarkeit wissenschaftlicher Daten und Informationen hat sich seit den 1990er-Jahren der Schwerpunkt der Wissenschaftsladenarbeit von der Bereitstellung von Wissen hin zur Organisation des wissenschaftlich-zivilgesellschaftlichen Dialogs verlagert. Dieser Trend wird sich mit dem zunehmenden Einsatz von Künstlicher Intelligenz voraussichtlich noch verstärken und beschleunigen. Die künftige Arbeit der Wissenschaftsläden wird sich demnach stärker auf die Organisation und Moderation kollaborativer, co-kreativer Zusammenarbeit von Institutionen und Individuen fokussieren – auch unter Anwendung sich rasant entwickelnder Technologien. //

Publikationen

  • Ludwig, D.; Bokop, K.; Gröneweg, C.; Hedemann, K.; Hoff, H. (2022): Open Access zur Wissenschaft in einer ländlich geprägten Region – Der Science Shop Vechta/Cloppenburg. In: B. Benz, W. Schönig, A.L. Arp, K. Lutz, J. Offergeld (Hg.): Wissenschaftsläden in der Sozialen Arbeit – Partizipative Forschung und soziale Innovationen, Beltz Juventa in der Verlagsgruppe Beltz, Weinheim Basel, S. 145–154
  • Rieckmann, M. (2021): Service Learning für nachhaltige Entwicklung. In: A. Boos, M. van den Eeden, T. Viere (Hg.): CSR und Hochschullehre. Transdisziplinäre und innovative Konzepte und Fallbeispiele. Berlin, Heidelberg: Springer Gabler (Management-Reihe Corporate Social Responsibility), S. 185–198

Online-Quellen 

  • Verbundprojekt Senatra, Projektleitung an der Universität Vechta, Prof. Dr. Marco Rieckmann, Service Learning und nachhaltige Transformation an Hochschulen
  • Fundacion Bancaria la Caixa, Welcome to the RRI Toolkit – Towards an open science and innovation system that tackles the societal challenges of our world
  • Wissenschaftsladen Bonn e.V., Living Knowledge – The International Science Shop Network

Katrin Hedemann

ist seit Dezember 2019 in verschiedenen Projekten des Science Shop Vechta/Cloppenburg tätig und seit 2023 für die Gesamtkoordination zuständig. Sie hat 2019 den interdisziplinären Master of Arts Medien und Gesellschaft an der Universität Siegen abgeschlossen.

Foto F. Schmidt / Uni Vechta

Dr. Daniel Ludwig


ist seit Ende 2012 für den Science Shop Vechta/Cloppenburg tätig. Er arbeitet seit Ende 2011 für das Referat für Forschung, Nachwuchsförderung und Transfer der Universität Vechta im Bereich der internationalen Forschungsförderung und der Transferstelle.

Foto F. Schmidt / Uni Vechta​

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