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Studie: Regieren Medien die Hochschulen?

Größere Pressestellen, Facebook-Seiten und Methoden wie in der Produktwerbung: Universitäten und Fachhochschulen bemühen sich stärker denn je darum, in den Medien präsent zu sein. Eine Studie aus Münster und Mannheim belegt, dass es dabei längst nicht nur darum geht, Laien Wissenschaft zu vermitteln.

Die Technische Universität München (TUM) schafft es im Wochentakt in die Schlagzeilen. Ein Professor für Ernährungswissenschaften erklärt im Radio die Bedeutung von Darmbakterien für die Verdauung. Ein paar Tage zuvor erklärt eine Professorin im Fernsehen, warum es sich trotz Krise lohnt, Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Und auch für Studierende, die süßes, muntermachendes Bier entwickelten, interessieren sich die Medien. Die Pressestelle verlinkt jeden Beitrag auf der Homepage. Das gefällt TUM-Präsident Prof. Dr. Wolfgang Herrmann, denn er ist überzeugt: „Gute Medienarbeit bietet viele Chancen.“

Die Einsicht ist weder neu noch exklusiv. In ganz Deutschland haben Hochschulen ihre Öffentlichkeitsarbeit professionalisiert. Kaum eine Universität verzichtet noch auf ein Corporate Design, also auf ein einheitliches Logo und gleiche Schmuckfarben für Internetauftritte, Briefköpfe und die sonst so zerfledderten Vorlesungsfolien. Wie stark Markenbildung und Medienorientierung an Bedeutung gewonnen haben, zeigt nun eine Studie, die Kommunikationswissenschaftler der Universität Münster erstellt haben.
Am klarsten lässt sich der Trend in den Pressestellen ablesen: 60 Prozent der befragten Pressesprecher berichten, dass ihre Abteilungen in den vergangenen fünf Jahren ausgebaut wurden. Fast 70 Prozent gaben an, heute mehr Geld zur Verfügung zu haben als noch vor fünf Jahren. Auf 20 Professoren, so die Kommunikationswissenschaftler, komme mittlerweile ein Pressesprecher. Im Jahr verschicken die Pressestellen rund 27.000 Pressemitteilungen – das entspricht etwa einer pro Professor.

„Es ist die Öffentlichkeit der Steuerzahler, die uns die Forschung ermöglicht.“

Das „Corporate Communication Center“ der TU München unterscheidet sich kaum noch von der Kommunikationsabteilung eines Konzerns: Sieben Sprecher nehmen Journalistenanfragen entgegen, zwei betreuen den Online-Auftritt und die Präsenz der Uni in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter, eine vierköpfige Redaktion ist eigens für die Hauszeitschriften zuständig.
„Ich sehe die Universitäten als die Hauptträger der Wissenschaft in Deutschland in der Verpflichtung, die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeiten einer breiten Öffentlichkeit bekannt und verständlich zu machen“, erklärt TUM-Chef Herrmann den Aufwand, „es ist diese Öffentlichkeit der Steuerzahler, die uns diese Forschungen ermöglicht.“

Marketing als Legitimationsnachweis? So ähnlich sieht das Dr. Elisabeth Hoffmann, Sprecherin der TU Braunschweig und Vorsitzende des Bundesverbandes Hochschulkommunikation: „Wir Hochschulen haben eine gesellschaftliche Verpflichtung, zu kommunizieren.“ Und eine gute Kommunikation brauche heute Profis: Leute, die wissen, wie Journalisten denken, die mit neuen Medien umgehen können, die gut twittern und abschätzen können, mit welchen Informationen man die Nutzer bei Facebook oder YouTube erreichen kann.

Schaulaufen vor den Geldgebern

Und trotzdem, glaubt Dr. Andres Friedrichsmeier, Mitautor der Studie, kann aufklärerischer Idealismus das enorme Anwachsen der Öffentlichkeitsarbeit in den Hochschulen allein kaum erklären. Ihm erscheint der PR-Boom an den Unis auf den ersten Blick sogar eher rätselhaft: „Klassischerweise hätte man gesagt: Ein Wissenschaftler interessiert sich für seine Reputation in Fachkreisen, aber nicht für das, was in den Publikumsmedien stattfindet“, sagt Friedrichsmeier. An erster Stelle steht eine Publikationsliste, mit der man sich im Kreis der Kollegen sehen lassen kann. Erst dann irgendwann kommt der Wunsch, seine Forschung auch einer breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen – wenn überhaupt. Gerade Geisteswissenschaftler, deren Forschungsthemen sich oft mit den Themen überschneiden, die in den Medien diskutiert werden – auch das zeigt die Studie –, beurteilen die Popularisierung ihrer Arbeit traditionell ausgesprochen zurückhaltend.

Die Erklärung für den PR-Boom liegt für die Münsteraner Forscher daher tiefer: Die Sichtbarkeit in den Medien zielt nicht unbedingt immer darauf, ein Laienpublikum für Wissenschaft zu begeistern – sondern vor allem auch darauf, Ministerien, Drittmittelgeber und Politiker von sich zu überzeugen. „Es gab einen grundsätzlichen Wandel in der Art, wie Hochschulen organisiert und geführt werden“, sagt Friedrichsmeier. „Der Staat zieht sich aus der Detailsteuerung zurück, der Wettbewerb spielt eine größere Rolle.“ Das eigene Image wird da zu einem Pfund, mit dem die Hochschulen bei Entscheidern im Kampf um Mittel punkten wollen. „Das Schaulaufen wird vor der allgemeinen Öffentlichkeit ausgetragen“, sagt Friedrichsmeier. Der Kapuzenpulli mit Logo aus dem Unishop hat handfest wissenschaftspolitische Gründe.

Das bestätigt Elisabeth Hoffmann vom Bundesverband Hochschulkommunikation: „Die Kommunikation wird grundsätzlich strategischer“, sagt sie. „Früher ging es vor allem darum, Forschungsergebnisse in die Medien zu bringen. Inzwischen steht die Markenbildung der Hochschule als Ganzes stark im Fokus.“

Das markanteste Beispiel für dieses  Denken ist die Exzellenzinitiative. Sie führte auch dazu, dass Universitäten sich griffige Slogans verpassten, Broschüren auflegten oder den Campus aufhübschten. Das Motto der TU München ist gleichzeitig auch der Titel des Antrags, mit dem sich die Universität 2006 um die Auszeichnung als Elite-Uni bewarb: die unternehmerische Universität. „Im Wettbewerb um Wissenschaftler, Studierende, Fördermittel und Partner in Wissenschaft und Wirtschaft brauchen Universitäten eine klare Positionierung, ein unverwechselbares Profil und eine Wiedererkennbarkeit“, sagt Herrmann, „es geht um die Herausbildung einer stark besetzten Marke.“

„In den Gutachtergremien sitzen auch politische Entscheider. Deren  Bild von Hochschule wird von Medien geprägt.“

Auch Hochschul-PR-Expertin Hoffmann bestätigt dieses Kalkül: „In den Gutachtergremien sitzen nicht nur die Leute aus der Fachcommunity, sondern auch politische Entscheidungsträger“, sagt sie, „und deren Bild von Hochschule wird stark auch von den Medien geprägt.“
Die Münsteraner Studie weiß die Beobachtung statistisch zu untermauern: Je stärker sich Hochschulen im Wettbewerb wähnen, desto wichtiger ist es ihnen, in den Medien präsent zu sein. Und: Den Ministerien und der Politik unterstellen die Hochschulleiter eine besonders starke Orientierung an dem, was die Medien berichten. Je stärker eine Hochschule meint, sich um das Wohlwollen der Ministerien bemühen zu müssen, desto wichtiger ist ihr auch die eigene Medienpräsenz.
Das Drängen in die Medien wirkt dabei auch auf das zurück, was innerhalb der Hochschule selbst passiert. Ein Beispiel hat Andres Friedrichsmeier direkt aus seiner eigenen Arbeit parat: Er und seine Kollegen, erzählt er, würden sich bemühen, dass es der Hochschulleitung nicht verborgen bleibt, wenn Zeitungen und Zeitschriften über ihre Studie berichten – auch von diesem Artikel in der duz soll das Rektorat natürlich erfahren. „Man verspricht sich nicht unmittelbar etwas davon, aber irgendwie denkt man als Forscher heutzutage, dass es gut ist, wenn die Hochschulleitung so etwas mitbekommt“, sagt Friedrichsmeier.

Wenn die PR die Forschung diktiert

Ein weiteres Beispiel sind die Hochschulrankings, die regelmäßig in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht werden. „Diese Rankings sind eigentlich als Entscheidungshilfe für Studienbewerber gedacht, aber die folgen den Empfehlungen nur sehr begrenzt“, sagt Friedrichsmeier. Umso bedeutender seien die öffentlichen Ranglisten für die internen Auseinandersetzungen: Wenn das Geld verteilt wird, dienen Rankings als Argumentationshilfe – und das umso mehr, je stärker die Hochschule auf ihr Bild in den Medien schielt.
Die Studie liefert auch Hinweise darauf, dass die Medienorientierung der Wissenschaft in manchen Fällen mehr schaden als nutzen kann: Je stärker ihre Hochschule von den Professoren als medienorientiert wahrgenommen wird, desto stärker beobachten die Wissenschaftler beispielsweise auch, dass Forschungsthemen nach PR-Gesichtspunkten ausgewählt werden oder dass kleinere Fachbereiche zu größeren und besser sichtbaren Einheiten zusammengelegt werden.

Das Forschungsprojekt in Kürze

Das Forschungsprojekt in Kürze

Laufzeit: Das Projekt „Organisation und Öffentlichkeit von Hochschulen“ der Universitäten Münster und Mannheim ist von 2009 bis 2012 unter anderem durch das Bundesforschungsministerium unterstützt worden.

Empirische Basis: Für die Studie wurden Hochschulleiter, Senatsmitglieder, Presseverantwortliche sowie Hochschulräte und Beiratsgremien an 265 Hochschulen im Herbst 2010 und im Frühling 2011 befragt. Die Rücklaufquote betrug bei den Hochschulleitungen 56 und 70 Prozent bei den Pressesprechern. 1980 Datensätze wurden ausgewertet.

Link: www.uni-muenster.de/imperia/md/content/kowi/forschen/ergebnisreport_organisation_oeffentlichkeit_hochschulen.pdf

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